Dicke Luft in der Stadt der Liebe: Paris streitet erbittert über ein Vorzeigeprojekt von Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Die Sozialistin will eine neue Flaniermeile an der Seine schaffen, 3,3 Kilometer vor malerischer Kulisse im Herzen der Hauptstadt. Ein Traum für Touristen, ein Alptraum für manche Autofahrer. Denn dafür müssen bis zu 43 000 Autos am Tag von der rechten Uferstraße verbannt werden.
Kritiker befürchten, dass mit der Sperrung das Verkehrschaos in der Stadt noch größer wird. Ein «Projekt unsäglicher Dummheit», schimpft Pierre Chasseray vom Verband «40 Millionen Autofahrer». Der Streit um den schmalen Streifen Asphalt ist letztlich ein Konflikt um die Frage, wie die Stadt von morgen aussehen soll.
Dauerstreit
Hidalgo spricht von der «Rückeroberung» des Seine-Ufers. Die Sozialistin und ihre Partner von der französischen Öko-Partei stehen im Dauerzwist mit der Autolobby. Sie sind überzeugt, dass der Verkehr in Paris reduziert werden muss, um der Luftverschmutzung Herr zu werden – 1,5 Millionen Menschen in der Region sind Luftwerten ausgesetzt, die die geltenden Regeln nicht einhalten.
Wie die neue Fußgängerzone am rechten Seine-Ufer im besten Fall aussehen könnte, lässt sich gerade testen: Denn jedes Jahr im Sommer wird der Autoverkehr für die Ferienaktion «Paris Plages» für einige Wochen ausgesperrt. Ein Besuch am vergangenen Wochenende zeigt ein kleines Sommer-Idyll: Salsa-Klänge schallen über die Seine, auf umgebauten Holzpaletten neben einem Bar-Schiff schlürfen Pariser ihren Apéritif. Ein paar Meter weiter spielen Familien Boule, Jugendliche fläzen sich in Strandliegen.
Die konservative Opposition im Stadtrat und die Hauptstadtregion sind skeptisch. Die Bedenken: Die Uferstraße sei wichtig für Menschen, die zwischen dem Zentrum und den Vorstädten pendeln. Anwohner der Straßen oberhalb des Uferkais und in der Umgebung seien die Leidtragenden, wenn der Verkehr dorthin ausweicht. Zudem befürchten Kritiker dort mehr Stau – und damit mehr Luftverschmutzung. Eine Untersuchungskommission sprach sich nach einer Anhörung gegen das Vorhaben aus und kritisierte, die Stadt habe die Folgen nicht ausreichend untersucht – wovon sich Hidalgo nicht beirren ließ.
Luftverschmutzung verringern
«Das Entscheidende ist, den Verkehrsfluss in Paris sicherzustellen und Staus zu vermeiden», sagte Chasseray vom Autofahrerverband dem Magazin «Challenges». «Was macht Anne Hidalgo heute? Sie schafft den Stau!»
Das Rathaus verweist auf die Erfahrung auf der anderen Seite der Seine: Dort wurde schon 2013 ein Straßenabschnitt am Ufer gesperrt. Die Luftverschmutzung sei zurückgegangen, auch der Verkehr habe sich verringert, sagte Hidalgo in einem Interview des Senders France Inter. «Natürlich erkennen sie an, dass die Verschmutzung schlimm ist», mokierte sie sich über die Kritiker. «Aber wenn es dann ums Handeln geht, sagen einige: Wir müssen warten, das ist nicht schlimm, lasst uns später weitersehen.»
Abstimmung am 26. September
Unterstützung bekam sie von einem Aufruf mehrerer Umwelt-Aktivisten, darunter der Filmemacher Yann Arthus-Bertrand («Die Erde von oben»): «Die Idee einer Autobahn mitten im Herzen der Stadt konnte in den 1960er Jahren sinnvoll erscheinen», schrieben sie auf der Webseite der «Huffington Post». «Das war eine Zeit, in der (der Architekt) Le Corbusier vorschlug, das Zentrum plattzumachen, um große Wohntürme zu bauen, und andere anregten, den Kanal Saint-Martin mit Beton zu bedecken (…).»
Am 26. September stimmt der Pariser Stadtrat über die Sperrung ab – eine Mehrheit für Hidalgo gilt als sicher. Der Polizeipräfekt dringt allerdings noch auf eine sechsmonatige Testphase, um die Auswirkungen auf Verkehr und Verschmutzung zu überprüfen. 5,5 Millionen Euro sollen für die Umgestaltung des Geländes investiert werden. Hidalgo sieht sich mit ihrer Politik, Autos weniger Platz zu geben, und stattdessen öffentliche Verkehrsmittel und Fahrräder zu fördern, im Trend: «Alle Städte der Welt gehen in diese Richtung. Und ich möchte nicht, dass Paris hinterherhinkt.»
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