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Nicht umsonst, aber viel günstiger

Nicht umsonst, aber viel günstiger
(François Besch)

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Eine Menschentraube bildete sich am Donnerstagmorgen vor der Schmuckhandlung List in der Escher Alzettestraße: Nach dem Konkurs im Sommer fand ein so genannter "Freihandverkauf" statt...

«Für mich hat sich das warten gelohnt», erklärt eine junge Innenarchitektin, die sich gerade den Weg nach draußen bahnt. Raus aus dem Juwelierladen, vor dem sie zuvor knapp anderthalb Stunden gestanden hatte, um Einlass zu bekommen. Anderthalb Stunden Wartezeit! Wer hier ein Schnäppchen machen will, so kurz vor Weihnachten, der muss Ausdauer haben.

„Vente de gré à gré“

Geht ein Geschäft in Konkurs, so werden die verbliebenen Wertgegenstände in den meisten Fällen in einer öffentlichen Versteigerung veräußert.

Sind die nötigen Voraussetzungen, wie im Fall der „Bijouterie List“, aber gegeben, so kann die „vente aux enchères“ durch eine „vente de gré à gré“ ersetzt werden, das deutsche Wort hierfür lautet „Freihandverkauf“. Der Erlös aus diesem Verkauf (abzüglich der angefallenen Kosten) wird dann an die Gläubiger verteilt.

«Ich habe einen Brillantring erworben. Und noch einiges anderes» erklärt die Dame, die anonym bleiben möchte. «Der Ring muß zwar noch in der Größe geändert werden, aber gelohnt hat es sich allemal!» Nur jeweils fünf Kunden werden in den Laden gelassen.

Schnäppchenjagd 48 Stunden vor Heiligabend

Kein Wunder. Bei List in der Alzettestraße gibt es an diesem Donnerstag, grade mal 48 Stunden vor Heiligabend, 60% auf alles. Also auf alles, was noch da ist. «Gewiss, man muss Abstriche machen in Sachen Auswahl. Aber es ist immer noch genug vorhanden» erklärt unsere Gesprächspartnerin, bevor sie rasch weitergeht. «Ich muss arbeiten, habe schon viel Zeit verloren heute» lächelt sie verschmitzt.

Die Menschentraube vor dem einstigen Traditionsgeschäft – List war seit 1930 in Esch etabliert – wird derweil nicht kleiner. Im Gegenteil. Immer mehr Menschen trudeln ein. «Was ist denn hier los?» fragt ein älterer Herr mit Pudelmütze. «Gibt’s was umsonst?» «Nein, aber es gibt 60% auf allem!» antwortet ein junger Mann. Der harrt nun auch schon über eine Stunde aus. «Ich such noch was für meine Verlobte. Aber lange kann ich nicht mehr warten…»

Anfang September Konkurs angemeldet

Anfang September meldete die traditionsreiche Escher „Horlogerie Bijouterie List“ Insolvenz an. Am Donnerstag nächster Woche soll nun der noch vorhandene Warenbestand an den Mann bzw. die Frau gebracht werden…

Ein vorläufig letztes Kapitel in Sachen Konkurs List wird an diesem 22. Dezember aufgeschlagen. Zu 95% sind es, so Serge List Tageblatt.lu gegenüber, teils edelsteinbesetzte Schmuckstücke aus Gold oder Silber sein, an Uhren sei nur noch wenig vorhanden.

Auf die Idee des Freihandverkaufs sei man gemeinsam mit dem Konkursverwalter, dem Rechtsanwalt Christian Steinmetz, gekommen, nachdem der Versuch, das Ganze „en bloc“ zu verkaufen, gescheitert war. „Es ist eben eine zu große Quantität“, betont Serge List.

Klarere Verhältnisse

Wieso eigentlich keine Versteigerung, sondern ein Freihandverkauf? „Eine sogenannte ‹vente de gré à gré’“, so erklärt Anwalt Christian Steinmetz, „bietet große Vorteile gegenüber einer Versteigerung.“

Einerseits wisse der Kunde genau, für wie viel er das Objekt, an dem er interessiert ist, bekommen kann, und andererseits stellt diese Verkaufsform auch den Verkäufer vor klarere Verhältnisse. Dass sich gerade vor den Feiertagen eine große Zahl Kaufwilliger, die noch auf der Suche nach einem edlen Geschenk sind, einfinden werden, darauf hofft man nun.

Die letzten Stunden des Traditionsbetriebes

Die „Horlogerie Bijouterie List“ gab es in Esch bereits seit dem Jahr 1930. Damals hatte sich der Uhrmacher Jean-Baptiste List hier niedergelassen und eröffnete sein Geschäft an der place des Remparts.

1960 übernahm dessen Sohn François die Uhren- und Schmuckhandlung, bevor die Geschäftsleitung an Serge List überging. Zu dem Zeitpunkt befand sich der Laden schon in der Alzettestraße.

An diesem Donnerstag nun schlagen definitiv die letzten Stunden des Traditionsbetriebes.