„Ich vertrage keine anderen Verhütungsmittel“ oder „Ich möchte keine (weiteren) Kinder“: Das sind zwei der Gründe, sich für eine Sterilisation zu entscheiden. In Luxemburg zählen sie jedoch momentan nicht zu den Bedingungen, unter denen die Gesundheitskasse die Kosten für solch einen Eingriff übernimmt – weder bei Männern noch bei Frauen. Das soll sich jedoch sehr bald ändern. Das bestätigt Dr. Pit Duschinger gegenüber dem Tageblatt. Er ist Präsident der Gynäkologenvereinigung „Société luxembourgeoise de gynécologie et d’obstétrique“ (SLGO) und selbst Gynäkologe. Momentan ist die Kostenübernahme für Sterilisationen noch an strenge Bedingungen geknüpft.
Die Vereinigung „Planning familial“ erklärt auf Tageblatt-Anfrage zu den Bewilligungen der CNS: „Die Zustimmung bezieht sich auf eine medizinische Kontraindikation für eine Schwangerschaft.“ Eine Sterilisation werde also nur dann übernommen, wenn eine Schwangerschaft einen „ungewöhnlich hohen Gesundheitsschaden oder sogar zu einem lebensbedrohlichen Risiko für die Mutter und/oder das ungeborene Kind führen würde“. In der Praxis führen laut dem Verein jedoch nur sehr wenige Anträge zu einer positiven Stellungnahme – dabei beziehen sie sich auf Erfahrungen von Ärzten aus dem Verein.
Die CNS präzisiert in ihrer Regelung zu Sterilisationen bei Frauen: „Das Fehlen eines Mutterschaftswunsches oder der alleinige Wunsch, die Fruchtbarkeit aus nichtmedizinischen Gründen zu unterbrechen, rechtfertigen keine Kostenübernahme […]. Dasselbe gilt für Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen gegen hormonelle Verhütungsmittel oder Intrauterinpessare (Verhütungsspiralen, Anm. d. Red.).“
Die Entscheidung liegt bei der Frau, es ist ihr Körper
„Die aktuelle Regelung ist eindeutig zu streng“, sagt der SLGO-Präsident. „Die Entscheidung liegt bei der Frau, es ist ihr Körper.“ Natürlich sei eine Sterilisation ein ernst zu nehmender Eingriff in der Bauchhöhle, über den es im Vorfeld aufzuklären gelte. Zudem werde die Methode als irreversibel angesehen. Doch wenn die jeweilige Patientin ausführlich über die Risiken informiert wurde und sie sich anschließend über ihre Entscheidung im Klaren sei, müsse sie das Recht haben, selbst zu entscheiden, was gut für sie und ihren Körper sei.
Aus der Sicht des SLGO-Gynäkologen gibt es mehrere Argumente, die eine Entscheidung für eine Sterilisation rechtfertigen. „Zum Beispiel wenn eine Frau sagt, dass sie durch die Spirale zu stark blutet oder einfach generell keine Hormone mehr zur Verhütung zu sich nehmen möchte“, führt er an. Auch der Wunsch, gar keine oder keine weiteren Kinder mehr bekommen zu wollen, sei ein valider Grund. „Natürlich könnte man in so einem Fall auch sagen: ‚Du kannst ja deinen Partner zur Vasektomie schicken, das ist ein kleinerer Eingriff.’ Aber manche Frauen wollen eben eine endgültige Methode, mit der sie sich sicher sein können, nicht mehr schwanger zu werden, auch wenn beispielsweise der Partner doch noch mal wechselt.“
4.500 Euro für die Sterilisation einer Frau
Wer nach seinem Antrag auf eine Kostenübernahme eine Absage erhalten hat, muss den Eingriff also entweder selbst bezahlen oder auf die Sterilisation verzichten. Und einen solchen Eingriff mal eben selbst bezahlen, ist kein Schnäppchen: Rund 4.500 Euro können laut Dr. Duschinger dafür anfallen – je nach Klinik. Die Operation an sich sei dabei mit rund 350 Euro brutto für den jeweiligen Arzt nicht einmal das Teuerste, sagt der Gynäkologe. Den Löwenanteil machen laut ihm die Kosten für die Klinik aus, also die Kosten für den Aufenthalt an sich oder beispielsweise auch die Personalkosten. Diesen Betrag kann sich nicht jeder leisten.
Doch: Es ist eine Änderung in Sicht. Bereits 2020 wurde eine Ausweitung der Übernahme-Regelungen in Sachen Verhütung genehmigt – die Umsetzung verzögerte sich jedoch aufgrund der Corona-Pandemie. Das geht aus einer Antwort von Claude Haagen, Luxemburgs Minister für soziale Sicherheit, auf eine parlamentarische Anfrage vom Juni hervor. Im August erklärte Haagen: „Inzwischen sind die Arbeiten wieder aufgenommen worden und das Dossier wird im Herbst 2022 fertiggestellt, damit es Anfang 2023 in Kraft treten kann.“ Dabei sei geplant, „den Geltungsbereich […] auf die Sterilisation von Frauen und die Vasektomie auszuweiten, wodurch die Kosten für diese Maßnahmen auch außerhalb einer reinen medizinischen Indikation übernommen werden können“.
Ein großer Schritt nach vorne
Der SLGO-Präsident erklärt, dass sich die Vereinigung seit vergangener Woche mit der CNS darüber einig sei, dass es künftig auch keinen Antrag für eine Sterilisation mehr brauche, der erst von der CNS genehmigt werden muss. Die Gynäkologen könnten dann mit den Frauen über ihr Vorhaben sprechen und sie schließlich darüber informieren, ob sie den Eingriff durchführen oder nicht. Sollte ein Arzt den Eingriff für nicht vertretbar halten, kann er jedoch auch ablehnen, die Operation durchzuführen. Eine Antwort der CNS oder des Gesundheitsministeriums auf Fragen des Tageblatt zum aktuellen Status der Planung oder zum voraussichtlichen Inkrafttreten der neuen Regelung blieb bis Redaktionsschluss aus.
„Wir leben im 21. Jahrhundert und die freie Entscheidung für oder gegen eine Sterilisation gehört zur Lebensqualität der Frauen, das vertreten wir auch in der SLGO“, erklärt Dr. Duschinger. Die neue Regelung solle kein Freifahrschein für solche Eingriffe sein. Doch wenn die Frauen mithilfe einer solchen Regelung ein Stück mehr über ihren Körper und ihre Gesundheit entscheiden könnten, dann sei das bereits „ein großer Schritt nach vorne“.
Wie funktionieren Sterilisationen?
Bei der Sterilisation von Menschen mit Uterus werden die Eileiter bei einem operativen Eingriff entfernt oder verschlossen. Dabei gibt es laut SLGO mehrere Methoden – beispielsweise können die Eileiter dabei durchschnitten oder auch verödet werden. Der Eingriff wird unter Vollnarkose von einem Gynäkologen vorgenommen. Durch das Durchtrennen oder Entfernen der Eileiter gelangen die Spermien nicht mehr zur Eizelle, wodurch schließlich keine Befruchtung mehr möglich ist. Laut der Webseite mengverhuetung.lu des Cesas („Centre national de référence pour la promotion de la santé affective et sexuelle“) hat diese Sterilisation eine Wirksamkeit von 99,5 Prozent. Der Eingriff an sich dauert etwa 30 Minuten, der Krankenhausaufenthalt dauert in der Regel zwischen 24 und 48 Stunden.
Bei der Vasektomie, also der Sterilisation von Menschen mit Penis, werden die beiden Samenleiter unter örtlicher Betäubung von einem Urologen durchtrennt und verödet. Der Eingriff selbst dauert rund 15 bis 30 Minuten. Nach einer anschließenden Wartezeit von drei bis sechs Monaten sind schließlich keine Spermien mehr im Samenerguss enthalten – er besteht dann nur noch aus sogenannter Samenflüssigkeit. Die Wirksamkeit liegt laut mengverhuetung.lu bei bis zu 99,9 Prozent. „Operationen zur Wiederherstellung der Fruchtbarkeit sind möglich, aber teuer und garantieren keine Rückkehr der Fruchtbarkeit (zwischen 10 Prozent und 75 Prozent Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft)“, heißt es auf der Webseite. Die Kosten für eine Vasektomie belaufen sich auf 500 bis 1.200 Euro.
"Menschen mit Penis".... das heisst doch Männer, oder?