Für Soul-Musiker Stevie Wonder ist die Sache klar. «Es gibt nur einen wahren King des Rock’n’Roll. Sein Name ist Chuck Berry.» So manchen Musik-Fan, etwa von Elvis «The King» Presley, mag Wonder damit vergrault haben. Doch der Einfluss des in St. Louis geborenen Afroamerikaners auf die Welt fetziger Gitarren-Riffs der 1950er, 60er und 70er-Jahre lässt sich kaum bemessen. Wenn Berry am 18. Oktober seinen 90. Geburtstag feiert, dürften ihm so manche Spitzenmusiker aus der Welt von Pop und Rock in Gedanken zuprosten.
Vorbild für viele
Denn es ist gut denkbar, dass es berühmte Bands wie die Beatles, die Rolling Stones, die Beach Boys oder einen Bob Dylan ohne Berry nicht oder nur in ganz anderer Form gegeben hätte. Als einer der größten Songschreiber und besten Gitarristen seiner Zeit hat Berry den Rock’n’Roll und davon inspirierte Musikgenres nachhaltig beeinflusst. Elvis mag die bildhafte Ikone und Sexsymbol des Genres gewesen sein, doch Berry verkörperte dessen Mentalität durch seine Kompositionen.
Charles Edward Anderson Berry, genannt «Chuck», wuchs nach seiner Geburt in St. Louis im Kreis einer großen Familie auf und entwickelte bald ein Gespür für Dichtkunst und Blues. Er nahm jeden Gig mit, den er kriegen konnte, teils für 15 Dollar pro Nacht, und machte sich in der Clubszene der Stadt im Staat Missouri einen Namen. Beeinflusst wurde er von Blues-Größen wie Nat King Cole und seinem Idol Muddy Waters, der Berry in einer zweiminütigen Unterhaltung in Chicago schließlich dazu animierte, auf das «Chess»-Musiklabel zuzugehen.
Dort stellte sich der Erfolg schnell ein, als Berry 1956 den Hit «Roll Over Beethoven» landete. «School Day» und «Rock and Roll Music» (beide 1957) sowie «Sweet Little Sixteen» und sein wohl bekanntester Hit «Johnny B. Goode» (beide 1958) folgten. Teenager und ländlich beeinflusste Hillbilly-Musiker aus dem Süden mochten Berrys Stil, und auch der zu der Zeit eher unbekannte Elvis erkannte das Potenzial und nahm Berrys Hit «Maybellene» mit in seine Show auf. Musikalisch konnte der spätere «King» Berry aber nie das Wasser reichen.
Markenzeichen: «Duckwalk»
Neben groovigen Gitarrenläufen machte Berry vor allem den «Duckwalk» zu seinem Markenzeichen, den berühmten Entenwatschelgang, der einer Anekdote zufolge eher aus der Not heraus entstand: Die Band hatte sich vor einem Konzert nicht mehr umziehen können, und so watschelte der stets stilbewusste Berry in zerknitterter Kleidung auf die Bühne, um von den peinlichen Falten abzulenken.
So hoch der talentierte Showman Berry im Musik-Business aufstieg, hatte er privat dennoch einige Tiefpunkte. Als Teenager hatte er wegen verschiedener Vergehen mehrere Jahre in Jugendhaft verbracht, 1961 wurde er erneut verhaftet und für anderthalb Jahre hinter Gitter gesteckt, weil er ein 14 Jahre altes Mädchen über die Grenze zweier Bundesstaaten gebracht hatte. Der Fund von Drogen und mit Minderjährigen gedrehten Pornofilmen in seinem Haus sowie Steuerhinterziehung brachten ihm erneut Ärger mit der Justiz ein. Zudem soll er Frauen auf der Toilette eines Restaurants gefilmt haben, das er 1989 gekauft hatte.
Den Rückblick auf seine herausragende musikalische Laufbahn dürften diese Episoden nur bedingt trüben. Der Grammy für sein Lebenswerk im Jahr 1985, die Aufnahme in die Rock’n’Roll «Hall of Fame» im selben Jahr und viele weitere Auszeichnungen stellten unmissverständlich fest, dass Berry einer der ganz Großen war und ist. Die Musik der Beatles und der Rolling Stones, die ihre Kompositionen Berrys Stil nachempfanden, ist Teil seiner Hinterlassenschaft.
Vielleicht war es genau aus dem Grund auch der Beatle John Lennon, der die künstlerische Leistung Berrys am besten zusammenfasste: «Wenn man Rock’n’Roll umbenennen wollte, müsste man ihn Chuck Berry nennen.»
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