Im allgemeinen Leben gibt es einige Anzeichen dafür, dass man seine jüngeren Jahre hinter sich hat. Im Radsport zeigt aber besonders ein Merkmal, dass man älter wird: wenn man vor der Saison im Trainingslager mit einem Nachwuchstalent auf dem Zimmer sitzt. „Ich wurde vom Team als alt abgestempelt“, lacht Kevin Geniets, der zum Zeitpunkt des Trainingslagers im Dezember 25 Jahre alt war. „Gut, vielleicht noch nicht als alt, aber bestimmt als erfahren“, schmunzelt er. Acht Nachwuchstalente stießen im Trainingslager in Calpe aus der eigenen Kontinental-Mannschaft zum Team der Profis dazu. Geniets hatte die besondere Aufgabe, einen Neuzugang auf seinem Zimmer begrüßen zu dürfen.
„Sie sind sehr motiviert“, sagt Geniets. „Das tut dem Team gut. Wir haben uns aber sonst noch nicht oft gesehen. Das wird sich erst mal nicht ändern, weil ich ein anderes Rennprogramm als die Jungen fahre.“ Vor Weihnachten war Geniets also mit dem Team in Calpe, Anfang Januar war er unter anderem mit Arnaud Démare in Nizza. „Ich hatte gute Trainings, es war wie jedes Jahr. Alles läuft gleich ab. Aber im Moment läuft es sehr gut, für Januar fühle ich mich bereits sehr gut.“
Geniets hat am 9. Januar seinen 26. Geburtstag feiern dürfen. Nach seinem Aufenthalt in Nizza verbrachte er einige Tage in seiner Wahlheimat Aix-les-Bains zur Erholung, ehe es vom 22. Januar bis zum 1. Februar ins Höhentrainingslager zum Vulkan Teide nach Teneriffa geht. Die finalen Vorbereitungen auf die Saison werden dann in einer Hypoxie-Kammer bei Calpe stattfinden – die Einheiten simulieren Höhentrainings, wobei der vorherrschende Sauerstoffmangel zu Anpassungsreaktionen im menschlichen Körper führt.
Ähnliches Programm wie 2022
Am 17.2. soll für Geniets dann, wie auch im vergangenen Jahr, die Saison bei der Tour des Alpes Maritimes et du Var (2.1) beginnen. Danach wird Geniets bei Paris-Nice (5.-12.3.) starten, um dann die Frühjahrsklassiker in Angriff zu nehmen. Bis auf Paris-Roubaix wird er wohl keine Klassiker auslassen. „Meine Saison kommt der vergangenen sehr nahe“, sagt Geniets. „Roubaix lasse ich aus, um mich nach den Flandern-Klassikern erholen zu können und mich auf die Rennen in den Ardennen zu konzentrieren.“
Hatten französische Mannschaften bis vor einigen Jahren noch mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie keinen großen Wert auf die Frühjahrsklassiker legen, hat vor allem Groupama-FDJ in der jüngeren Vergangenheit dafür gesorgt, dieses Vorurteil beiseitezulegen. „Spätestens seit wir Stefan Küng haben, hat Groupama-FDJ eine richtig starke Klassikermannschaft. Alleine unsere Präsenz bei den Rennen im vergangenen Jahr war sehr solide. Wir hatten bei fast jedem Rennen einen Fahrer im Finale.“ Mit Valentin Madouas, der Dritter bei der Flandern-Rundfahrt wurde, und Stefan Küng, Dritter in Roubaix, hat die Mannschaft auch Ergebnisse eingefahren – für den ganz großen Coup hat es aber noch nicht gereicht.
Sich für die Tour empfehlen
Für Geniets, der seit 2019 bei der Profi-Mannschaft von Groupama-FDJ fährt, ändert sich in diesem Jahr ein wenig die Herangehensweise bei den Rennen. „Ich hoffe, dass ich auch mal Resultate einfahren kann“, sagt der Luxemburger. „Ich möchte in diesem Jahr im Finale länger warten und cleverer fahren. Auch bei den Frühjahrsklassikern möchte ich mal auf eigene Kappe fahren. Die längeren Rennen im letzten Jahr, wie die WM (Geniets fuhr in der Gruppe hinter Sieger Evenepoel als 21. ins Ziel), haben mir gezeigt, dass ich ganz vorne mitfahren kann.“
Dass er einen richtigen Sprung in seiner Entwicklung gemacht hat, spürte Geniets vor allem in der finalen Phase der vergangenen Saison. „Ich habe bei der Tour de Luxembourg und bei der WM richtig gemerkt, wie ich einen Schritt nach vorne gemacht habe. Ich war im Finale immer dabei und das gibt mir sehr viel Selbstvertrauen.“
Nach der Klassiker-Saison will Geniets dann wieder den Sprung in den Tour-de-France-Kader schaffen. Im vergangenen Jahr absolvierte er seine erste Grande Boucle – die Rundfahrt in diesem Jahr möchte er nicht verpassen. „Die ganze Tour, die Stimmung, l’Alpe d’Huez oder Dänemark – das war alles schon sehr verrückt. Jeder Tag war etwas ganz Besonderes“, sagt er.
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