Handwerksvertreter, Handelskammer, Mieterschutz und Aktivisten weisen seit längerem auf die sich zuspitzende Lage am Wohnungsmarkt hin. Die Zahlen des „Observatoire de l’habitat“ zum Wohnungsimmobilienmarkt im dritten Quartal 2022 unterstreichen die Hilferufe. Schwindende Verkaufszahlen bei weiter steigenden Preisen deuten auf ein ungesundes Klima am Luxemburger Wohnungsmarkt hin, dessen Auswirkungen wohl erst in den kommenden Jahren zu spüren sein werden.
Das Luxemburger Wohnungsobservatorium hat die Lage am Wohnungsmarkt analysiert und für das dritte Quartal einen signifikanten Rückgang der Verkäufe von im Bau befindlichen Wohnungen (VEFA) festgestellt. Ein Minus von 36 Prozent im Vergleich zum dritten Quartal 2021 hatte bereits die Handwerkskammer und den Handwerksverband – die nicht nur um künftige Aufträge und Arbeitsplätze fürchten, sondern wohl auch um ihre Gewinnmargen – am Montag zu einer Intervention bei Wohnungsbauminister Henri Kox und einer anschließenden Pressekonferenz gezwungen.
Der Rückgang von 36 Prozent ist laut Observatorium ein Rekordrückgang seit der Datenaufzeichnung im Jahr 2009. Bei bereits bestehenden Wohnungen ist die Regression mit einem Minus von zehn Prozent wesentlich moderater. Die Diskrepanz lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass VEFA-Einheiten bisher zu einem indexierten Preis verkauft wurden, der Preis demnach noch nach Abschluss des Vertrages variieren konnte. Die Inflationsentwicklung der letzten Monate dürfte somit viele Käufer abgeschreckt haben, solche Verträge abzuschließen – weshalb die Luxemburger Bauträger mittlerweile von diesen Verträgen abrücken und einen Fixpreis anbieten, wie die Handwerksvertreter am Montag verkündeten.
Neue Bedenken, alte Probleme
Die Entwicklung ist trotz der nun schriller als zuvor läutenden Alarmglocken nicht neu. „Dieser Rückgang der Aktivität auf dem Markt für im Bau befindliche Wohnungen entspricht einem Trend, der seit acht Quartalen zu beobachten ist“, schreibt das Observatorium in seinem Bericht. Drei Gründe sollen den Marktbeobachtern zufolge ausschlaggebend sein: „Eine sinkende Attraktivität für Mietinvestoren und eine sinkende Kaufkraft von Eigenheimbesitzern aufgrund steigender Zinsen und die Ungewissheit über den Endpreis einer VEFA-Immobilie sind wohl die ausschlaggebenden Faktoren.“ Ein Wink mit dem Zaunpfahl Richtung Wohnungsbauminister Henri Kox, der in seinem Mietgesetz die Gewinnmargen für Mietinvestoren von fünf auf maximal drei Prozent gesenkt hatte – und trotzdem dafür gesorgt hat, dass nach dem aktuellen Entwurf besonders die Mieten in bereits bestehenden Wohnungen deutlich ansteigen dürften.
Der Verkauf von Bauland bettet sich ebenso in den gedrosselten Verkauf von bereits fertiggestellten oder noch im Bau befindlichen Wohneinheiten ein. Insgesamt wurde ein Viertel weniger Baugrundstücke verkauft als im gleichen Quartal 2021. Mit 406 verkauften Baugrundstücken wurden demnach weniger Baugrundstücke verkauft als noch vor der Corona-Krise. Eine Entwicklung, die analog zu der bei den verkauften Wohneinheiten verläuft. Ob bei Neubauten, VEFA-Immobilien, bestehenden Wohnungen oder Häuser: Die Anzahl der Verkaufstransaktionen sind allesamt unter Vorkrisenniveau gesunken.
Gedrosselter Wohnungsmarkt
Trotz der gedrosselten Aktivität auf dem Wohnungsmarkt sind die Preise auch weiterhin gestiegen. Das lässt sich unter anderem an dem Finanzvolumen der getätigten Transaktionen messen, das weniger stark sank als die Anzahl der Verkäufe. Ein Preisanstieg von 8,3 Prozent für bestehende Wohnungen, 7,9 Prozent für bestehende Häuser und satte 18,3 Prozent mehr für im Bau befindliche Neubauten scheinen zumindest einen Hinweis darauf zu liefern, warum es am Wohnungsmarkt trotz hoher Anfrage nicht zu mehr Transaktionen kommt. „Der aggregierte Anstieg über ein Jahr ist also weiterhin stark und setzt den Anstieg aus den vorherigen Quartalen fort“, umschreibt das Wohnungsobservatorium den Preisanstieg. „Im Vergleich zum Vorquartal verzeichnen wir ebenfalls einen aggregierten Anstieg von 2,2 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal 2022.“
Gerade der Anstieg bei den VEFA-Verträgen lässt jedoch aufhorchen. „Gespräche mit Immobilienfachleuten legen nahe, dass eine Änderung des Vertragssystems diesen Preisanstieg teilweise erklären könnte“, schreibt das „Observatoire de l’habitat“. Bisher hätten Bauträger VEFA-Bauverträge angeboten, die eine Klausel zur Indexierung der Preise bei Übergabe auf der Grundlage des Baupreisindexes des Statec enthielten. Mehrere Bauträger sollen laut Observatorium dieses System beendet haben, um dem Endkunden mehr Sichtbarkeit in Bezug auf seinen zukünftigen Preis zu gewährleisten.
Die Schlussfolgerung des Wohnungsobservatoriums: „Im Gegenzug verteuert sich dadurch der Preis, der bei der Unterzeichnung des VEFA-Vertrags festgelegt wird.“ Und: „Die Mehrheit der Bauträger hat sich offensichtlich dafür entschieden, die Verkaufspreise der vermarkteten Immobilien nicht zu senken, auch wenn sie dadurch mit Schwierigkeiten beim Verkauf konfrontiert werden.“ Heißt: Die Preise werden von den Bauträgern weiterhin hochgehalten – auf Kosten zukünftiger Aufträge und der Schaffung neuer Wohneinheiten aufgrund ausbleibender Investoren.
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