13 Seiten – damit ist das Tripartite-Abkommen, das Regierung, Arbeitgeber und Gewerkschaften am Mittwochmittag im Staatsministerium unterzeichnet haben, etwas dicker als sein umstrittenes, achtseitiges Vorläufer-Exemplar aus dem März dieses Jahres. Wie jenes soll aber auch das September-Abkommen vor allem eines: entlasten. Es soll Luxemburger Arbeitnehmern, Unternehmen und Einwohnern in der Energiekrise helfen. Das Papier besteht aus einer Präambel, die die aktuelle Situation und die Entwicklung, die zu ihr geführt hat, erklärt. Danach folgen drei Kapitel, die die Entlastungsmaßnahmen für Bürger und Arbeitnehmer, Unternehmen und Bauherren beschreiben. Wie beim Vorgänger müssen für viele davon jetzt erst die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden.
Aber es gibt schon mal ein (provisorisches) Preisschild: „Für die Umsetzung der genannten Maßnahmen in den Jahren 2022 und 2023 hat die Regierung einen Haushaltsrahmen von 1,1 Milliarden Euro bereitgestellt“, wird auf der letzten Seite festgehalten. Und auch der Index kommt ganz zum Schluss abermals zu besonderen Ehren – in einer potenziell folgenschweren Aussage: „Dans le cas où une troisième tranche indiciaire (prenant en compte la tranche déclenchée en juillet 2022 et appliquée en avril 2023) serait appliquée au cours de l’année 2023, le Gouvernement s’engage à compenser entièrement l’impact sur les salaires des entreprises.“ Im Falle einer dritten Indextranche über die prognostizierte und die vom Sommer 2022 verschobene hinaus, will die Regierung also die Auswirkungen auf die Löhne der Arbeitnehmer in den Luxemburger Unternehmen komplett kompensieren. Diese Verpflichtung soll auf Ebene des Gesetzesentwurfs für den Staatshaushalt 2023 aufgegriffen werden.
Falls sich die wirtschaftliche oder soziale Lage im Laufe des Jahres 2023 erheblich verschlechtert, will die Regierung erneut die Tripartite einberufen. Und falls die Statistikbehörde Statec im Laufe von 2023 feststellt, dass ein Ende der Maßnahmen Ende 2023 einen Inflationsschock Anfang 2024 auslösen würde, verpflichtet sich die Regierung, ebenfalls eine neue Tripartite einzuberufen, um eine mögliche Staffelung des Auslaufens der Maßnahmen zu prüfen.
Maßnahmen für Haushalte
LOHNINDEXIERUNG
Jede zukünftige Indextranche wird angewendet. Die Tranche, die – wie im letzten Tripartite-Abkommen vereinbart – im Sommer 2022 verschoben wurde, wird wie geplant im April 2023 ausgezahlt
GASPREISBREMSE
Der Preisanstieg beim Gas wird auf 15 Prozent im Vergleich zum durchschnittlichen Preisniveau im September 2022 gedeckelt. Damit sollen die Auswirkungen der angekündigten Gaspreiserhöhungen für die Haushalte verringert werden – und damit auch die Inflation. Errechnet wird der genaue Betrag anhand des Durchschnitts der Preise, die die Lieferanten den Haushaltskunden in Rechnung stellen.
Die Entlastung soll sich unmittelbar in den von diesen Kunden zu zahlenden Vorauszahlungen widerspiegeln. Bezahlt wird die Maßnahme vom Staat – egal, wie hoch der Gaspreis steigt. „Der staatliche Beitrag wird in regelmäßigen Abständen an die tatsächliche Entwicklung der Marktpreise angepasst.“ Die Maßnahme gilt länger als ein Jahr: von Oktober 2022 bis Dezember 2023. Wie schon seit dem Frühjahr werden auch die Netzkosten bis Dezember 2023 weiter vom Staat übernommen. Von der Maßnahme profitieren alle Kunden mit einem Gaszähler mit einem Durchfluss von weniger als 65 Kubikmetern Gas pro Stunde. Kunden, die an ein Fernwärmenetz angeschlossen sind, werden nach noch festzulegenden Modalitäten in die Maßnahme mit einbezogen.
STROMPREISBREMSE
Die Strompreise sollen ab Januar 2023 ansteigen. Um die „Wettbewerbsfähigkeit des Energieträgers Strom gegenüber Erdgas und Erdölprodukten zu gewährleisten“, werden die Preise für Elektrizität für Haushalte mit einem Verbrauch von weniger als 25.000 Kilowattstunden im Jahr auf dem Niveau von 2022 „stabilisiert“. Die Maßnahme soll auf Grundlage des bestehenden Ausgleichsmechanismus für erneuerbare Energien realisiert werden und aus dessen „Reserven“ finanziert werden. Falls das nicht reicht, sollen Mittel aus dem Staatshaushalt bereitgestellt werden.
SUBVENTIONEN FÜR HEIZÖL
Die Regierung verdoppelt ihre Zulagen für Heizöl. Bereits seit dem 12. Mai wird es mit 7,5 Cent pro Liter subventioniert, ab November 2022 sollen es 15 Cent sein. Die Maßnahme soll bis Dezember 2023 gelten.
SENKUNG DER MEHRWERTSTEUER
Die Regierung senkt vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2023 die Mehrwertsteuer von 17 auf 16 Prozent. Der „taux intermédiaire“ der Mehrwertsteuer wird von 14 auf 13 Prozent gesenkt, die reduzierte Mehrwertsteuer von 8 auf 7 Prozent. Die Regierung und die Arbeitgeberseite appellieren an die Unternehmen, diese Steuerreduktion auch auf die Preise anzuwenden, damit sie ihren „vollen Nutzen zum Abbremsen der Inflation“ entfalten kann.
UNTERSUCHUNG EINER SUBVENTION FÜR FLÜSSIGGAS FÜR HAUSHALTE
Die Regierung will analysieren, ob es Bedarf und Möglichkeiten für Unterstützungen für Haushalte gibt, die Flüssiggas in Tanks zum Heizen nutzen.
ANPASSUNG DES SOZIALEN MINDESTLOHNS AN DIE ENTWICKLUNG DES DURCHSCHNITTSLOHNS
Die Regierung will ihren Bericht, den sie regelmäßig über die wirtschaftlichen Bedingungen und die Löhne verfasst, nutzen, um dem Parlament ein Gesetz vorzuschlagen, das den Sozialen Mindestlohn an die Entwicklung des Durchschnittslohns anpasst.
FORTFÜHRUNG DER ENERGIEPRÄMIE FÜR BEZIEHER DER TEUERUNGSZULAGE
Die Energieprämie für Haushalte mit niedrigen Einkommen soll 2023 fortgesetzt werden. Haushalte, die die Teuerungszulage („Allocation vie chère“) beziehen, sollen eine einmalige Prämie von 200 bis 400 Euro bekommen. Ausschlaggebend ist dabei die Größe des Haushalts.
Die einmalige Prämie kann auch von Haushalten beantragt werden, die nicht die Teuerungszulage erhalten, aber ein Einkommen von bis zu 25 Prozent über dem Schwellenwert für diese beziehen.
STAATLICHE BETEILIGUNG AN DEN ENERGIEKOSTEN VON PFLEGEHEIMEN UND ANDEREN EINRICHTUNGEN
Ab 1. Oktober sollen CIPAs, Pflegeheime, Einrichtungen für betreutes Wohnen oder geriatrische Tageszentren Unterstützung bei ihren Energiekosten erhalten. Der Beitrag wird auf der Grundlage ihrer Kosten im Vergleich zum Zeitraum von 2019 bis zum Juni 2022 berechnet. Im Gegenzug verpflichten sich die Anbieter, ihre Preise für den Geltungszeitraum des Abkommens nicht zu erhöhen – mit Ausnahme von Anpassungen durch den Index.
Maßnahmen für Unternehmen
BEIHILFEN FÜR FIRMEN, DIE BESONDERS STARK VON DEN STEIGENDEN ENERGIEPREISEN BETROFFEN SIND
Die Regierung will ihre Unterstützung für diese Unternehmen „ausweiten und es ihnen erleichtern, langfristige Verträge abzuschließen“. Mithilfe von Unterstützungsleistungen und „langfristigen Verträgen“ will die Regierung ein „Level playing field“ für Luxemburger Firmen herstellen. Das gilt im Vergleich zu Mitbewerbern, die in ihren Heimatländern wegen der Unterstützungsleistungen einen Wettbewerbsvorteil haben.
Die bereits laufenden Beihilfen sollen – im Rahmen der Möglichkeiten, die die EU zulässt – verändert und ausgeweitet werden. Das ursprüngliche Energiebeihilfen-Gesetz habe vorgesehen, dass eine Beihilfe von bis zu zwei Millionen Euro möglich ist. Ändern soll sich hier der Referenzzeitraum, der sich nicht mehr auf das Jahr 2021 beziehen soll, sondern auf den Monat, in dem eine Hilfsleistung beantragt wurde.
NEUE ENERGIEHILFEN FÜR UNTERNEHMEN
Im Rahmen des „Temporary Crisis Framework“ der EU soll eine neue Energiebeihilfe eingeführt werden, die Unternehmen unterstützen soll, deren Energiekosten „mindestens zwei Prozent ihres Umsatzes in dem Monat, für den sie einen Antrag gestellt haben“ ausmachen. Ab Preissteigerungen von 80 Prozent beim Gas oder Strom im Vergleich zu 2021 kann demnach ein Zuschuss gewährt werden. Dieser kann 70 Prozent der Kosten abdecken, die über 80 Prozent hinausgehen.
Die Maßnahme soll von Oktober 2022 bis Juni 2023 gelten – falls die EU-Kommission das Temporary Crisis Framework verlängert.
Anpassung von Steuervergünstigungen
Die Regierung will die Steuervergünstigungen für Investitionen anpassen und modernisieren. Damit sollen Investitionen Luxemburger Unternehmen in die Digitalisierung von Produktionsanlagen oder erbrachte Dienstleistungen unterstützt werden. Auch Investitionen, die den energetischen oder ökologischen Wandel betreffen, sollen unterstützt werden. Die Neuordnung soll keinen Effekt auf den Staatshaushalt haben. Ein entsprechender Gesetzesentwurf soll 2023 vorgelegt werden, 2024 soll das Gesetz in Kraft treten.
Änderung des Gesetzes zur „Work-Life-Balance“
Die Arbeitsgesetzgebung soll so geändert werden, dass der Staat für die Hälfte der Kosten von Unternehmen oder Behörden aufkommt, wenn Mitarbeiter auf „Congé pour raisons de force majeure liée à des raisons familiales urgentes“ zurückgreifen. Eine Bilanz der Maßnahme soll 2023 gezogen werden – und dann eine Entscheidung über eine Verlängerung getroffen werden.
Förderung des Eigenverbrauchs von Solarstrom
Die Regierung will Unternehmen dazu ermutigen, Energie direkt über „Power purchase agreements“ (PPA) zu beziehen. Diese sollen sowohl zur Wettbewerbsfähigkeit der Firmen in der Krise als auch zur Energiewende beitragen. Dazu sollen neue „De-risking“- Instrumente für Sektoren entwickelt werden, die besonders gefährdet sind, durch Energiekosten einen Wettbewerbsnachteil zu haben. Durch diese Instrumente sollen die Formen Beihilfen erhalten, die die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem im Rahmen eines PPA gezahlten Energiepreis ausgleichen – falls dieser höher liegt. Die Beihilfe soll nicht mehr als zwei Drittel der Differenz betragen und maximal 65 Euro pro Megawattstunde betragen.
Abschaffung der Vorauszahlungen bei den Sozialbeiträgen
Arbeitgeber, Landwirte und Gewerbetreibende müssen ab 1. Januar keine Vorauszahlungen mehr für die Sozialversicherung leisten. Die Abschaffung soll eine ausgewogenere Verteilung der Sozialversicherungsbeiträge in den einzelnen Monaten im Jahresverlauf ermöglichen. Die Abschaffung der Vorauszahlung bedeutet auch eine Verringerung der Beitragslast um eine Monatsrate – ein Betrag, der zur Finanzierung der Indextranche zur Verfügung steht, die in diesem Sommer verschoben wurde und im April 2023 ausgezahlt werden soll.
Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende
Erhöhung der Förderung für moderne Heizungen
Der Staat will den „Klimabonus“-Zuschuss beim Ersetzen einer Heizung, die mit fossilen Energieträgern betrieben wird, auf 50 Prozent erhöhen. Bezuschusst werden Wärmepumpen, Hybrid-Wärmepumpen und Holzheizungen. Die Maßnahmen betreffen alle Anlagen, die zwischen dem 1. November 2022 und dem 31. Dezember 2023 bestellt werden.
Zuschuss auf Klimabonus-Finanzhilfen für Fotovoltaik
„Klimabonus“-Förderungen für Fotovoltaik-Anlagen sollen mit 25 Prozent bezuschusst werden – unter der Bedingung, dass der Antragsteller die Anlage auch zum Eigenkonsum nutzt oder Teil einer Energiegenossenschaft ist. Die Maßnahme gilt vom 1. Januar bis 31. Dezember 2023. Zudem soll die Mehrwertsteuer auf Fotovoltaik-Anlagen ab 1. Januar um drei Prozent gesenkt werden. Die Vergütungsdegression bei neuen Anlagen soll ebenfalls ab dem 1. Januar ausgesetzt werden.
Zuschuss für energetische Sanierungen
„Klimabonus“-Förderungen für energetische Sanierungen sollen mit 25 Prozent bezuschusst werden. Die Maßnahme gilt vom 1. November bis 31. Dezember. 2023.
Abschwächung des Preisanstiegs bei Holzpellets
Haushalten, die mit Holzpellets heißen, soll eine Maßnahme helfen, die den Preisanstieg bei diesem Brennstoff abschwächt.
A schons meckert den Luxusbierger. Nie zefridden. Emmer soueren. Sot einfach merci. Oder as dat ze schweier.?
"unter der Bedingung, dass der Antragsteller die Anlage auch zum Eigenkonsum nutzt oder Teil einer Energiegenossenschaft ist."
Was bedeutet das denn genau? Bei Eigenkonsum muss ich doch speichern können, wurde bisher nicht erlaubt, laut ENOVOS.
Brauche dann Akkus?
Tobias, bitte informieren!
"Bezuschusst werden Wärmepumpen," A propos, das scheint was für Grossverdiener zu sein. Meine ersten Anfragen (10 insgesamt) zur Installation einer Luft-Luft Wärmepumpe (ca. 16 kW Leistung) waren ab Ende Februar, noch vor Putins "Sanierungsarbeiten". Gestern dann das erste Angebot, sogar mit 50% Zuschuss vom Staat nicht zu stemmen. Lieferzeit 8-10 Monate mindestens. Bank sagt ich sollte es vorerst reiflich überlegen einen Kredit aufzunehmen.
Die Italiener machen das besser, mancherorts 75% Zuschuss vom Staat und Gemeinden.
Wo bleibt der Anreiz zum Energiesparen? Haushalte bist zu einem Stromverbrauch von 25.000 KWh zu unterstützen, das ist doch Irrsinn! Das klingt sehr nach einem Sorglos-packet auf kosten der Gemeinschaft.