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GesundheitAlternativ- und Komplementärmedizin: mit Globuli gegen Corona?

Gesundheit / Alternativ- und Komplementärmedizin: mit Globuli gegen Corona?
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In diesen nasskalten Wochen grassieren Atemwegsinfekte. Von Schnupfen bis Grippe und Covid, die Viren gehen um. Vorsorge und Behandlung ist gefragt. Doch bieten auch Alternativ- oder Komplementärmedizin Lösungen gegen diese Infekte. Es bedarf hoher Aufmerksamkeit, will man seine Gesundheit schützen, fand auch unsere Korrespondentin Elke Bunge.

Geht Ihnen das manchmal auch so? Man geht mit diversen Wehwehchen zum Arzt, weiß selbst nicht genau, was einem fehlt, und hofft auf medizinischen Hilfe. Der/die Spezialist/in entdeckt einige Symptome, die in sein/ihr Fachgebiet fallen und beginnt eine Behandlung. Ist das Problem damit nicht geklärt, werden häufig noch „psychische Probleme“ mit in Betracht gezogen. Und Patient oder Patientin bleiben ratlos.

In unserer hochspezialisierten Welt haben sich auch die Mediziner häufig auf ein Fachgebiet zurückgezogen. Blicke ins „Nebenfach“ geschehen selten, das Krankheitsbild von einer anderen Seite zu betrachten, übersteigt das „Budget“. Da die Entwicklung einmal so vonstattengegangen ist, bietet sich hier genügend Spielraum für Alternativen: Heilpraktiker, Alternativmediziner oder Verfechter fernöstlicher medizinischer Traditionen tummeln sich im Pool der Patienten. Die bekommen vor allem, was sie am meisten suchen: Aufmerksamkeit und Zuwendung.

Und so nimmt es gar nicht Wunder, dass auch zu Zeiten der Grippewellen und Coronaerkrankungen Alternativ- und Komplementärmediziner ihre Angebote unterbreiten. Doch was ist dran an diesen Heilmethoden? Inwiefern kann man ihnen vertrauen und wann ist hier ein Stopp zu setzen?

Nach eigenen Angaben betrachtet die Komplementärmedizin einen salutogenetischen Ansatz bei der Heilung von einer Krankheit, das heißt, sie setzt auf die Selbstheilungskräfte des betroffenen Körpers. Ihrem Ansatz gegenüber (unter)stellen die Komplementärmediziner der Schulmedizin, dass diese nur einen pathogenen Ansatz betrachte, also das Auslösen der Krankheit und dessen Bekämpfen.

Viren können alle Menschen befallen

Ein Credo der Komplementärmedizin ist, dass die Menschen aufgrund ihrer Lebensweise „selbst schuld“ am Befall verschiedener Krankheiten sind. Tagtägliche Beobachtungen bestätigen gewiss, dass das Angebot ungesunder Lebensmittel in unseren Supermärkten groß ist. Statistiken weisen nach, dass wir im Durchschnitt zu Übergewichtigkeit neigen. Adipositas ist ein Phänomen, mit dem wohl die meisten Allgemeinmediziner konfrontiert sind.

Daraus zu schließen, dass adipöse oder ansonsten ungesund lebende Menschen eher von SARS-CoV-2 oder Influenzaviren befallen werden, ist wissenschaftlich jedoch nicht belegt. Auch Menschen mit „ganz normalen“ Figuren und sogar Leistungssportler haben sich mit Corona infiziert, erlagen der Pandemie oder leiden an Folgen wie dem Post-Covid-Syndrom. Die Frage bleibt, wann und in welchem Umfang medizinische Alternativen geeignet sind, den Krankheitsverlauf zu mildern bzw. die Immunabwehr zu stärken.

Heilkräuter, wie der Thymian, werden bei der Zubereitung von Phytopharmaka (pflanzlichen Arzneimitteln) verwendet
Heilkräuter, wie der Thymian, werden bei der Zubereitung von Phytopharmaka (pflanzlichen Arzneimitteln) verwendet Foto: Editpress-Archiv/Anne Lommel

Phytopharmaka können unterstützen

Wir Menschen im westlichen Europa leben in einer reichhaltigen Versorgungswelt, in der es eigentlich kein Problem sein sollte, sich gesund zu ernähren. In der Regel treffen wir im Lebensmittelhandel oder auf den Märkten ein umfangreiches Angebot an Obst und Gemüse an. Ausreichende Vitaminzufuhr könnte also gegeben sein, wenn wir Obst und Gemüse auch konsumieren.

Ist man erst einmal von einer Erkältungskrankheit befallen, gibt es auch zahlreiche pflanzliche Arzneimittel, die den Verlauf mildern und uns im Heilungsprozess unterstützen können. Viele davon sind bereits als bewährte Hausmittel überliefert. Spezielle Arzneimittelfirmen haben sich darauf spezialisiert, äquivalente Phytopharmaka herzustellen. Dazu gehören Mittel gegen Kopfschmerzen oder Fiebersenker ebenso wie Husten- oder Schnupfenlöser. Gegen die Aktivitäten der Viren indes gibt es kein Mittel! Allenfalls können bestimmte ätherische Öle aufgrund ihrer antiviralen und antibakteriellen Wirkungen eine Infektionsgefahr mindern.

Voraussetzung für die Anwendung und den Nutzen solcher Heilmittel ist jedoch, dass sie auf evdienzbasierten Erkenntnissen beruhen. Das heißt, auf dem bestmöglichen Wissen dessen, was dem Patienten in seiner Erkrankung helfen und ihn heilen könnte.

Heilende Natur oder Scharlatanerie

Doch gerade im letzten Punkt scheinen die Grenzen fließend zu sein. Häufig werden die Ängste und die Ohnmacht der Patienten genutzt, um abstruse „Heilvorschläge“ anzubringen. Beispiele dafür kennt man von anderen Krankheitsbildern: Unheilbar kranke Patienten klammern sich an jeden Strohhalm, das ermöglicht Scharlatanen und Kurpfuschern etliche Möglichkeiten.

Zwar mögen ayurvedische Methoden und solche der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) manche Gebrechen lindern, doch weder bei komplizierten und fortgeschrittenen Karzinomerkrankungen noch bei manifesten Virenerkrankungen wie Covid-19 gibt es wissenschaftlich belegte Heilerfolge. Dem Coronavirus mit einem wie auch immer gearteten Globuli in einer C3- oder C6-Lösung zu begegnen, ist einfach absurd: Schon eine C3-Lösung entspricht einem Tropfen der „wirkenden Tinktur“ auf 50 Liter Lösungsmittel (Wasser), schon in dieser Stufe übersteigt der Grad der Verunreinigungen des Lösungsmittels die Konzentration des Wirkstoffes.

Dennoch propagieren einige Komplementärmediziner einen solchen Behandlungsansatz und nutzen damit die Hilflosigkeit der Patienten im schweren Krankheitsfall aus. Natürlich sehnen sich Kranke nach menschlicher Nähe und Unterstützung durch die Familie. Diese Nähe und Liebe aber – wie in einigen anthroposophischen Ratgebern postuliert – als Therapie bei den Infektionskrankheiten zu empfehlen, ist schlicht absurd.

Nicht umsonst haben die EU-Länder strenge gesetzliche Auflagen für das Praktizieren von Heilpraktikern erlassen. In Österreich wie auch in Luxemburg gibt es genaue Auflagen, welche medizinischen Handlungen nur von Ärzten (Arztvorbehalt) ausgeführt werden dürfen. Kurpfuscherei – der Name kommt aus dem Alpenland – ist in Österreich ein Straftatbestand. Auch im benachbarten Deutschland ist der Handlungsspielraum von Heilpraktikern aus gutem Grund begrenzt.

Die Lösung? Wünschen wir uns eine aufmerksame, dem Patienten zugewandte Medizin und aufgeklärte und gesundheitsbewusste Menschen. Denn nach wie vor gilt: Vorbeugen ist besser als heilen. Und bei Infektionskrankheiten zählt auch die Schutzimpfung zur wirkungsvollen Prävention.