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Lust zu lesenTreibsand Familie: Damon Galguts „Das Versprechen“ blickt auf die letzten 32 Jahre Südafrikas

Lust zu lesen / Treibsand Familie: Damon Galguts „Das Versprechen“ blickt auf die letzten 32 Jahre Südafrikas
Damon Galgut Foto: Michaela Verity

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In seinem neuen Roman erzählt Damon Galgut von der weißen Familie Swart und öffnet so die letzten 32 Jahre Südafrikas. Nicht umsonst hat „Das Versprechen“ den renommierten Booker-Preis bekommen, meint Guy Helminger.

Die Swarts leben auf einer Farm außerhalb von Pretoria, als Rachel, gerade einmal 40 Jahre alt, 1986 an Krebs stirbt. Kurz vor ihrem Tod hat sie ihrem Mann Manie das Versprechen abgenommen, dass die schwarze Hausangestellte Salome das Lombard-Haus, in dem sie schon lange wohnt, bekommen soll. Amor, die jüngste Tochter der beiden, war bei diesem Versprechen mit im Zimmer und sie erzählt das Ganze ihren Geschwistern, Anton und Astrid sowie dem Sohn Salomes. Aber keiner kümmert sich darum. Manie leugnet, etwas versprochen zu haben, Tante Marina findet den Gedanken, einer Schwarzen ein Haus zu schenken, abwegig und Anton weist darauf hin, dass die Gesetze ein solches Vorgehen nicht erlauben. Nur Amor hält am Gedanken fest.

In vier Kapiteln, die jeweils an den Tod eines der Protagonisten geknüpft sind, berichtet Galgut vom Untergang der Swarts, von ihren Feindschaften, ihrer Verbohrtheit, aber auch ihrer Unfähigkeit, sich eine veränderte Zukunft vorzustellen. Sie sind derart festbetoniert in ihren Perspektiven, dass sie selbst zuweilen grotesk wirken, obwohl sie ihre gesamte Umwelt für grotesk erklären. Das Apartheid-Denken ist fester Bestandteil ihrer Realität, genauso wie das Privilegiertsein. Deshalb versteht auch niemand Amor, die sich zurückzieht, erst nach England, dann als Krankenschwester nach Durban, obwohl sie vom Geld des Vaters gut leben könnte, ohne zu arbeiten. Der Treibsand, der eine Grundkomponente dieser Familie ist und alle hinabzieht in eine beängstigende Bodenlosigkeit und der ebenso Teil des Landes Südafrika selbst ist, findet sich auch in den einzelnen Figuren, deren Fähigkeiten, ihrem Leben einen Sinn zu geben, beschränkt sind. Alle haben sie Träume, versinken aber in der Bescheidenheit ihres Daseins und sehen sich irgendwann an ein Leben gekettet, das sie so nie wollten. Weshalb auch Religion, Spiritualität eine wichtige Rolle im Roman spielt, bietet sie doch die Möglichkeit, der Existenzfalle ein scheinbares Schnippchen zu schlagen.

Galgut erzählt diesen Untergang und den Versuch, ihm standzuhalten, indem er ständig die Perspektive wechselt, mal auktorialer Erzähler ist, dann den Text als Bewusstseinsstrom einer Figur fließen lässt, um im nächsten Moment direkt die Leser anzusprechen. Dieses „Zerfetzen“ eines einheitlichen Narratives ist Programm und spiegelt exakt das, was der Roman verhandelt, wider. Was nach schwieriger Lektüre klingt, ist es keineswegs. „Das Versprechen“ ist im besten Sinne unterhaltsam, dabei raffiniert komponiert, verbindet Einzelschicksal mit der Geschichte eines Landes und ist zudem humorvoll bei aller berichteten Tragik. Ein großer Roman, wie schon so manche Galgut-Veröffentlichung davor.

Damon Galgut<br />
„Das Versprechen“<br />
Aus dem südafrikanischen Englisch von Thomas Mohr<br />
Luchterhand 2021<br />
368 S., 24 Euro
Damon Galgut
„Das Versprechen“
Aus dem südafrikanischen Englisch von Thomas Mohr
Luchterhand 2021
368 S., 24 Euro