Mit dem zweiten Tripartite-Abkommen innerhalb von sechs Monaten mehren sich auch kritische Stimmen am Luxemburger Eigenweg. Die Dreierrunde sei nicht demokratisch legitimiert und die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen ein Unding in Sachen Transparenz. Die Kritik ist verständlich – aber nur teilweise angebracht.
Tatsächlich war Luxemburg in den letzten sechs Monaten ganz im Bann der Tripartite gefangen. Kaum waren die Arbeiten am ersten Abkommen abgeschlossen, deutete sich bereits an, dass eine weitere Runde wohl unausweichlich sein würde. Und so kam es dann auch, als sich Regierung, Gewerkschaftsvertreter und Patronat im September wieder auf Schloss Senningen einfanden, um über weitere Hilfsmaßnahmen zu diskutieren.
So weit, so gut, doch: Was viele an der Tripartite beanstanden, ist der Mangel an Transparenz, finden die Verhandlungen doch hinter verschlossenen Türen statt. Den Journalisten ist während der Verhandlungen nicht einmal gestattet, einen Blick durchs Fenster in den Sitzungsraum zu werfen. Tatsächlich kann man sich die Frage stellen, ob Patronatsvertreter den Sozialstaat auch dann so schamlos angreifen würden, wenn die Verhandlungen live übertragen würden.
Klar müssen bei den Verhandlungen die einzelnen Standpunkte offen dargelegt werden, ohne direkt weitgehende Konsequenzen befürchten zu müssen. Wer jedoch eine Lohn-Karenzzeit im Krankheitsfall als Diskussionsbasis vorlegt, sollte sich weniger um Verhandlungsregeln als um allgemeine Anstandsregeln sorgen.
Der zweite Kritikpunkt ist der, dass die Tripartite eigentlich nicht die Befugnis haben sollte, um solch weittragende Beschlüsse zu fassen, da keiner der Verhandlungspartner am Tisch durch eine direkte, freie und allgemeine Wahl dazu legitimiert ist. Diese Feststellung an sich ist richtig, die Prämisse stimmt jedoch nicht ganz. Denn es liegt am Luxemburger Parlament, die Beschlüsse der Tripartite abzusegnen und in Gesetzesform zu gießen.
Wenn die Herbst-Tripartite mit den Unterschriften aller beteiligten Verhandlungspartner nämlich ihr Ende gefunden hat, geht die Arbeit der Parlamentarier zur Umsetzung der im „Solidaritéitspak 2.0“ verankerten Maßnahmen in der Spezialkommission „Tripartite“ erst los. Dass die dargelegte Argumentation trotzdem zustimmende Anerkennung findet, ist der Tatsache geschuldet, dass die Gewaltentrennung in Luxemburg zusehends zwischen Opposition und Mehrheit im Parlament und nicht, wie eigentlich verfassungsmäßig vorgesehen, zwischen Exekutive und Legislative verläuft. Koalitionsräson und „31-29-Denken“ lassen grüßen.
Dabei sind es aber gerade die Arbeiten am letzten Tripartite-Gesetz, die gezeigt haben, dass das Luxemburger Parlament von seinem Mitbestimmungsrecht Gebrauch macht, falls nötig. Der Passus, der eine Verschiebung möglicher Indextranchen auf den 1. April 2024 vorsah, wurde aus dem Tripartite-Gesetz gestrichen. Die Artikel zum Index im Tripartite-Gesetz haben schließlich nur die Tranche betroffen, die im kommenden April ausgezahlt wird – und haben dem Tripartite-Abkommen somit direkt widersprochen. Das Parlament muss auch dieses Mal wieder seine Rolle wahrnehmen – und dem Luxemburger Sozialdialog wie auch dem „Solidaritéitspak 2.0“ die nötige demokratische Legitimität verschaffen.
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