Der UN-Menschenrechtsrat
Der UN-Menschenrechtsrat ist ein Nebenorgan der UN-Generalversammlung. Er fördert den weltweiten Schutz der Menschenrechte und gibt Empfehlungen zum Umgang mit Menschenrechtsverletzungen ab. Der Menschenrechtsrat hat 47 Mitglieder, die von der Generalversammlung für drei Jahre gewählt werden: 13 Sitze für afrikanische Staaten, 13 für asiatische und pazifische, acht für lateinamerikanische und karibische, sechs für osteuropäische und sieben für westeuropäische und andere Staaten. Die UN-Delegation unter Leitung des Juristen Robert McCorquodale war vom 1. bis 9. Dezember 2022 erstmalig in Luxemburg und hat in der Zeit Gespräche mit Ministerien, Unternehmen und Organisationen der Zivilgesellschaft geführt. Der daraus resultierende Bericht wurde am 27. Juni dem UN-Menschenrechtsrat präsentiert.
Menschenrechte sind längst nicht mehr nur am internationalen Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember, ein Thema. Ihre Achtung gehört quasi zum guten Ton und Image von Demokratien, die etwas auf sich halten. Für Luxemburg gewinnt es an besonderer Bedeutung, seit das Land einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat in Genf innehat. Im Januar 2022 wurde es in das Gremium aufgenommen.
Zunächst heben die UN-Experten anerkennend die Praktiken im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern vor allem beim Gehalt, der Entwicklungshilfe und der gemeinsamen Initiative des Justizministeriums und der luxemburgischen Anwaltskammer zur Ausarbeitung von Rechtsvorschriften für einen besseren Zugang zur Prozesskostenhilfe hervor.
Verabschiedet ist das Projet de loi Nr. 7959 vom 27. Januar 2022 aber noch nicht. Es bummelt immer noch in der zuständigen Kommission herum, wie aus der Chamberseite hervorgeht. Das sind die guten Nachrichten. Die weniger schmeichelhafte ist die deutliche Kritik am Verhalten der Regierung, die Finanzindustrie inklusive der Fondsindustrie aus jeglichen Bestrebungen, sei es auf europäischer, sei es auf nationaler Ebene, zur Sorgfaltspflicht für Unternehmen, was die Menschenrechte angeht, herauszuhalten.
„Briefkastenfirmen“
Es ist die heilige Kuh, die niemand anfassen will. Zahlen belegen den Stellenwert des Wirtschaftszweiges im Land. Mit einem Anteil von 25 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ist der Sektor ein maßgeblicher Taktgeber, was den Wohlstand im Land angeht. Andererseits sitzt hier das Geld, das die Welt nachhaltiger und gerechter machen könnte. Im Dezember 2022 waren 158.023 Unternehmen in Luxemburg registriert, von denen viele mit Finanzdienstleistungen verbunden sind.
Das geht aus dem UN-Bericht unter Berufung auf luxemburgische Handelsregister hervor. Explizit weisen die Autoren darauf hin, dass sich darunter Portfolio- und Investmentgesellschaften befinden, die gemeinhin als „Briefkastenfirmen“ bekannt sind. Als Indiz gilt in dem Bericht die Tatsache, dass trotz der hohen Zahl von im Land registrierten Unternehmen mit 23,7 Prozent (Stand 2019) lediglich ein knappes Viertel dieser Unternehmen mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt. Wohl auch deshalb tut man sich hierzulande so schwer, dem Bereich Verantwortung aufzuerlegen, was die Achtung der Menschenrechte angeht.
„Luxemburg ist sich bewusst, dass es Raum für Verbesserungen gibt“, schreibt UN-Delegationsmitglied Robert McCorquodale auf Nachfrage des Tageblatt. Der Professor für internationales Recht und führende internationale Experte im Bereich „Business und Menschenrechte“ fordert in seiner Antwort das Land dazu auf, Finanzsektor, Fondsindustrie und übrigens auch den Pensionsfonds „in jegliche Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte“ einzubeziehen.
Rüffel für Lobbyisten
Nationale Alleingänge aber hat die aktuelle Regierung mit Verweis auf eine europäische Lösung stets abgelehnt, was an den UN-Delegierten ebenfalls nicht vorbeigegangen ist. „Die UN-Arbeitsgruppe hofft, dass Luxemburg diese Defizite behebt, damit es in Fragen der Wirtschaft und der Menschenrechte, z.B. im Bereich des nachhaltigen Finanzwesens, eine Führungsrolle übernehmen kann“, schreibt UN-Experte McCorquodale in seiner Antwort im Hinblick auf den aktuellen Sitz im UN-Menschenrechtsrat.
Vor dem Hintergrund erklärt sich der ungewöhnlich klar formulierte Rüffel Richtung Lobbyisten in dem Bericht, den sich die Diplomaten nicht haben nehmen lassen. Ein weiterer Kritikpunkt ist der fehlende Zugang zu Rechtsmitteln für Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Das betrifft vor allem diejenigen, die außerhalb der EU von in Luxemburg ansässigen Unternehmen begangen wurden. Diese Rechtsmittel fehlen auf beiden Seiten, wie die absurde Reaktion auf das Verschwinden von zwei Menschenrechtsaktivisten in Mexiko zeigt.
Ein in Luxemburg ansässiges Unternehmen wird damit in Zusammenhang gebracht und Wirtschafts- wie Außenministerium haben kein anderes Mittel, als Briefe zu schreiben. Ein anderer Kritikpunkt ist die Sicherstellung einer effektiven und sinnvollen Einbeziehung der Zivilgesellschaft in Regierungsentscheidungen zu Unternehmen und Menschenrechten in einer klaren und transparenten Weise.
Das war zuletzt in der vom Außenministerium eingesetzten Arbeitsgruppe „Business und Menschenrechte“ nicht mehr gegeben. Deshalb haben sich zuletzt 17 NGOs, also die Zivilgesellschaft, entnervt zurückgezogen. Es gibt also Nachholbedarf und die einmalige Chance, eine Führungsrolle zu übernehmen.
Robert McCorquodale
Professor Robert McCorquodale ist Direktor des „British Institute of International and Comparative Law“ in London. Er ist außerdem Professor für internationales Recht und Menschenrechte und ehemaliger Leiter der School of Law an der Universität Nottingham. Seine Forschungs- und Lehrinteressen liegen in den Bereichen Völkerrecht und Menschenrechte, einschließlich der Rolle nicht staatlicher Akteure, sowie Wirtschaft und Menschenrechte. Er hat zahlreiche Publikationen zu diesen Bereichen veröffentlicht und Regierungen, Unternehmen, internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und Völker in Fragen des Völkerrechts und der Menschenrechte beraten und geschult. Außerdem ist er Mitverfasser des Berichts „Human Rights Due Diligence in Law and Practice“.
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