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Frankreich vor der Wahl

Frankreich vor der Wahl
(Reuters)

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Knapp ein Drittel der Wähler unentschieden, Terror-Angst im ganzen Land: In Frankreich ist die Stimmung kurz vor der Wahl mehr als angespannt. Wir geben hier den Überblick zu den wichtigsten Fragen - und blicken in unserer Bilderstrecke auf die Programme der vier Kandidaten Macron, Fillon, Mélenchon und Le Pen.

Elf Kandidaten

Die Wahlen im Tageblatt

Am Sonntag werden wir Sie in unserem Live-Ticker zu allen Entwicklungen in Frankreich auf dem Laufenden halten.

Zur Wahl stehen elf Kandidaten. Nur vier von ihnen werden nach Umfragen realistische Chancen eingeräumt, unter die beiden Bestplatzierten zu kommen und damit in die Stichwahl am 7. Mai einzuziehen: Dem parteilosen Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der Rechtspopulistin Marine Le Pen, dem Konservativen François Fillon und dem Linkspartei-Gründer Jean-Luc Mélenchon (siehe Bilderstrecke oben für Details zu ihren politischen Absichten). Die letzten Wahllokale schließen um 20.00 Uhr, danach werden erste Hochrechnungen erwartet.

Die Sache mit der Nachrichtensperre

Innerhalb Frankreichs gilt bis 20 Uhr eine Nachrichtensperre für Wahlbefragungen oder erste Auszählungen – so lange kann an manchen Orten gewählt werden. Allerdings dürften schon vorher erste Ergebnisse aus Nachbarländern bekannt werden. In französischen Überseegebieten wurde wegen der Zeitverschiebung schon am Samstag gewählt, zudem konnten auch Auslandsfranzosen in Nord-, Mittel- und Südamerika abstimmen.

Ende des Wahlkampfes

Der offizielle Wahlkampf war am Freitagabend zu Ende gegangen. Mehrere Kandidaten hatten wegen der Pariser Terrorattacke letzte Auftritte oder Kundgebungen abgesagt. Ein 39-Jähriger hatte am Donnerstagabend in Paris mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr auf Polizisten geschossen und einen Beamten getötet. Zwei weitere Beamte und eine deutsche Passantin wurden verletzt. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Bluttat für sich.

Beispielloses Sicherheitsaufgebot

Unter einem beispiellosen Sicherheitsaufgebot findet am Sonntag in Frankreich die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt (ab 08.00 Uhr). Rund 50.000 Polizisten und Gendarmen sowie rund 7.000 Soldaten sichern die Wahl ab. Fast 47 Millionen Staatsbürger sind aufgerufen, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin von Staatschef François Hollande zu bestimmen.

Arbeitslosigkeit

Die dramatische Situation am Arbeitsmarkt ist seit Jahren eins der größten Probleme Frankreichs. Die Arbeitslosenquote liegt nach Vergleichszahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat bei 10 Prozent. Vor allem junge Leute haben es schwer, einen Job zu finden – hier liegt die Quote der Arbeitssuchenden bei 23,6 Prozent. Dass der scheidende Präsident François Hollande es nicht schaffte, den Trend umzudrehen, wird ihm schwer angekreidet. Nach immer neuen Höchstständen ging die Zahl der Arbeitslosen 2016 erstmals seit neun Jahren leicht zurück. Aber das ist bislang nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wachstum

Frankreichs Wirtschaft kommt nicht richtig in die Gänge, die Konjunktur hinkte in den vergangenen drei Jahren in der Eurozone hinterher. 2016 lag das Wachstum bei 1,1 Prozent, die Euro-Zone kam dagegen nach OECD-Schätzungen auf 1,7 Prozent. Allerdings zeichnet sich ein Silberstreif am Horizont ab: Für dieses und das kommende Jahr sagen etwa Experten der EU-Kommission voraus, dass der französische Motor etwas an Fahrt aufnimmt und sich dem robusten Tempo der deutschen Wirtschaft annähert. Eine Reihe von Konjunkturindikatoren sind positiv. Und in manchen Wirtschaftsbereichen ist Frankreich richtig stark, etwa in der Luxusindustrie, der Luftfahrtbranche oder dem Tourismus.

Schulden

Frankreichs Schuldenberg türmt sich auf 96 Prozent der Wirtschaftskraft, Tendenz weiter steigend. Mit großen Mühen hat Frankreich in den vergangenen Jahren sein jährliches Haushaltsdefizit zurückgefahren und will 2017 erstmals seit 2007 unter der europäischen Grenze von maximal drei Prozent der Wirtschaftskraft bleiben.

Reformen

Versuche, das Land zu reformieren, stoßen in Frankreich oft auf heftigen Widerstand. Das zeigten etwa die monatelangen Proteste gegen eine gar nicht mal sonderlich weitreichende Arbeitsmarktreform im vergangenen Frühjahr. Unternehmer klagen immer wieder über viel Bürokratie und hohe Abgaben. Allerdings hat sich durchaus etwas getan, unter Präsident Hollande wurden Firmen entlastet und das Arbeitsrecht gelockert. Auch bei der Wettbewerbsfähigkeit bewegt sich etwas, die OECD sieht Fortschritte bei Arbeitskosten und Investitionsklima.

Terror

Die beispiellose Serie islamistischer Anschläge seit Anfang 2015 hat Frankreich tief erschüttert, 238 Menschen wurden ermordet. Im Land gilt der Ausnahmezustand; an Bahnhöfen, Flughäfen, Touristenattraktionen und anderen gefährdeten Orten patrouillieren Soldaten. Befugnisse und Mittel der Sicherheitskräfte wurden gestärkt. Die Sicherheitspolitik bleibt eine große Herausforderung, rund 2.300 Menschen aus Frankreich sollen in dschihadistischen Netzwerken aktiv oder aktiv gewesen sein oder es versucht haben – so viele wie in keinem anderen EU-Land.

Identität

Einwanderung und Integration, der Platz der Religion (und vor allem des Islam) in der Gesellschaft und die Werte der Republik sind in Frankreich seit Jahren ein Reizthema. Das zeigte etwa die bizarre, aufgeheizte Debatte um lokale Verbote von «Burkinis» (Ganzkörper-Schwimmanzüge für Musliminnen) im vergangenen Sommer an der Côte d’Azur. Dahinter stecken echte Probleme: Die soziale Abkopplung mancher Vorstädte, die überwiegend von Einwanderern aus Nordafrika bewohnt werden, Probleme mit Radikalisierung und eine tiefe Verunsicherung des französischen Selbstverständnisses angesichts der Globalisierung.

Rechtsruck

Seit Marine Le Pen 2011 die Führung der Rechtsaußen-Partei Front National von ihrem Vater Jean-Marie übernommen hat, eilt sie von einem Wahlerfolg zum nächsten. Bei den Regionalwahlen Ende 2015 stimmten 27 Prozent der Wähler für FN-Kandidaten: 6,8 Millionen Franzosen, Rekord. Dabei setzt Marine Le Pen auf eine Strategie der «Entteufelung», um der Partei ein bürgerlicheres Image zu verschaffen – ohne jedoch ihre Kernpositionen gegen EU und Einwanderung aufzugeben. Das französische Mehrheitswahlrecht hat die Partei bislang gehindert, auf nationaler Ebene Machtpositionen zu erobern.