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KonzertanalyseParkplatztherapie: Robbie Williams in der Luxexpo Open Air

Konzertanalyse / Parkplatztherapie: Robbie Williams in der Luxexpo Open Air
Konzerttherapie mit Tänzerinnen und Bläsern: Robbie Williams auf dem Kirchberg Foto: Editpress/Tania Feller

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Die Nostalgiewelle ebbt nicht ab: Nach den Ärzten und den Toten Hosen in der Rockhal und vor dem Kraftwerk-Konzert im Neimënster bringt „Den Atelier“ kurz vor den Sommerferien zwei Konzerte des legendären Robbie Williams auf das Luxexpo-Open-Air-Gelände. Dort feierte der Popstar 33 Jahre Bühnenerfahrung und 25 Jahre Solokarriere mit einem an Musik erstaunlich armen Konzert. Eine Analyse in sieben Fragmenten.

1. Vorfreude und Kritik. Selten wurde ein Konzert so ausgiebig im Vorfeld debattiert wie das von Robbie Williams. Schuld daran waren vor allem die hohen Kartenpreise (ein normaler Einlass kostete 144 Euro, wer im Golden Circle darauf warten wollte, dass Robbie ihn persönlich anpöbelt oder anmacht, blätterte zusätzliche 44 Euro hin). Während der vor kurzem vom Großherzog zum Ritter geschlagene Serge Tonnar das Robbie-Williams-Konzert als Gelegenheit sah, erneut die mangelnde Anerkennung und Wertschätzung von Luxemburgs eigenen Musikern seitens Konzertveranstaltern und Publikum zu kritisieren, regten sich andere darüber auf, dass das Zusatzkonzert auf den Montag gelegt wurde, sprich Menschen, die erst später Karten kauften, Robbie bereits früher sehen durften als die ungeduldigen Fans, die sich ihren Eintritt für die ausverkaufte Show am Dienstag sicherten. Noch andere spekulierten grundlos, das Dienstagskonzert würde sicherlich abgesagt werden. Trotzdem war die Vorfreude so groß, dass einige Fans vor der Venue zelteten. Aber auch weniger fanatische Menschen traf man bereits kurz vor 17 Uhr in der Tram an: Eine Frau meinte zu ihrer Bekannten, sie habe ihre Praxis früher geschlossen, um (sehr) rechtzeitig bei Robbie zu sein, ihre Bekannte entgegnete, der Menschenauflauf würde sie seit der Pandemie eigentlich abschrecken, für Robbie würde sie dies aber hinnehmen. Irgendwie hatte man den Eindruck, das Konzert würde hauptsächlich von Menschen besucht, die nur selten auf Konzerte gehen und diesen eigentlich nicht so viel abgewinnen können. Gut also, dass Robbie nicht wirklich Bock auf Musik hatte.

2. Therapie: Er macht sie, wir zahlen. Es mutet demnach fast schon ironisch an, dass gerade in einem Land, in dem die Kostenübernehmung einer Psychotherapie erst am 1. Februar 2023 und nach jahrelangen Debatten in Kraft trat, Robbie recht früh auf der Bühne verkündet, dass diese Tour für ihn eigentlich eine Art Therapie sei – und er zwischen den Songs ein Selbstnarrativ zwischen Pathos und Selbsttherapie liefert, für das nicht etwa er, sondern das Publikum zahlen durfte. Bedenkt man, wie viel jeder der etwa 30.000 Menschen, die Montag und Dienstag auf der Luxexpo erwartet wurden, für ein Robbie-Konzert ausgab, ist dieser kollektive Beitrag zu Robbies groß angelegter Psychotherapie mehr als großzügig.

3. Lange Rede, kurze Songs. Das Resultat dieser Therapeutisierung des Konzerts war, dass Robbie Williams sehr viel redete – und eigentlich nur wenig Musik spielte. Rechnet man die sechs Coverversionen ab, gab Robbie Williams exakt zwölf Songs aus seiner Diskografie zum Besten. Für jemanden, der zwölf Studioalben veröffentlichte, ist dies relativ enttäuschend (zugegebenermaßen gehören Coverversionen wie „She’s the One“ sowie der Take-That-Song „The Flood“ definitiv zu seinem Repertoire). Verschiedene Songs spielte er zum Teil nur an, um sie in seinen autobiografischen Diskurs einzugliedern: Der Take-That-Song „Do What U Like“ wurde auf Band abgespielt und der Clip auf die Leinwand projiziert, damit Robbie sich über die katastrophale Ästhetik und die semantischen Fehlgriffe der 90er-Videoclips lustig machen konnte; „Could It Be Magic“ von Barry Manilow brach er nach einer knappen Minute ab. Dies trug dazu bei, dass von den 110 Minuten Show nur ungefähr 70 seinen eigentlichen Songs gewidmet wurden.

Glam-Outfit: Robbie Williams’ Konzert ist Zeitreise und Selbsttherapie zugleich – die Songs bleiben dabei etwas auf der Strecke
Glam-Outfit: Robbie Williams’ Konzert ist Zeitreise und Selbsttherapie zugleich – die Songs bleiben dabei etwas auf der Strecke Foto: Editpress/Tania Feller

4. Selbstnarrativ zwischen Pathos, Selbstmitleid und Feindbildern. Aber um was genau geht es während Robbies unendlich langen Reden? Um Reue. Um Hedonismus. Um die bösen Menschen von Take That, von denen er dachte, sie wären seine Freunde und die ihn letztlich dann doch nicht mochten. Um seine zwanzigjährige Depression. Darum, dass er sich immer weigerte, zu heiraten und Kinder zu bekommen – und nun seit 17 Jahren verheiratet ist und vier Kids hat. Und immer und immer wieder darum, dass seine Frau ihm das Leben gerettet hat. Und dass er seit über 20 Jahren nicht mehr trinkt und auch mit den Drogen aufgehört hat. Ein Robbie-Williams-Konzert anno 2023 ist das musikalische Äquivalent von Kindervornamen-Tätowierungen auf dem Oberarm. Auch die Faninteraktion fällt ein wenig peinlich aus, was aber auch an den Reaktionen des Publikums liegt, das quasi wie ein dressiertes Zirkuspferd mit Yeah-Rufen (Robbie erwähnt seine Skandale) und Buh-Lauten (Robbie erwähnt die Drogen) auf die Reden des Popsängers reagiert (Notiere: das Alkoholvorreiterland Luxemburg mag also Skandale, aber keine Drogen – zumindest hat dies das zahme kollektive Über-Ich während des Konzerts so ausgedrückt, ohne zu merken, auf wie vielen Ebenen dies widersprüchlich ist). In einem Zeitalter, in dem wir immer mehr erfahren, was die dunklen Konsequenzen von Personenkult und der distanzlosen und bedingungslosen Anhimmelei von Pop- und Rockstars sind, ist eine solche blinde Unterwürfigkeit irgendwie beängstigend. Trotzdem: Am lustigsten fielen, neben der manchmal etwas aufgesetzt wirkenden Selbstironie und den nicht sehr präzise recherchierten Anspielungen auf Luxemburg („so you all speak two languages, French and German“, erklärt uns der Brite), die Seitenhiebe gegen die Venue. Dass Robbie Williams nach 33 Jahren – „31 davon bin ich in eurem Leben präsent“ – nicht etwa in einem schön angelegten Park, einem Stadion oder einem schicken Theater, sondern auf einem Parkplatz spielt, scheint ihn irgendwie zu amüsieren. Nichtsdestotrotz: Vor Ort verlief am Montag alles Organisatorische reibungslos.

5. Robbie und der Britpop. Apropos Feindbild und Zankereien: In den 90ern war das in der britischen Musik nicht nur gang und gäbe, sondern quasi unumgänglich, galt es doch einerseits, mit den Britpop-Größen und deren Streitereien mitzuhalten und andererseits, im Land einer von Sensationsblättchen wie The Sun geprägten (Musik-)Presse in den Seiten der Tabloids und somit in den Köpfen der Menschen zu bleiben. Neben den Streithähnen Noel und Liam Gallagher und der Fehde zwischen Blur und Oasis gab es somit auch die Hassliebe zwischen Robbie und Take That, die dieser während des Konzerts pseudo-mitleidsheischend inszenierte. Auch musikalisch merkt man Robbie seine Begeisterung für den Britpop an: Der Konzert-Opener „Hey Wow Yeah Yeah“ verweist textlich deutlich auf Blurs „Girls and Boys“. Ein wenig später erzählt Williams, wie er mit einer Kiste Sekt und einer Ladung Koks auf Großbritanniens größtes Festival fuhr, um Oasis zu sehen – und covert dann deren „Don’t Look Back in Anger“. Ironischerweise singt das Publikum, zumindest was die erste Konzerthälfte anbelangt, ausgerechnet da am lautstärksten mit.

6. Die Setlist. Weil es Robbie mehr darum geht, sein Leben zu erzählen und die Setlist zu einem Drittel aus Coversongs (von denen zwei nur geteast werden) besteht, fällt das Konzert ein bisschen zu sehr wie ein abgespecktes Best-Of aus: Klar gibt es mit „Let Me Entertain You“, „Feel“, „Rock DJ“ und „Angels“ einige der Robbie-Klassiker, die wohl jeder Mensch, der irgendwann vor 1990 geboren ist, mehr oder weniger freiwillig ein paar tausend Mal gehört hat, trotzdem fehlten nicht nur eine ganze Menge Klassiker, sondern gingen gar einige seiner Alben („Intensive Care“, „Rudebox“, „Reality Killed the Video Star“) gänzlich leer aus.

7. Alternde Stars und die Weggabelung. Im Spielfilm „Rimini“ (der 2022 im Wettbewerb auf der Berlinale lief, in den hiesigen Kinos erst angekündigt war, dann aber auf ein ominöses „später“ verlegt wurde) inszeniert Ulrich Seidl einen alternden Schlagerstar, der auf Rimini in verwahrlosten Hotels seine alten Hits singt und für Geld mit seinen ebenfalls in die Jahre gekommenen Fans Sex hat. In diesem Worst-Case-Szenario spiegeln sich die verschiedenen Weggabelungen eines alternden Popstars, dessen Lebensentscheidungen meist relativ beschränkt sind: Entweder steht er zur hedonistischen Lebensweise, dank deren er bekannt wurde und riskiert, irgendwann zum peinlichen Senior-Junkie zu werden oder wegen eines Sexskandals in den Schlagzeilen wiederaufzuerstehen, oder er schreibt, wie Robbie, sein Lebensnarrativ um, zeigt Reue, bedauert seine Exzesse und erfindet sich neu (und riskiert, bedeutungslos zu werden und paradoxerweise seinen Lebensunterhalt mit genau den im Drogen- und Alkoholrausch entstandenen Songs, deren Schaffensbedingungen er nun ablehnt, zu verdienen). Klingt irgendwie trostlos? Ist es auch.

Vivila
12. Juli 2023 - 19.15

War ich auf einem anderen Konzert? Ja er hat viel geredet aber es ging bei dieser Tour um 25 Jahre RW. Seine Geschichte , ups and downs. Die Geschichte darf da ruhig erzählt werden. Kaum ein Künstler interagiert so mit seinem Publikum. Ok Witze wiederholen sich, na und. Andere Bands spielen auch das immer gleiche Programm ab. Ich hatte 'the time ofy life' , hab jede Sekunde genossen und den Kommentaren auf Social media nach war ich nicht die Einzige....

pipilala
12. Juli 2023 - 14.28

Tut mir leid aber für mich ist das nicht wirklich Qualitätsjournalismus.
Man muss Robbie schon über all die Jahre beobachten und mitleben um all diese Retro-passagen richtig zu interpretieren. Wenn man es nicht tut, entsteht solch ein Artikel.
Schade drum, denn er wird dem Artisten, seiner Karriere, seinen Ups and Downs nicht gerecht und vor allem nicht der Atmosphäre und Begeisterung seiner Fans während beiden Konzerten. Sicher es hätten mehr Songs sein können, aber es ist ein narratives Konzert über seine ganze Karriere, über seine Person. Eine Person, die extrem introvertiert ist, dessen Selbstwertgefühl durch das Schulsystem zunichte gemacht wurde und dessen Ruhm zu Isolation und fast Selbstvernichtung geführt hat. So wie es im Artikel dargestellt wird, empfinde ich es als Frechheit wenn man weiß was jemand emotional durchmacht wenn man so weit unten angelangt ist.
Auf jeden Fall habe ich beide Abende voll genossen und Konzerte wie diese, mit solch einem Entertainer sind einfach nur selten. Gottseidank spricht er kein Deutsch, denn ich weiß dass er nach jedem Konzert Artikel liest um ein journalistisches Feedback zu erhaschen und solche Artikel, die mit einer gewissen Unlust geschrieben wurden, haben ihm noch immer zugesetzt. Wenn ich nicht ein ‘Quäntchen’ Begeisterung für den Artisten aufbringen kann, bin ich im Voraus schon negativ eingestellt und der Artikel endet einfach nur mit einem Hagel von Kritik.

IrmaLuise
11. Juli 2023 - 22.14

Also den Parkplatzwitz fand ich echt gut, vielleicht hat er ihn am zweiten Tag nochmal gebracht. Im Nachhinein stimmt es aber tatsächlich, dass die Musik ein wenig zu kurz kam. Und trotzdem war es gute Unterhaltung.