Seit Monaten verschärft sich die Rivalität zwischen dem Iran und Saudi-Arabien: Teheran und Riad liefern sich in Syrien einen zunehmend gefährlichen Stellvertreterkrieg. Hinzu kommt ein anderer Konflikt, der eine neue Dimension der Angriffslust erkennen ließ: der Jemen-Krieg. Unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise und des unerträglichen Leids in Syrien geriet der Kampf um das bitterarme Land in den Hintergrund. Allerdings offenbarte die fast aufgeschreckte und hysterisch wirkende Offensive Saudi-Arabiens, dass die Wahhabiten-Monarchie sich nicht mehr mit der Finanzierung von Terror zufriedengibt. Die direkte Militärintervention der Öl-Herren wurde Teil der neuen Strategie im Kampf gegen den schiitischen Iran. Auch die jüngst ausgerufene Anti-IS-Militärkoalition der Saudis steht für eine aggressivere, die Defensive verlassende Angriffspolitik Riads. Es stellt sich die Frage, wie diese Angriffslust entstanden ist.
Seitdem sich die USA aufgrund des Fracking-Booms zum größten Energieproduzenten der Welt entwickelt haben, ist Saudi-Arabien auf dem Ölmarkt in eine Abwärtsspirale geraten. Trotz Öl-Dumping konnte Riad weder die USA noch seinen Todfeind Iran, dessen Staatshaushalt bis zu 70 Prozent von Erdöleinnahmen abhängig ist, in die Knie zwingen. Das fatale Resultat: Der niedrige Ölpreis bescherte Saudi-Arabien 2015 ein saftiges Defizit von 90 Milliarden Euro. Demnach befindet sich das Königreich nicht mehr in einem wie oft dargestellt rein ideologischen Kampf gegen die Mullahs. Nein, es ist vielmehr ein kaltblütig kalkulierter Wirtschaftskrieg, der mittels ideologischer Differenzen befeuert wird.
Die Saudis haben diese Herausforderungen verstanden und auf Angriffsmodus geschaltet. König Salman, Nachfolger des saudischen Königs Abdullah, sucht seit dem Thronwechsel die direkte Konfrontation mit dem Iran, um ihn in die Falle zu locken: Man will Teheran zu Fehlern zwingen, die das internationale Atomabkommen mit dem Iran gefährden und zu einer Wiedereinführung der Sanktionen gegen das Mullah-Regime führen könnten.
Ist der Iran also das Opfer saudischer Aggressionspolitik? Weit gefehlt. Teheran fand zwar während der Atomverhandlungen unter dem Duo Rohani-Zarif zu neuem Glanz, allerdings änderte die brillante Diplomatie nichts an der iranischen Angriffslust. Außenminister Javad Zarif brachte lediglich seinen Vorschlag zur Entschärfung des Syrien-Konflikts bei den Vereinten Nationen ins Spiel. Er war und ist aber genauso machtlos wie Präsident Hassan Rohani: Die Hardliner in Teheran rund um Ajatollah Ali Khamenei und die Revolutionsgarden weichen keinen Millimeter von ihrem regionalen Machtkampf ab. Saudi-Arabien steht nach wie vor neben Israel ganz oben auf der Liste der Erzfeinde. Selbst Zarif macht kein Geheimnis daraus: Er verdeutlichte bereits 2014 in einem längeren Beitrag für die amerikanische Diplomatie-Zeitschrift Foreign Affairs, der Iran genieße eine besondere Rolle in der Region und werde sich dementsprechend verhalten.
Überraschend ist die aktuelle Krise zwischen Riad und Teheran demnach nicht. Umso beunruhigender ist sie jedoch angesichts der Gefahr eines militärischen Flächenbrands im Nahen Osten.
dsabharwal@tageblatt.lu
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