Isabelle Klein ist eine Ausnahmekönnerin. Die 39-Jährige, die in ihrer Jugend Schwimmsport betrieb und danach vor allem im Triathlon aktiv war, entdeckte den Cyclocross erst vergangene Saison. In ihrem ersten Jahr konnte sie gleich den Skoda Cross-Cup gewinnen und auch in diesem Jahr hat sie mit sechs Erfolgen (in Kayl, Mondorf, Beles, Cessingen, Préizerdaul und Ettelbrück) beste Aussichten auf die Titelverteidigung.
Am Sonntag wird sie bei den Cyclocross-Landesmeisterschaften starten. Noch Anfang der Woche sah es so aus, als würde sie in Mamer konkurrenzlos sein – und sich damit den Titel mit einer einfachen Zieldurchfahrt sichern. Mit der Anmeldung von Marie Schreiber in der Elite wird es nun jedoch zu einem Zweikampf kommen. Christine Majerus verzichtete nach ihrer Schulterverletzung auf eine Cyclocross-Saison. „Mein Ziel ist es, ein perfektes Rennen zu fahren“, sagt Klein. „Die Platzierung ist zweitrangig. Wenn ich zufrieden mit dem bin, was ich in 45 Minuten auf die Pedale bringe, passt das.“
Mit einer Erkältung zur Meisterschaft
Zwei Fahrerinnen werden sich am Sonntag in Mamer also um den Landesmeistertitel duellieren. „Mein Ziel hat sich durch die Einschreibung von Marie bei der Elite nicht geändert“, sagt Klein. „Mich motiviert das umso mehr, ein gutes Rennen zu fahren. Ich habe keine Angst, neben Marie zu starten. Das Rennen ist erst gefahren, wenn alle angekommen sind.“ Auch wenn Schreiber in dieser Saison bei fünf Weltcups in die Top Ten fuhr, will Klein die Nachwuchssportlerin schlagen. „Ich rechne mir durchaus Chancen aus. Ich stelle mich nicht hinter Marie und sage, dass ich sie nicht schlagen kann. Dafür bin ich zu ehrgeizig.“
Die letzten direkten Vergleiche konnte Schreiber bei den Weltcups in Gavere und Maasmechelen klar für sich entscheiden. Klein schlug die 19-Jährige zuletzt bei den nationalen Mountainbike-Landesmeisterschaften im vergangenen Juli. „Ich denke schon, dass man Cyclocross mit Mountainbike vergleichen kann. Mountainbike ist etwas länger – aber durch diesen Sieg bin ich mit mehr Motivation in die Cyclocross-Saison gegangen. Es hat mir gezeigt, dass mein Niveau im Vergleich zu Marie gut war. Man muss jedoch dazusagen, dass sich das Training von Marie verändert, sie war vielleicht auch nicht in Topform.“
Die Landesmeisterschaften am Sonntag kommen für Klein aktuell eher ungelegen. Nach dem Neujahrscross in Petingen, den Klein auf dem 5. Platz beendete, kränkelte die 39-Jährige. Gelenkschmerzen, Husten und ein allgemeines Schwächegefühl machten ihr zu schaffen. Durch die Krankheit setzte Klein die beiden geplanten Rennen am vergangenen Wochenende in Hesperingen und das Weltcup-Rennen in Zonhoven aus.
Elf Fahrerinnen am Start
Insgesamt werden am Sonntag beim Damen-Rennen elf Fahrerinnen aus vier Kategorien (Elite zwei, Espoirs fünf, Juniorinnen zwei und Masters zwei) an den Start gehen. Zu wenig, wie auch Klein findet. „Es ist ein Ziel von mir, ein Vorbild für die jüngere Generation zu sein. Cyclocross ist sehr anspruchsvoll und daher nicht so interessant für Mädchen. Im Training musst du hart trainieren und viel investieren. Dann kommt noch die Technik dazu. Der Sport ist nicht für jeden gemacht.“
Doch Klein sieht noch ein anderes Problem. „Luxemburg ist sehr klein. Man wird leicht Landesmeisterin und steht früh sehr schnell im Blickpunkt. Das ist nicht gut für die jungen Fahrerinnen. Wenn Fahrerinnen dann ein Jahr nicht gewinnen, verlieren sie Motivation. Es ist wichtig, solange es geht mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben. Auch, wenn man bei den Juniorinnen gewinnt. Es sollte immer weitergehen. Man muss sich den Weg als Ziel setzen. Im Ausland gibt es viel mehr Starterinnen – da lernt man schneller das Verlieren.“
Klein geht dabei als Vorbild voran. „Ich messe mich gerne mit starken Konkurrenten. Wenn es in manchen Kategorien nur eine Starterin gibt und man automatisch den Titel bekommt, das ist keine Motivation für mich. Ich lasse nicht los, das motiviert mich. Ich habe nach wie vor Lust, die Rennen zu fahren. Hätte ich keine Lust mehr, würde ich es sein lassen. Das Resultat sollte gerade in den jüngeren Jahren zweitrangig sein – das müssen auch die Eltern lernen.“
Drucker ohne Zukunftssorgen
Sorgen um die Zukunft des luxemburgischen Damen-Cyclocross macht sich FSCL-Nationaltrainer Jempy Drucker nicht. „Weil wir in den vorherigen Jahren auch nicht mehr Fahrerinnen am Start hatten“, sagt er. Während 2022 zwölf Athletinnen starteten, waren es 2020 zehn, 2019 acht. „Natürlich wäre es besser, wenn wir breiter aufgestellt wären. Das ist auch ein Ziel, was sich die FSCL vorgegeben hat. Aber das passiert nicht von heute auf morgen.“
Für den nationalen Radsportverband geht es darum, zweigleisig zu arbeiten. Zum einen will man immer wieder internationale Spitzenathleten herausbringen, zum anderen die Basis stärken. „Mit Christine Majerus und Marie Schreiber, die beide einen ähnlichen Weg einschlagen, hoffen wir, dass einige Mädchen sich ein Vorbild an ihnen nehmen.“
Im Sommer will die FSCL mehr Rennen für die Mädchen anbieten. Damit wolle man die „physische Basis der Fahrerinnen verbessern, die in der Vergangenheit etwas vernachlässigt wurde“, erklärt Drucker. „Die Mädchen sind motiviert. Wir müssen ihnen nur etwas anbieten.“ Drucker weiß jedoch, ähnlich wie Klein, dass Cyclocross ein harter Sport ist – und dass dieser Faktor bei Mädchen abschreckend wirken kann. „Gehen die Mädchen heutzutage lieber tanzen? Oder quälen sie sich bei Wind und Wetter auf den Straßen?“, fragt sich der Nationaltrainer.
Ein weiteres Problem für den Radsport-Nachwuchs sieht Drucker im finanziellen Bereich. „Für Cyclocross brauchst du mindestens zwei Räder. Dann brauchst du noch ein Rad für den Sommer. Auf einmal hat eine Familie 15.000 Euro in der Garage stehen. Wenn die Eltern ihre Kinder dann fragen, ob sie nicht lieber Basketball spielen, wo sie nur ein paar Turnschuhe brauchen, dann ist das verständlich.“
Am Wochenende steht für Drucker und die FSCL dann aber erst mal die Gegenwart an. Im Elite-Rennen der Damen spricht der ehemalige Radprofi eine klare Favoritenrolle aus. „Marie ist auf dem Papier die klare Favoritin“, sagt er. „Aber ein Rennen muss erst mal gefahren werden. Isabelle ist eine starke Fahrerin und nicht zu unterschätzen. Ich hoffe, dass sie Marie ein bisschen nervös machen und zu Fehlern zwingen kann. Ich hoffe auf ein schönes Rennen und vielleicht springt am Ende ein Zweikampf heraus.“
Im Überblick
Die Starterinnen:
Elite (2): Marie Schreiber, Isabelle Klein
Espoirs (5): Liv Wenzel, Lis Nothum, Nina Berton, Layla Barthels, Maïté Barthels
Juniorinnen (2): Anouk Schmitz, Gwen Nothum
Masters (2): Mélanie Wünsch, Suzie Godart
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