Übt man dann noch als Beruf den des Grundschullehrers aus, d.h. man hat eine Vorbildfunktion gegenüber Kindern inne, „dann ass d’Bëtschel fett“, auf gut Luxemburgisch gesagt. Genau diese Situation macht der Luxemburger Philippe Herman zurzeit mit.
Am 23. Juli teilte die nationale Anti-Doping-Agentur Luxemburgs (ALAD) mit, dass Herman wegen eines Regelverstoßes – Nichterscheinen zu einer Doping-Kontrolle – für ein Jahr gesperrt werden würde. Der Einspruch des FSCL-Lizenzierten – gleichwohl ein reiner Hobbysportler – war erfolglos.
Sein Name aber war publik, der Schaden angerichtet. „Es ist, als ob man am Pranger stehen würde“, erklärt Herman im Gespräch mit dem Tageblatt – welches er suchte. Auch wenn das Selbst-in-die-Öffentlichkeit-treten noch einmal Überwindung kostet, will er den Urteilsspruch, auf trockenen Fakten basierend, so nicht unkommentiert stehen lassen, sondern auch seine Sicht der Dinge darlegen.
„Null Verständnis“
Verständnis dafür bringt Liz May auf; die frühere Top-Triathletin schreibt als promovierte Juristin seit kurzem regelmäßig über das Thema Doping im Tageblatt und wurde von uns beim Gespräch mit Philippe Herman hinzugezogen: „Die News steht jetzt so im Internet. Philippe Hermans Name wird gegoogelt … man stößt immer wieder drauf.“
Worauf auch Liz May sofort hinweist, ist: „Rein rechtlich ist alles okay. Das Urteil ist korrekt und musste so fallen. Aber es wurde gefällt nach Regeln, die für das andere Ende des Spektrums sind – dreiste Betrüger. Aber alle Sportler werden danach beurteilt“.
Woran sich beide stören, ist, dass absolut kein Ermessens-Spielraum oder Fingerspitzengefühl oder wie auch immer man es nennen mag, möglich war.
„Ich bin mir bei meinen beiden Anhörungen vor dem Conseil de discipline contre le dopage (CDD) und dem Conseil supérieur de discipline contre le dopage (CSDD) teilweise für dumm verkauft vorgekommen“, so der 29-Jährige: „Ich argumentierte, aber die Argumente wurden nicht angenommen. Sie perlten regelrecht ab. Auf Fragen meinerseits folgten immer wieder Gegenfragen. Es gab null Verständnis für die menschliche Situation. ‚De Comble vun deem Ganzen‘: Die ALAD als ‚Staatsanwalt‘ sagte ‚wir glauben dir, aber wir können aufgrund der Reglemente nicht anders als auf eine Sperre plädieren‘.“
Worauf Liz May einhakt: „Eigentlich sehr schlimm, dass so argumentiert werden muss.“
Die Fakten
Kurz zusammengefasst die Fakten. Am 2. März beteiligt sich Philippe Herman vom LC Tetingen an einem Eintagesrennen in Oud-Heverlee (B). Er ist mit Familie angereist; das Kleinkind ist krank, weint und quengelt im Zielbereich.
Deshalb gibt Herman, der im Feld übers Ziel fährt, gleich seine Startnummer ab und macht sich sofort auf den Heimweg. Auf eine etwaige Doping-Kontrolle angesprochen wird er nicht.
Was er nicht weiß: Im Zielbereich hängt eine Liste aus mit sechs Startnummern und dazugehörigen Fahrer-Namen, die für eine Doping-Kontrolle gelost wurden. Dies entspricht seit 2012 UCI-Reglementen, seit Mai 2013 auch flämischen Regeln: Der Sportler muss nicht mehr persönlich zur Kontrolle aufgefordert werden, sondern er muss sich selbst nach einem Wettbewerb vergewissern, ob er nicht in eine Kontrolle muss. Eine angebliche Lautsprecherdurchsage der Namen hört Herman nicht.
Erfahrungen
Weiteres Element in der Fakten-Lage: Philippe Hermans Erfahrungsschatz. In 11 Wettkampf-Jahren und rund 150 Rennen musste er noch nie zu einer Dopingkontrolle. Das System mit „Chaperon“ kennt er, es erscheint ihm auch logisch: „Der Sportler bekommt Bescheid gesagt, dass er zur Kontrolle muss.“ Dies ist übrigens die nach wie vor gültige und angewandte Regelung in Luxemburg.
Der Hobbysportler, für den bislang ein dritter Platz bei den Luxemburger Meisterschaften 2010 das höchste aller Gefühle resultatsmäßig war („da stand ich auf dem Podium und war überzeugt, dass ich zu einer Kontrolle müsste; aber sogar da gab es keinen Dopingtest“), verpflichtete sich zwar mit seiner Unterschrift unter seine Lizenz, sich allen Regeln der FSCL und des Weltverbandes UCI zu unterwerfen – und damit auch allen Anti-Doping-Bestimmungen –, aber nach 11 Jahren ohne Kontrolle „denkt man einfach gar nicht mehr daran, dass so etwas möglich ist. Und ich bin ja auch nur ein reiner Amateursportler.“
Seine „Erfahrung“ – die über 100 Rennen – bekommt er sogar von den Richtern vorgehalten: da müsse er doch wissen, was Sache ist. Ausgehend von der Beweislastumkehr im Anti-Doping-Kampf formuliert dies Philippe Herman wie folgt: „Vor der ersten Anhörung war ich noch guten Mutes. Im Endeffekt ist es so: Du gehst schon mit Handschellen hinein, und kommst zusätzlich noch mit Fußfesseln heraus.“
Formfehler
Beim Urteilsspruch, 1 Jahr Sperre, wurden zwar mildernde Umstände angewandt – die Regelsperre wäre 2 Jahre gewesen –, „aber soll ich mich dafür auch noch bedanken? Meiner Meinung nach wurde sich hier einfach hinter Regeln, Artikeln und Paragraphen versteckt.“
In diesem Satz steckt viel Verbitterung … denn da wäre ja auch noch die Sache mit dem Einspruch: „Den habe ich an den CDD adressiert. Hätte ich aber an den CSDD adressieren müssen. Ich wurde auch zu einer Anhörung vor den CSDD gerufen, eingangs der Sitzung wurde dies festgestellt, aber gesagt, das wäre kein Problem. Während der Sitzung fand dann aber jemand heraus, dass dies einen Formfehler darstellen würde … Einspruch abgeschmettert, und sie konnten sich aus der Verantwortung herausziehen.“
„Dat geet un dech“
So, wie sich Philippe Herman eingangs der Prozedur seitens der flämischen Anti-Doping-Agentur „krass“ behandelt fühlte („mir wurde vorgeworfen, ich hätte nicht innerhalb der vorgesehenen Frist schriftlich bei ihnen eine provisorische Anhörung beantragt, was total falsch ist“/dieser Beleg liegt dem „T“ vor), war es auch während der Prozedur in Luxemburg: „’Et war ënner aller Sau.‘ Ich bin ja kein Krimineller. Aber der menschliche Faktor zählte gar nicht.“
Dass da die Moral leidet, ist fast normal: „’Dat geet un dech.‘ Du kannst ja auch nicht mit so vielen Leuten darüber reden, nur Familie und Verein wussten Bescheid. Du hast das Ganze immer im Kopf, während der Arbeit, in den Ferien, privat, … du denkst ständig daran, und das schlaucht. Und du weißt von Anfang an, dass am Ende dieser Prozedur dein Name in die Öffentlichkeit kommt.“
Mit dieser Tatsache muss der junge Mann nun leben. Von seiner Unschuld ist er felsenfest überzeugt. Davon, dass das Urteil in jedem Fall völlig übertrieben ist, auch. Und deshalb wird er nach Ablauf der Sperre am 2. Juni 2015 auch wieder Rennen fahren: „So höre ich nicht auf. Über den Zeitpunkt will ich schon selbst bestimmen.“ Auch wenn der Spaß am Radfahren momentan flöten gegangen ist.
Zu Demaart
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