«Die Maut kommt zu über 100 Prozent» – so oder ähnlich hat es der deutsche Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) immer wieder betont. Die Frage ist nur: Wann? Denn gegen das bereits im Bundestag beschlossene CSU-Wunschprojekt formiert sich Widerstand im rot-grün dominierten Bundesrat. Die Länder können die Pkw-Maut zwar nicht mehr verhindern, wohl aber ausbremsen, indem sie sie in eine Extra-Runde über den Vermittlungsausschuss schicken. Die Entscheidung fällt am Freitag im Bundesrat.
Um was wird noch gestritten?
Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und andere Länder wollen nachträglich noch Ausnahmen durchsetzen. Ihre Befürchtung: Die Maut, die unterm Strich nur ausländische Fahrer zu zahlen haben, könnte sich negativ aufs Geschäft von Einzelhandel und Gastgewerbe in den Grenzregionen auswirken. Sie fordern deshalb die Möglichkeit, einzelne Autobahnabschnitte von der Mautpflicht ausnehmen zu können.
Hier hat Rheinland-Pfalz besonders die zahlungskräftige Kunden aus Luxemburg im Blick (Artikel). Aus der Ablehnung der Straßengebühr machen sowohl Ministerpräsidentin Malu Dreyer als auch der neue Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe keinen Hehl. Sein Vorgänger, Klaus Jensen sagte in diesem Zusammenhang: «Ich werbe seit Jahren für ein Zusammenwachsen der Großregion. Das ist ein absoluter Rückschlag unsere Nachbarn so auszugrenzen. Ich bin erbost über diesen unvernünftigen Akt einer Maut.»
Wie stehen die Chancen für Nachverhandlungen?
Der Weg dafür ist offen, wenn im Bundesrat eine absolute Mehrheit von 35 der insgesamt 69 Stimmen für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zustande kommt. Und der Abstand zwischen den Lagern ist denkbar knapp. Waren am Dienstag noch 37 Stimmen für eine Blockade beisammen, bröckelte die Mehrheit nach dpa-Informationen am Mittwochabend wieder. Hinter den Kulissen dürfte also bis zuletzt taktiert und verhandelt werden. Winkt die Länderkammer die Maut-Gesetze durch, dann ist die Abgabe auf Bundesstraßen und Autobahnen beschlossene Sache.
Was passiert, wenn sich die Länderkammer tatsächlich querstellt?
Dann wird der Vermittlungsausschuss aktiv – überhaupt erst das zweite Mal in dieser Wahlperiode. Er hat die Aufgabe, bei unterschiedlichen Vorstellungen von Bundestag und Bundesrat einen Kompromiss zu finden. Wie lange das dauert, kann sehr unterschiedlich sein. Eine Frist für den Abschluss der Beratungen gibt es nicht. Der Ausschuss hat keine Entscheidungsrechte, sondern unterbreitet einen Einigungsvorschlag. Über Änderungen an der Pkw-Maut müsste dann der Bundestag noch einmal entscheiden. Der Bundesrat kann dagegen Einspruch einlegen, der vom Bundestag wieder überstimmt werden kann.
Was bedeutet das für die Maut?
In erster Linie empfindliche Verzögerungen. Dobrindt will die Pkw-Maut an einem Tag X im Jahr 2016 «scharfstellen», wie er das gerne nennt. Hier gilt: Je früher, desto besser – dann fließt von den Einnahmen, die der Verkehrsinfrastruktur zugutekommen sollen, noch möglichst viel vor der nächsten Bundestagswahl in die Staatskasse. Doch die nächsten Hürden sind schon in Sicht. Die EU-Kommission hat angekündigt, die deutsche Maut genau unter die Lupe zu nehmen, denn das EU-Recht untersagt die Benachteiligung von Ausländern. Einige Nachbarländer wie Österreich drohen schon mit Klagen.
Und die politischen Konsequenzen?
Dobrindts Botschaft an den Koalitionspartner ist klar: «Ich kann die SPD nur warnen, einen frisch ausgehandelten Kompromiss im Bundesrat zu behindern», erklärte er via «Bild»-Zeitung. Denn im Bundestag hatten die Sozialdemokraten der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maut Ende März nach anderen Änderungen zugestimmt. Sperren sich nun die SPD-regierten Länder, könnte das in der Union durchaus als Affront gewertet werden.
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