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Nach drei JahrenParlament läutet formelles Ende der Pandemie ein: „Virus lässt sich nicht per Gesetz abschaffen“

Nach drei Jahren / Parlament läutet formelles Ende der Pandemie ein: „Virus lässt sich nicht per Gesetz abschaffen“
Ein gewohntes Bild während der Pandemie: Berichterstatter Mars Di Bartolomeo bei der Vorstellung eines der rund 30 Covid-Gesetze Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Fast auf den Tag drei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie werden im Luxemburger Parlament die letzten verpflichtenden Covid-Maßnahmen abgeschafft. Mars Di Bartolomeo, Berichterstatter der Corona-Gesetzgebung in der Chamber, meint: „So eine Krise hatten wir noch nie.“

„Die Regierung hat heute das großherzogliche Reglement angenommen und damit Artikel 32.4 der Verfassung geltend gemacht, um den Notstand in Luxemburg zu verhängen.“ Die Worte, mit denen Premierminister Xavier Bettel am 18. März 2020 eine Pressekonferenz inmitten steigender Corona-Infektionszahlen einleitete, gehen wohl in die Luxemburger Geschichte ein. Es war der Beginn einer Krise, deren Ausmaße zu dem Zeitpunkt sich wohl nur die wenigsten vorstellen konnten. Drei Jahre danach ist das Coronavirus auch weiterhin präsent – die Gefahr eines in sich zusammenstürzenden Gesundheitssystems aber ist gebannt. Deswegen dürfte die Chamber am Donnerstag auch die restlichen verpflichtenden Corona-Maßnahmen aufheben. Der Vorsitzende der Gesundheitskommission und Berichterstatter der Covid-Gesetzgebung im Luxemburger Parlament Mars Di Bartolomeo (LSAP) ist erleichtert, endlich einen provisorischen Schlussstrich unter diese Periode ziehen zu können. „So eine Krise hatten wir noch nie“, ist sich der langjährige LSAP-Politiker sicher. Und doch weiß auch er: „Das Virus lässt sich nicht per Gesetz abschaffen, die gängigen Hygieneregeln können auch weiterhin befolgt werden.“

Xavier Bettel bei der Verkündung des Notstandes am 18. März 2020
Xavier Bettel bei der Verkündung des Notstandes am 18. März 2020 Foto: Screenshot

Fast auf den Tag genau drei Jahre ist es her, dass das Luxemburger Parlament einer Verlängerung des Notstandes für drei Monate zustimmte, erinnert sich Di Bartolomeo zurück an die Anfangszeit der Pandemie. „Mit dem Gesetz vom 24. Juni 2020 wurde ein erstes Corona-Gesetz verabschiedet“, sagt Bartolomeo. Ein Gesetz, das den Anfang von ungefähr 30 legalen Texten bildete, die die Auswirkungen des Coronavirus auf das Gesundheitssystem abfedern sollten. Stand die Regierung während des Notstandes in einem kontinuierlichen, wenngleich auch informellen Austausch mit dem Parlament, wurde mit dem Ende des „état de crise“ auch die parlamentarische Arbeit wieder vollends aufgenommen. „Das Parlament, der Staatsrat und alle beratenden Instanzen haben ab dem Zeitpunkt wieder ihre gewöhnliche Rolle gespielt.“

Ein für den ehemaligen Gesundheitsminister und Parlamentspräsidenten kein trivialer Fakt. „Das hat uns im Nachhinein ja auch viel Lob eingebracht“, sagt Di Bartolomeo. Die Gesetze seien zügig ausgearbeitet worden – „wir haben uns aber jedes Mal so viel Zeit genommen wie eben nötig war“. Demnach hätte es kein von der Regierung eingebrachter Gesetzestext ohne Änderungen aus dem Gesundheitsausschuss ins Plenum geschafft. „Bei Unklarheiten wurde spätestens im darauffolgenden Gesetz nachjustiert“, sagt Di Bartolomeo. „Dann wurde auch den Vorschlägen des Staatsrates in einer zweiten Phase Rechnung getragen.“

28. Dezember 2020: Die ersten Personen in Luxemburg erhalten eine erste Impfdosis
28. Dezember 2020: Die ersten Personen in Luxemburg erhalten eine erste Impfdosis Foto: Editpress/Anouk Flesch

Einschneidende Maßnahmen

Tatsächlich wurde mehrfach Kritik am Vorgehen der Regierung geäußert, die ihre Gesetzestexte teilweise im Monatsrhythmus in der Chamber einbrachte, um auf die pandemische Situation zu reagieren. Sowohl der Zeitdruck als auch die Präzision der eingebrachten Gesetzestexte wurden vom Staatsrat sowie von Mitgliedern des Gesundheitsausschusses kritisiert. „Certaines notions utilisées manquent de précision et le dispositif est, par endroits, lacunaire“, lautete beispielsweise eine Kritik des Staatsrates zu einem Gesetzestext zur Einschränkung der Personenanzahl in großen Verkaufshäusern. Eine in der Schärfe und Deutlichkeit keine seltene Kritik in den drei Pandemiejahren.

„Für mich persönlich war das Gesetz vom 29. Oktober 2020 einer der schwierigsten Momente in meiner politischen Karriere“, sagt Di Bartolomeo. Die öffentliche Gesundheit zu schützen, sei der dominierende Leitsatz gewesen, weshalb mit der Einführung der Ausgangssperre stark freiheitseinschränkende Maßnahmen getroffen wurden. „Es war immer eine Gratwanderung zwischen der öffentlichen Gesundheit und dem Einschränken individueller Freiheitsrechte.“ Das Virus sei auch jetzt noch präsent, stelle aber eben keine Gefahr mehr dar. „Mit der Abstimmung in der Chamber können wir das Virus ja auch nicht abschaffen“, sagt Di Bartolomeo. „Es ist demnach auch nicht verboten, in Altersheimen oder Krankenhäusern weiterhin eine Maske zu tragen.“ Diese seien ja auch nützlich, um einer Grippeepidemie entgegenzuwirken.

Mussten sich am 1. April 2021 in der Chamber einer sehr hitzig und emotional geführten Debatte um die Aufklärung der Corona-Cluster stellen: Familienministerin Corinne Cahen (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP). Die Opposition forderte geschlossen den Rücktritt der DP-Ministerin.
Mussten sich am 1. April 2021 in der Chamber einer sehr hitzig und emotional geführten Debatte um die Aufklärung der Corona-Cluster stellen: Familienministerin Corinne Cahen (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP). Die Opposition forderte geschlossen den Rücktritt der DP-Ministerin. Foto: Editpress/Julien Garroy

„Ich denke, dass die Methodik, das Parlament miteinzubeziehen, richtig war“, sagt der LSAP-Politiker. Wenn es darum geht, fundamentale Freiheiten einzuschränken, müsse die Chamber auf jeden Fall eine Rolle spielen. Rückblickend gibt Mars Di Bartolomeo zu, dass nicht immer alles rundgelaufen ist und meint damit unter anderem die hohen Infektionszahlen in den Altersheimen zu Beginn des Jahres 2021. „Es ist wichtig, das Krisenmanagement ,à tête reposée‘ aufzuarbeiten“, sagt Di Bartolomeo. Das sei teilweise schon, unter anderem durch den Waringo-Bericht, geschehen. Seines Erachtens könne man aber aus der gesamten Pandemie eine Lehre ziehen: „Das Krisenmanagement muss an einem Ort zusammenlaufen“, sagt Di Bartolomeo. Schulen, Pflege- und Gesundheitssektor hätten sich zwar sehr wohl koordiniert, dennoch hätten zusammenhängende und sektorenübergreifende Gesetzestexte durchaus von Beginn an Sinn ergeben. „Das hat sich ja dann nach und nach eingependelt, doch die Kooperation hätte noch weiter intensiviert werden können.“

Impfpflicht-Debatte

Ein besonderer Moment der Corona-Pandemie sei die Diskussion um die Impfpflicht gewesen. „Es ist gut, dass diese Diskussion vorsichtig geführt wurde“, sagt Di Bartolomeo. Man habe jetzt ein Gesetzentwurf vorliegen, der, falls nötig, gestimmt werden könne. „Möglich, dass eine Impfpflicht direkt am Anfang der Pandemie sinnvoller gewesen wäre“, reflektiert Di Bartolomeo weiter. „Aber im Nachhinein ist man immer schlauer.“

Jeannot Waringo präsentierte am 12. Juli 2021 in der Chamber seinen Untersuchungsbericht zu den Corona-Clustern in den Altenheimen
Jeannot Waringo präsentierte am 12. Juli 2021 in der Chamber seinen Untersuchungsbericht zu den Corona-Clustern in den Altenheimen Foto: Foto/Fabrizio Pizzolante

Die Regierung hatte fünf Luxemburger Corona-Experten, Claude P. Muller, Vic Arendt, Thérèse Staub, Gérard Schockmel und Paul Wilmes, mit dem Ausarbeiten eines Gutachtens beauftragt. In diesem sollten sie darlegen, ob beziehungsweise inwiefern eine Impfpflicht in Luxemburg Sinn ergeben würde. Die Empfehlung der fünf Experten, die ihr Gutachten am 6. Juli 2022 vorstellten: eine Impfpflicht für die Allgemeinbevölkerung ab 50 Jahren. Eine flächendeckende Impfung für den Gesundheitssektor würde hingegen nicht den gewünschten Effekt erzielen, mit dem sich eine Impfpflicht durchsetzen ließe.

Doch nicht nur die Debatten um die Impfpflicht, sondern auch die Corona-Maßnahmen an sich sorgten während der Pandemie für starke Kontroversen. „Es gab Diskussionen, die auf sehr unterschiedlichem Niveau geführt wurden“, meint Di Bartolomo. Es habe Personen gegeben, die sich mit der Materie auseinandergesetzt und nachvollziehbare Argumente hervorgebracht hätten – und andere, die behauptet hätten, durch die Impfung würde ein Sender implantiert werden. „Das waren dann schon brutale Auseinandersetzungen, weil man mit evidenzbasierten Argumenten nicht weitergekommen ist“, sagt Di Bartolomeo. „Dabei sind Zweifel bei Freiheitseinschränkungen durchaus berechtigt – solange man sich faktisch damit beschäftigt.“ Wenn die Diskussion um die Impfpflicht nicht komplett faktenbasiert und vorsichtig geführt worden wäre, hätte man die Gesellschaft nur noch weiter gespalten, ist sich der LSAP-Politiker sicher.

Die Corona-Proteste am 11. Dezember 2021 am Glacis eskalieren, die Polizei setzt den von der belgischen Polizei bereitgestellten Wasserwerfer ein
Die Corona-Proteste am 11. Dezember 2021 am Glacis eskalieren, die Polizei setzt den von der belgischen Polizei bereitgestellten Wasserwerfer ein Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Gesellschaftlicher Graben?

Die Frage, ob die Pandemie auch nachträglich einen Graben durch die Gesellschaft gezogen habe, verneint der LSAP-Politiker. „80 Prozent der Bevölkerung haben sich freiwillig impfen lassen“, sagt Di Bartolomeo. Es sei nur aufgrund des gesellschaftlichen Zusammenhalts gewesen, dass die Krise so gut überstanden worden sei. „Wir haben uns dem Virus als Gesellschaft entgegengestellt.“

In Erinnerung werden wohl trotzdem die Corona-Proteste bleiben, die die Hauptstadt an mehreren Wochenenden im Dezember lahmlegten. Unvergessen bleibt der Protest am 4. Dezember 2021, bei dem der Weihnachtsmarkt gestürmt und ein Davidstern am Denkmal der „Gëlle Fra“ angebracht wurde. Die Politik reagierte mit der Verbannung der Demonstranten aus der Innenstadt in einen Demonstrationsperimeter am Glacis. In der darauffolgenden Woche baten die Luxemburger Behörden die belgische Polizei um Unterstützung. Diese rückte mit einem Wasserwerfer in Luxemburg-Stadt an, der am Nachmittag des 11. Dezembers eingesetzt wurde, um die Demonstranten am Versuch zu hindern, dennoch in die Innenstadt zu gelangen.

Das Luxemburger Corona-Expertenteam stellt am 5. Juli sein Gutachten zur Nützlichkeit einer möglichen Impfpflicht vor
Das Luxemburger Corona-Expertenteam stellt am 5. Juli sein Gutachten zur Nützlichkeit einer möglichen Impfpflicht vor Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Einschneidende Maßnahmen müssten und seien auch von vielen Seiten kritisiert worden, meint Di Bartolomeo. „Die Gesundheit der Allgemeinheit hatte in der sanitären Krise Vorrang vor der Freiheit des Einzelnen“, sagt der Experte in gesundheitspolitischen Fragen des Luxemburger Parlaments und fügt an: „Ist es wirklich Freiheit, wenn man für sich das Recht einfordert, die Gesundheit des anderen zu gefährden?“ Auch für ihn sei es als Berichterstatter nicht leicht gewesen, diese Maßnahmen im Parlament vorzulegen und darüber abzustimmen. „Es ist eine enorme Befreiung, wenn wir jetzt die letzten Maßnahmen abschaffen.“

Der Schlüssel für die Pandemiebewältigung sieht der Covid-Berichterstatter dennoch im Zusammenhalt – sowohl in der Gesellschaft als auch im Parlamentsausschuss. Er sei zudem ein wenig stolz, dass er seinen Beitrag dazu habe leisten können. „Es ging darum, nicht etwa im Gegenüber, sondern im Virus den Gegner zu sehen“, so Di Bartolomeo. Jetzt aber müsse die Politik die Chance nutzen, die ihr durch die Pandemie gegeben worden sei. „Das Gesundheitssystem muss noch resilienter aufgestellt werden“, sagt Di Bartolomeo. Ohne aber das solidarische Gesundheitssystem als solches infrage zu stellen. „Das ist für mich ein rotes Tuch.“

Ren vun Tënten
23. März 2023 - 14.53

@Karel
Duerno ass een ëmmer méi gescheit ... och zu Arel!

Karel vun Arel .
23. März 2023 - 13.11

gin Leiwer Keen Kommentar dozou.. .
Just dass
Vieles nett neidesch gewiecht wär..
Punkt.

JJ
23. März 2023 - 10.59

"Virus lässt sich nicht per Gesetz abschaffen." " So eine Krise hatten wir noch nie." Dass man dem mündigen Bürger das einmal sagt. Danke. Hört man den Schwurblern zu(was man nicht tun sollte) und Nasen wie Freitag,Jakoby oder der Galionsfigur der modernen Medizin Dr.Ochs,dann hatten wir gar keine Krise.
Aber machen wir die Bilanz,dann können wir sagen,durch die Maßnahmen wurden viele Leben gerettet und die Impfung hat sich bewährt.Unsere Infrastruktur (Gesundheit) darf nicht wieder der Gier und der Geldmacherei zum Opfer fallen. Gesundheit,Sicherheit und Bildung kosten Geld und das sollten wir uns leisten.