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EditorialSébastien Haller hat seine Popularität richtig genutzt: Wenn Fußballprofis öffentlich mit Tabuthemen umgehen

Editorial / Sébastien Haller hat seine Popularität richtig genutzt: Wenn Fußballprofis öffentlich mit Tabuthemen umgehen
Sébastien Hallers (r.) Treffer war ein hochemotionaler Moment im Dortmunder Stadion Foto: Bernd Thissen/dpa

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Es handelt sich um eine dieser Geschichten, die das Besondere am König Fußball ausmachen. Sieben Monate nach der Schockdiagnose Hodenkrebs ist Borussia Dortmunds Stürmer Sébastien Haller ausgerechnet am Weltkrebstag sein erster Treffer für den Tabellendritten der Bundesliga gelungen. Auch die Mitteilung „Fuck Cancer“, die sein Schuhwerk zierte, hätte an diesem Samstagnachmittag passender nicht sein können. Der Leidensweg des 28-jährigen Nationalspielers der Elfenbeinküste begann Mitte Juli 2022. Nach der Chemotherapie musste sich der Fußballer im November einer weiteren Operation unterziehen. Zum Jahreswechsel kamen die ersten guten Nachrichten aus dem BVB-Trainingslager: Im Januar meldete sich der Profi eigenen Aussagen zufolge „endlich zurück“ – und feierte wenige Tage später sein Debüt für die Borussen.

Das Schicksal von Haller ist im Spitzensport kein Einzelfall. Allerdings verbindet die Sportwelt heute mit dem Namen Lance Armstrong nicht unbedingt Hodenkrebs im fortgeschrittenen Stadium, sondern systematisches Doping eines siebenfachen Tour-de-France-Gewinners (dem diese Titel nach seiner Überführung aberkannt wurden). Der Radsportler selbst wollte Verbindungen zwischen den leistungsfördernden Substanzen und seiner Erkrankung nicht ausschließen. Das behauptete er zumindest in einer 2020 erschienenen Dokumentation.

Die Fachzeitschrift BMC Cancer hatte dagegen bereits 2018 die Ergebnisse einer konkreten, wissenschaftlichen Studie veröffentlicht, wonach es keine eindeutigen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Leistungssport und Hodenkrebs gibt. Zur gleichen Schlussfolgerung kam Professor Wilhelm Bloch (Sporthochschule Köln) vor einigen Wochen im Interview mit der Deutschen Welle. Fakt ist, dass Fußballer beim Medizincheck (einer „Tauglichkeitsuntersuchung“) zwar auf „Herz und Lungen“ untersucht werden – die Verantwortung für zusätzliche Vorsorge, wie etwa urologischer Art, trägt der einzelne Sportler selbst. In manchen Fällen kann allerdings auch ein MRT auffällig sein.  

So ist es also nicht verwunderlich, dass allein in der höchsten deutschen Liga zuletzt von vier Fällen die Rede war. Neben Haller gingen auch Timo Baumgartl (Union Berlin), Marco Richter (Hertha BSC) und Jean-Paul Boetius (Hertha BSC) mit ihren Diagnosen an die Öffentlichkeit. Die Häufigkeit wurde schlagartig zum Warnsignal – und zu einem Appell an die Eigenverantwortung. Durch diesen Umgang mit ihrer Erkrankung haben Haller und Co. nicht nur Teamkollegen wachgerüttelt, sondern ein meist tabuisiertes Thema – völlig zu Recht – über die Stadien hinaus salonfähig gemacht.

In Luxemburg ist Hodenkrebs bei Männern im Alter zwischen 15 und 40 Jahren die häufigste Krebserkrankung. Rund 20 neue Fälle werden pro Jahr entdeckt, schreibt die „Fondation Cancer“. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 4.750 Männer (ndr.de). Diese Form der Krebserkrankung sei fast immer heilbar, heißt es auf der Internetseite der Luxemburger Krebsstiftung. Und diese Statistik betrifft eben nicht nur Profisportler, sondern alle.