Die Grünen-Fraktion hat am Tag vor der Rede zur Lage der Nation ihre parlamentarische „Rentrée“ auf ihrer Pressekonferenz eingeläutet. Im kommenden Wahljahr sollen – wenig überraschend – die Energie- und Klimatransition sowie die Wohnungsproblematik die Grünen-Parlamentarier bei ihrer täglichen Arbeit leiten. „Wir wollen keine Bilanz ziehen, sondern einige Themen in den Mittelpunkt stellen“, sagt Fraktionschefin Josée Lorsché. Dazu zählen auch die derzeitige Energiekrise und der Krieg in der Ukraine. „Ein Ende ist nicht abzusehen – und wir haben eine Verantwortung, den ökonomischen und sozialen Schaden in Luxemburg in Grenzen zu halten.“ Das Tripartite-Abkommen sei ein „gutes Abkommen“, jetzt müssten aber auch die Gesetzestexte in Kürze folgen, um die Maßnahmen umsetzen zu können. Zudem fordern die Grünen eine „ressortübergreifende Strategie zur Armutsbekämpfung“.
„Die Energietransition ist eine Notwendigkeit“, sagt Lorsché und verweist auf einige Maßnahmen im Tripartite-Abkommen, das in den kommenden Wochen umgesetzt werden soll. „Energieminister Claude Turmes war bereits in der Tripartite-Kommission im Parlament und wird da die nötigen Gesetzestexte vorlegen.“ Die Energietransition sei aber auch eine Frage des Budgets, meint Lorsché. Man müsse unabhängig vom russischen Gas und fossilen Energieträgern werden. „Ich will unterstreichen, dass weitere 200 Millionen Euro im Tripartite-Abkommen für diesen Zweck vorgesehen sind.“ Dazu werden die Grünen jede weiteren Investitionen in ein nachhaltiges Luxemburg unterstützen – auch wenn das Tripartite-Abkommen 1,2 Milliarden Euro im Staatsbudget verschlinge. Eine Austeritätspolitik zum jetzigen Zeitpunkt nannte die Parlamentarierin „kontraproduktiv“. Grüne Akzente zu den genannten Punkten erwartet sich Lorsché deshalb auch in der Rede zur Lage der Nation und im Staatshaushalt für das kommende Jahr.
Klimaziele erreicht?
Die aktuelle Energiekriese verdeutliche auf ein Neues, dass Luxemburg sich vom Import fossiler Energieträger loslösen müsse, meint auch François Benoy, Parlamentarier und Gemeinderat der Stadt Luxemburg von „déi gréng“. Dazu zähle, die Unternehmen bei nachhaltigen Investments zu unterstützen, Hürden in puncto Elektromobilität zu beseitigen und den gesetzlichen Rahmen weiter zu festigen. „Gerade jetzt muss die Transition weitergetrieben werden“, sagt Benoy. „Die Energietransition soll auch im nächsten Luxemburger Staatshaushalt, der am Mittwoch in der Chamber vorgestellt werden soll, weiter gestärkt werden.“
Auch sei es wichtig, dass die Strompreise im Tripartite-Abkommen gedeckelt wurden und somit wettbewerbsfähig bleiben. „Das ist die Energiequelle, die wir brauchen, wenn wir weitere Schritte in Richtung Klimaneutralität gehen wollen“, sagt Benoy und zählt auch Klimabonus für Fotovoltaik-Anlagen, die Herabsetzung der Mehrwertsteuer auf Fotovoltaikanlagen und Hilfen für energetische Renovierungsarbeiten zu den grünen Errungenschaften des Tripartite-Abkommens, das am 28. September von Regierung und Sozialpartnern unterschrieben wurde.
Investitionen in Windräder und Fotovoltaikanlagen würden ihre Früchte tragen. Und: „Die Sparkampagne wirkt“, sagt der Grünen-Politiker. „Wir haben im September 26 Prozent weniger Energie verbraucht als im Durchschnitt der Septembermonate der letzten fünf Jahre.“ Dass die grüne Politik Wirkung zeige, merke man auch an der Klimabilanz für das Jahr 2021, in der festgestellt wurde, dass Luxemburg seine Ziele für das Jahr 2021 erreicht habe – ein Jahr, in dem allerdings viele Pendler und Arbeitnehmer noch von der Homeoffice-Regelung profitiert und somit die Emissionsbilanz verzerrt haben dürften. Auf Tageblatt-Nachfrage gibt sich Benoy dennoch optimistisch. „Wir haben viele Maßnahmen ergriffen, die mich optimistisch stimmen, dass wir auf einem guten Weg sind und auch in Zukunft unsere Ziele erreichen. Es bleibt aber eine riesige Herausforderung.“
Sozialpolitik als Schwerpunkt
Die Grünen-Präsidentin und Abgeordnete Djuna Bernard fordert eine „nationale ressortübergreifende Strategie zur Armutsbekämpfung“ für Luxemburg. „Armutsbekämpfung macht man nicht nur in einem Ministerium“, sagt Bernard. Das umfasse das Gesundheits-, Arbeits-, Wohnungsbau und das Familienministerium. „Die bisher beschlossenen Maßnahmen reichen nicht aus“, sagt die Abgeordnete. Zwar hätten die Reform des Einkommens zur sozialen Eingliederung („Revis“), die Indexierung des Kindergeldes, der Steuerkredit für Alleinerziehende und die Energieprämie dazu beigetragen, mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen. „Wir stellen jedoch fest, dass diese Hilfen schon in wirtschaftlich guten Zeiten nicht immer ausreichen – in wirtschaftlich schwierigen Zeiten reichen diese nicht aus. Dafür braucht es eine strukturelle Reform und keine Symptombehandlung.“
Housing first
Das „Housing first“-Konzept ist ein sozialpolitischer Ansatz, der erstmals in den USA entwickelt wurde und seit kurzer Zeit auch in vielen Ländern Europas durchgesetzt wird. Obdachlosen wird ohne Gegenleistung oder sonstigen Voraussetzungen wie Abstinenz oder Therapiezwang eine eigene Wohnung zur Verfügung gestellt. Das Konzept wird von der Europäischen Kommission als „kostenwirksames Modell“ umworben und wird in vielen Ländern als einer der Gründe für sinkenden Obdachlosenzahlen angesehen.
Bernard stellt dann auch einen ersten Grundriss einer solchen Reform vor, die eine Anpassung der Beihilfen an die tatsächlichen Lebenskosten und eine dezentralisierte und individualisierte Betreuung im Rahmen der Obdachlosenhilfe beinhaltet. Auch soll der Zugang zu medizinischen und psychologischen Hilfeleistungen gesichert werden, der Personalschlüssel in den Sozialämtern angepasst und finanzielle Hilfeleistungen sollen unter vereinfachten Bedingungen zur Verfügung gestellt werden. Letztendlich soll auch eine „Housing first“-Offensive gestartet werden. „Wir wissen, dass eine eigene Wohnung eine maßgebliche Schwelle bei der Reintegration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt spielt“, sagt Bernard.
Ewiges Sorgenkind
Semiray Ahmedova, Abgeordnete von „déi gréng“ und Präsidentin der „Logement“-Kommission in der Chamber erklärt ihrerseits, dass die Bekämpfung der Armut auch mit der Wohnungskrise Hand in Hand gehe. „Deshalb haben wir die Ausgaben in diesem Bereich Bereich vervielfacht“, sagt Ahmedova. 220 Millionen Euro habe der Staat dieses Jahr für den Bau von neuem Wohnraum ausgegeben. 2017 habe die Summe noch bei 40 Millionen gelegen. „Ziel ist es, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der in öffentlicher Hand bleiben soll. Durch den Verlust der Sozialwohnungen hat Luxemburg seine Resilienz im Wohnungsbereich verloren.“ Auch blickt Ahmedova auf die vor kurzem präsentierten Reformen des Mietgesetzes und der Grundsteuer, sowie die Einführung einer Mobilisierungs- und Leerstandssteuer zurück. „Der Mietzuschuss wurde im August erhöht, die Auszahlungen sind um 80 Prozent gestiegen“, sagt die Grünen-Politikerin. Es seien die sozial Schwächeren, die bis zu 40 Prozent ihres Einkommens für ihre Miete ausgeben würden. „Davon sind in Luxemburg 18.000 Leute betroffen.“
Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) hat bei der Vorstellung der Grundsteuerreform ebenfalls auf die Notwendigkeit des Baulandvertrages hingewiesen, die bereits ihr Vorgänger Dan Kersch in die parlamentarische Prozedur gegeben haben soll. „Dieser liegt derzeit beim Staatsrat“, sagen die Grünen-Abgeordneten auf Tageblatt-Nachfrage. Im Baulandvertrag sollen unter anderem Fristen für Arbeiten am Bau festgelegt werden. Ziel soll es sein, mehr Bauflächen für den Wohnungsbau zu mobilisieren.
Alles dreimol neischt,just Privilegien,dem Bierger nëmmen
virgaukelen,Gréng ass schons laang nëtt méi gréng.