In den 1980er-Jahren war Pieke Biermann in der Bundesrepublik Deutschland eine bekannte öffentliche Person. In Schrift und Bild trat sie streitbar für Frauenrechte, vor allem auch für die Belange von Prostituierten ein. Kaum eine Talkshow im Fernsehen kam ohne sie aus, entsprechend groß waren dann auch die Anfeindungen. Ab 1987 wurden von der Autorin vier Krimis veröffentlicht, in denen sie sich dem viel gerühmten wie auch gescholtenen „Berliner Milieu“ widmete: ausgelaugte Leute in öden Jobs, in abgeranzten Wohnungen und versifften Kaschemmen, die ideell vom alten Glanz der Reichshauptstadt in den 1920er-Jahren zehrten – wenn überhaupt! Damals hing die halbierte Stadt finanziell am Tropf der Bonner Republik, Neuzugänge kamen nur, wenn die Flucht vor der Bundeswehr nichts anderes zuließ oder man sich anderweitig verdünnisieren musste. Der berühmte Spruch des Ex-Bürgermeisters Klaus Wowereit, wonach Berlin arm, aber sexy sei –Pieke Biermann erfüllt ihn vorgreifend in ihren Romanen mit Leben! Wobei das Stammpersonal weitgehend gleich bleibt, mit Kriminalhauptkommissarin Karin Lietze vorneweg. Mit Fug und Recht kann diese Romanfigur als Zigarillos rauchendes Musterbeispiel an feministischer Heldinnenhaftigkeit mit keineswegs fatalem Hang zu deutlich jüngeren Liebhabern bezeichnet werden, die sie ebenso aufgeklärt wie desillusioniert wechselt wie andere Leute ihre Hemden, Blusen, Socken, Strümpfe …
Der feministische Touch
Interessant wäre in dem Zusammenhang der direkte Vergleich mit Sara Paretskys Krimiheldin V.I. Washawski, die zwar vier Jahre früher das publizistische Licht der Welt erblickte, aber mit ähnlichen feministischen Anlagen wie Karin Lietze versehen (wenngleich deutlich verhaltender, unterschwelliger) wurde, und die allesamt auf einen Nenner hinauslaufen: Egal, ob als Privatdetektivin oder Polizeibeamtin, immer geht es um die Darstellung der Frau als Souverän. Was nicht heißt, dass die Figuren gänzlich unabhängig wären von ihrer Umgebung oder ähnlich autistisch vor sich hinwerkeln würden wie ihre männlichen Konterparts in Krimis. Trotzdem, so weit es die Umstände erlauben, agieren die Frauenfiguren weitgehend selbstbestimmt. Und es ist für die Leser faszinierend nachzuverfolgen, wie die Autorinnen darauf achten, dass ihre Protagonistinnen eine gewisse Attraktivität behalten, obschon sie eher mit männlich konnotierten Attributen wie etwa sachbezogenes statt emotionales Verhalten aufwarten. Während Paretsky weiterhin Bücher in ihrer Warshawski-Reihe veröffentlicht, ließ Biermann 1997 ihre durchaus erfolgreiche Krimiserie auslaufen – vielleicht, weil abzusehen war, auf welche Stereotypen die Entwicklung hinauslaufen würde? Oder weil sie ihrer Karin Lietze mit Kriminaldirektor Lang letztendlich doch einen Liebhaber auf Augenhöhe angedichtet hatte? Dazwischen, in Büchern mit den Titeln „Potsdamer Abkommen“, „Violetta“, „Herzrasen“ und dem finalen „Vier fünf sechs“ entwirft die Autorin die beeindruckende Topografie einer Stadt in dramatischem Wandel: Mauerfall, Wendezeit, die Wiedervereinigung Deutschlands und das Ende der Sowjetunion, alles innerhalb weniger Jahre. Und es spricht für Pieke Biermann, dass sie sich weniger mit diesen historischen Highlights als mit deren Folgen in Echtzeit befasst. Der Raubbau an Stadt und Menschen verändert sich, wird östlicher, wird noch brutaler, für Lietze und ihr Team ändert sich in Sachen Verbrechensbekämpfung dadurch aber wenig.
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