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LuxemburgWie in den Gemeinden gewählt wird – und wie anschließend die Ratsposten verteilt werden

Luxemburg / Wie in den Gemeinden gewählt wird – und wie anschließend die Ratsposten verteilt werden
Wer in den Gemeinderat einzieht, entscheiden die Wähler in den Wahlkabinen Foto: Editpress/Isabella Finzi

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Die Luxemburger Gemeindewahlen stehen vor der Tür. Majorz, Proporz, Sitzvergabe – damit Sie bei den unausweichlichen Diskussionen im Hinblick auf den Wahltag im Juni den Durchblick behalten, hat das Tageblatt die wichtigsten Begrifflichkeiten und den Modus der Sitzvergabe in den Gemeinden erklärt.

Wer kann alles für die Gemeindewahlen kandidieren?

Jeder Einwohner Luxemburgs, der im Vollbesitz seiner bürgerlichen Rechte ist, das passive Wahlrecht nicht verloren hat und am Wahltag volljährig ist, darf sich als Kandidat für die Gemeindewahlen aufstellen. Auch ausländische Mitbürger dürfen unter einer zusätzlichen Voraussetzung für die Gemeindewahlen kandidieren: Sie müssen zum Zeitpunkt der Abgabe der Kandidatur mindestens seit fünf Jahren in Luxemburg wohnen. Sollten sie ihr passives Wahlrecht im Heimatland allein durch den Umzug nach Luxemburg verloren haben, gilt diese Einschränkung nicht.


Familiäre Bande im Gemeinderat

Die Mitglieder eines Gemeinderates dürfen untereinander bis zum zweiten Grad weder verwandt noch verschwägert sein. Auch dürfen sie nicht in einer ehelichen Gemeinschaft leben. Sollten zwei Familienmitglieder in den Gemeinderat gewählt werden, erhält die Person den Vorzug, die die meisten Stimmen erhalten hat. Bei Parität der Stimmen entscheidet das Los über den Einzug in den Gemeinderat.

Das hat bei den Gemeindewahlen in Schifflingen 2017 zu einer doch sehr abstrusen Situation geführt. Die Brüder Carlo Feiereisen (LSAP) und Pierrot Feiereisen (CSV) waren nach Abgabe der Stimmen die Meistgewählten ihrer Partei. Sowohl die LSAP als auch die CSV konnten sechs Mandate eringen, die LSAP konnte einen hauchdünnen Vorsprung von 1,23 Prozentpunkte gegenüber der CSV sichern. Die CSV aber konnte die Grünen davon überzeugen, zusammen eine Koalition auf Gemeinde-Ebene zu bilden, sodass die LSAP leer ausging. Pierrot Feiereisen hätte als Erstgewähltem der CSV-Liste das Bürgeremeisteramt zugestanden – hätte nicht sein Bruder Carlo Feiereisen mit insgesamt 2.870 Stimmen 169 Kreuze mehr hinter seinem Namen gesammelt. Der Bürgermeisterposten ging somit an den Zweitgewählten der CSV, Paul Weimerskirch (2.052 Stimmen). Carlo Feiereisen sitzt im Gemeinderat von Schifflingen in der Opposition und Pierrot Feiereisen musste sein Mandat aufgrund der Bestimmungen im Wahlgesetz aufgeben.


Majorzsystem

Alle Gemeinden, die weniger als 3.000 Einwohner haben, wählen nach dem Majorzsystem – das bedeutet im Wesentlichen, dass Parteien keine Listen aufstellen und Kandidaten sich individuell zur Wahl stellen können. Mandatsträger in den Majorzgemeinden haben auch des Öfteren keine Parteikarte. 46 Gemeinden wählen 2023 nach dem Majorzsystem ihre lokalen Gemeinderäte – 2017 waren es noch 56.

Beispiel eines Wahlzettels in einer Majorzgemeinde, so wie er im Luxemburger Wahlgesetz abgedruckt ist
Beispiel eines Wahlzettels in einer Majorzgemeinde, so wie er im Luxemburger Wahlgesetz abgedruckt ist Screenshot: Legilux.lu

Proporzsystem

Gemeinden mit mehr als 3.000 Einwohnern wählen in Luxemburg laut Wahlgesetz im Proporzsystem. Seit der vergangenen Gemeindewahl im Jahr 2017 sind zehn Gemeinden vom Majorz- ins Proporzsystem gewechselt: Helperknapp, Rosport-Mompach, Schengen, Esch/Sauer, Bettendorf, Befort, Redingen/Attert, Lintgen und Wormeldingen und Habscht. 56 Gemeinden wählen 2023 nach dem Proporzsystem – das sind erstmals in der Geschichte des Landes mehr als 50 Prozent der Luxemburger Kommunen. Die von den Parteien vorgelegten Listen müssen eine Mehrheit an Luxemburger Staatsbürgern aufweisen. Zudem ist die Kandidatur bei den Gemeindewahlen auf eine Liste in der Gemeinde beschränkt. Einmal auf einer Liste eingeschrieben, kann man seine Kandidatur nicht mehr ohne Weiteres zurückziehen. Seine Absicht, sich von einer Liste zurückzuziehen, muss der Kandidat dem Präsidenten des Hauptwahlbüros per Gerichtsvollzieher mitteilen.

Jeder Wähler besitzt so viele Stimmen, wie es verfügbare Gemeinderatsplätze gibt. Der Wähler kann dabei eine Stimme an jeden Kandidaten auf einer Liste verteilen, indem er ein Kreuz im Kästchen über der entsprechenden Liste macht. Zudem gibt es noch die Möglichkeit des sogenannten Panaschieren. In dem Fall kann der Wähler bis zu zwei Stimmen an einzelne Kandidaten verteilen – unter Vorbehalt, dass die Maximalanzahl der zu vergebenen Stimmen nicht überschritten wird.

Beispiel eines Wahlzettels in einer Proporzgemeinde, so wie er im Luxemburger Wahlgesetz abgedruckt ist
Beispiel eines Wahlzettels in einer Proporzgemeinde, so wie er im Luxemburger Wahlgesetz abgedruckt ist Screenshot: Legilux.lu

Mandatsvergabe

Die Mandatsvergabe wird im Majorzsystem relativ einfach gehandhabt: Die Mandate werden an die meistgewählten Kandidaten verteilt. Sollten mehrere Kandidaten die gleiche Anzahl an Stimmen auf sich vereinen, entscheidet das Los über den Einzug in den Gemeinderat.

Im Proporzsystem gestaltet sich die Mandatsvergabe schon etwas komplizierter. Die Zahl der gültigen Stimmen wird durch die um eins erhöhte Anzahl an zu vergebenden Ratsmitgliederposten geteilt. Diese Zahl wird aufgerundet und stellt den „Wahlquotienten“ für die jeweilige Gemeinde dar. Jede Liste erhält bei der Verteilung so viele Gemeinderatssitze, wie der Wahlquotient in der Zahl der auf sie entfallenen Stimmen enthalten ist. Wenn durch dieses Verteilungsprinzip nicht alle Gemeinderatsposten besetzt werden, muss das Wahlbüro eine weitere Rechnung vornehmen. Die Anzahl an Stimmen für jede Liste wird durch die Zahl der Sitze, die sie durch die vorherige Sitzverteilung bereits erhalten hat, plus eins, geteilt. Die Liste mit dem höchsten erzielten Quotienten erhält den noch zu verteilenden Sitz. Bei mehreren freien Gemeinderatssitzen wird das Prozedere noch einmal wiederholt. Bei Gleichheit des errechneten Quotienten wird der verfügbare Sitz der Liste mit der höchsten Stimmenanzahl zugeteilt.

Beispiel anhand des Wahlresultates in Frisingen 2017

Nach den Gemeindewahlen in Frisingen im Jahr 2017 konnte die Bürgerliste „Är Equipe“ fünf Sitze, die CSV drei, die LSAP zwei und die DP einen Sitz ergattern. Doch wie kam es zu dieser Sitzverteilung? Insgesamt wurden am Wahltag 21.853 gültige Stimmen in der Gemeinde Frisingen abgegeben. Elf Gemeinderatsposten wurden am Wahltag neu verteilt. Der Wahlquotient für die Gemeinde Frisingen ergibt sich also aus der Rechnung: 21.853 geteilt durch 12 (elf Ratsmitglieder plus eins). Das ergibt aufgerundet 1.822.

Die Stimmen wurden folgendermaßen auf die jeweiligen Listen verteilt:

  •  „Är Equipe“: 9.872 Stimmen
  • CSV: 5.791 Stimmen
  • LSAP: 3.512 Stimmen
  • DP: 2.678 Stimmen

Geteilt durch den Wahlquotienten erhält „ „Är Equipe“fünf Sitze, die CSV erhält drei Sitze, die LSAP und die DP erhalten jeweils einen Sitz. Somit sind zehn der elf zu vergebenen Sitze verteilt. Anschließend erfolgt nach dem im Wahlgesetz festgeschriebenen Prozedere eine zweite Rechnung, in der die Gesamtanzahl der Stimmen pro Liste durch die bereits vergebenen Ratssitze plus eins geteilt werden.

Daraus ergibt sich dann folgendes Resultat:

  • „Är Equipe“: 9.872 / 6 = 1.645.33
  • CSV: 5.791 / 4 = 1.447.75
  • LSAP: 3.512 / 2 = 1.756
  • DP: 2.678 / 2 = 1.339

Die LSAP weist nach der Rechnung den höchsten Quotienten der vier Listen auf. Somit wurde der letzte noch verfügbare Gemeinderatssitz an die LSAP vergeben.