Man wundert sich fast eher, wer all diese Videorekorder überhaupt noch gekauft hat. 750 000 Stück gingen bei Funai im vergangenen Jahr vom Band. In Zeiten von Netflix und YouTube eine beachtliche Menge. Das japanische Unternehmen, das zu besseren Zeiten 15 Millionen VHS-Rekorder jährlich produzierte, ist nach eigenen Angaben der letze verbliebene Hersteller weltweit. Doch auch dieses Alleinstellungsmerkmal ist nun Geschichte. Ende Juli stellt Funai die Produktion ein – und eine Ära geht zu Ende.
Denn in den 1980er und 1990er Jahren kam kaum ein Haushalt ohne Videorekorder aus. Mit den japanischen Standards VHS von JVC und Betamax (Sony) sowie dem europäischen Format VCR/Video 2000 von Grundig und Philips kämpften anfangs drei Systeme um die Vorherrschaft. Mit VHS setzte sich ausgerechnet das technisch schwächste System durch und zog millionenfach in die Wohnzimmer ein. Es war eben billiger als die beiden Wettbewerber.
Videotheken
Wer erinnert sich nicht an die großen schwarzen Kassetten, das leidige Vor- und Zurückspulen, leiernde Tapes und den Supergau: Bandsalat. Das Wochenende wurden gerne in Videotheken eingeleitet. Man stattete sich für lange Filmnächte aus, wobei die angesagtesten Hollywood-Streifen meistens vergriffen waren. Cineasten trafen sich hier zum Fachsimpeln. Und natürlich gab es in jedem Laden – oft mit Vorhang abgetrennt – die Schmuddelecke mit den Pornofilmen.
Den Höhepunkt erreichte der Markt für Videorekorder Anfang der 1990er Jahre mit Absatzahlen von deutlich über drei Millionen Geräten im Jahr. Aber dann kamen die silbernen Scheiben. Mitte der 1990er Jahre erschien die erste DVD, 2003 folgte das Blu-ray-System. Und so wie die CD zuvor die gute alte Schallplatte und die Audiokassette ablöste, wurde auch die Videokassette im Jahr 2002 endgültig verdrängt. Bei 64 Millionen verkauften Bildträgern entfielen damals laut Bundesverband audiovisuelle Medien (BVV) 55,4 Prozent auf die DVD. Bereits im Jahr zuvor war die teurere DVD das wichtigste Medium nach Umsatz gewesen. Als letzter größerer Hollywood-Film überhaupt erschien 2006 «A History of Violence» neu auf VHS-Kassette.
Inzwischen haben es aber auch DVD und Blu-ray schwer. Denn das Netz wird immer leistungsfähiger und Streaming und Download-Angebote werden immer beliebter. Nach Angaben des BVV entfielen 2015 mehr als zwei Drittel der Ausgaben im deutschen Videoverleih auf Video-on-Demand, und dabei vor allem auf Streaming-Anbieter wie Maxdome und Netflix, bei denen zu einer monatlichen Pauschale ohne Limit geschaut werden kann. Ganz zu schweigen von illegalen Inhalten aus dem Netz, die eine enorme Grauzone darstellen.
Anschied?
Für Videotheken ist die Entwicklung dramatisch. Panasonic und andere einst führende Marken haben sich längst aus dem Geschäft mit Videokassetten und Geräten verabschiedet. Funai als letzter Hersteller erklärte, er hätte gerne mit der Produktion weitergemacht. Doch nicht nur die Nachfrage ging massiv zurück. Auch war es zunehmend schwieriger, Einzelteile zu bekommen, da immer mehr Zulieferer aus dem Segment ausstiegen waren.
Ist das also der endgültige Abschied vom VHS-Rekorder? Dass die Sehnsucht des Menschen in der digitalen Welt nach analogen Produkten groß ist, zeigt der aktuelle Vinyl-Boom. Stillgelegte Presswerke wurden wieder aktiviert. Und im ersten Halbjahr 2016 verzeichnete die Schallplatte im Vorjahresvergleich ein Umsatzplus von 46,2 Prozent. Und selbst Audiokassetten feiern immer wieder ein kleines Revival.
Dass die VHS-Kassette ein Comeback erlebt, kann allerdings bezweifelt werden. Auf den Retro-Style muss man aber nicht ganz verzichten: Längst gibt es «VHS-Apps» fürs Smartphone, mit denen «Heimvideos» gefilmt werden können, «die Ihnen das Gefühl verleihen, als seien sie in den 80er & 90er Jahren aufgenommen worden.»
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