In der Tat hat Luxemburg eine Geschichte, was den Weltraum angeht. Die SES wurde immerhin schon 1985 gegründet und hat sich seitdem zu einem milliardenschweren Unternehmen entwickelt, was Millionen Fernsehzuschauer und das US-Militär gleichermaßen mit seinen Dienstleistungen versorgt.
Doch als Pionier kann Luxemburg höchstens in der zivilen, kommerziellen Nutzung des Weltraums gelten. Immerhin hatte die erste Mondlandung bereits 1969 stattgefunden. Laika hatte die Erde bereits 1957 in ihrer Kapsel umrundet und Juri Gagarin war 1961 der erste Mensch im Weltall.
Der Himmel ist voller geworden
Seit dem kalten Krieg und dem Wettlauf in den Weltraum ist es am Himmel voller geworden. China und Indien haben sehr aktive Weltraumprogramme. Und mit SpaceX gibt es seit einigen Jahren auch eine private Trägerplattform, mit der auch die Satelliten von SES ins Weltraum befördert werden. Und Luxemburg? Mit seiner Space-Mining-Offensive hat der Wirtschaftsminister nicht nur in Luxemburg für Aufsehen gesorgt. Wirtschafts- und Wissenschaftspublikationen in der ganzen Welt interessierten sich für die Idee Luxemburgs, mit einem neuen Weltraumgesetz das Schürfen nach Rohstoffen auf Asteroiden zu regeln und so Unternehmen, die sich in Luxemburg ansiedeln, Rechtssicherheit zu geben. Dass der ehemalige ESA-Direktor Jean-Jacques Dordain als Berater des Ministers fungierte, war dem Interesse wenigstens am Anfang bestimmt nicht abträglich. Luxemburg interessiert sich also am Weltall und die Welt interessiert sich an Luxemburgs Interesse für den Weltall. Aber das Weltall …
Der Science-Fiction-Autor Douglas Adams sinnierte in seinem über alle Maßen großartigen Buch „Per Anhalter durch die Galaxie“ über das All: „Der Weltraum ist groß. Verdammt groß. Du kannst dir einfach nicht vorstellen, wie groß, gigantisch, wahnsinnig riesenhaft der Weltraum ist. Du glaubst vielleicht, die Straße runter bis zur Drogerie ist eine ganze Ecke, aber das ist ein Klacks verglichen mit dem Weltraum …“
Sterne und Galaxien
Und trotzdem: Wer sich im Weltall „breitmacht“, sollte seine Nachbarschaft kennen. Wenigsten den Weg die Straße runter bis zur Drogerie.
Der Planet Erde ist – von der Sonne aus gesehen – der dritte im Sonnensystem. Eine kleine blaue Perle, umgeben von einer Wolke aus Weltraumschrott und einem für die Masse des Planeten relativ großen Mond.
Fun Fact: Die Sonne macht 99,85 Prozent der Masse des Sonnensystems aus. Für das Space Mining kommt also nur ein winziger Teil des Systems in Frage.
Das Sonnensystem wiederum befindet sich in einer Balken-Spiral-Galaxie namens Milchstraße. Relativ am Rande. Würden wir uns weiter im Zentrum befinden, wäre der Nachthimmel wahrscheinlich um einiges heller, denn dort ist die Sternendichte weitaus höher als bei uns hier draußen. (Abgesehen davon, dass wir die Sterne selbst dann nicht sehen könnten, weil Luxemburg unter einer enormen Lichtverschmutzung leidet, wie eine rezente Studie im Auftrag der Regierung belegte). An der breitesten Stelle ist die Milchstraße 180.000 Lichtjahre breit. Das entspricht umgerechnet etwa 55.000 Parsec – für diejenigen, die damit mehr anfangen können. Das ist immerhin so groß, dass Captain Kirk, wenn er „in Galaxien vordringt, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat“, dabei die Milchstraße nicht verlässt und sich in Wirklichkeit immer in unmittelbarer Nähe der Erde befindet. Von diesen Galaxien gibt es gleich eine ganze Menge im Universum. Forscher der Universität Nottingham schätzen ihre Zahl im beobachtbaren Universum auf „rund“ eine Billion.
Lange nicht am Ende
Fun Fact: Das Wort Galaxie leitet sich vom griechischen Wort „galaxias“ ab – zu Deutsch „milchig“. Demnach bezeichnen wir also im Grunde jede größere Ballung von Sternen als Milchstraße. Damit sind wir jedoch noch lange nicht am Ende. Denn die Milchstraße ist Teil der Lokalen Gruppe. Die Lokale Gruppe ist ein Galaxienhaufen mit einem Durchmesser von 5 bis 8 Millionen Lichtjahren. Die Milchstraße und die Andromedagalaxie sind die beiden größten Schwergewichte der Lokalen Gruppe. Daneben enthält die Lokale Gruppe noch rund 100 andere, kleinere Galaxien. Die Lokale Gruppe wiederum bildet einen Ausläufer des VirgoSuperhaufens (auch Lokaler Superhaufen genannt). Dieser Superhaufen besteht aus etwa 100 bis 200 Galaxienhaufen – darunter die Lokale Gruppe. Sein Zentrum ist der Virgo-Galaxienhaufen, der in etwa 54 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Damit sind wir allerdings noch nicht am Ende.
Der Virgo-Supercluster ist eigentlich nur ein Teil von Laniakea, dem lokalen Supergalaxienhaufen. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung von 100.000 Galaxien, darunter die winzige Milchstraße. Laniakeas Ausdehnung beträgt rund 520 Millionen Lichtjahre (160 Megaparsec).
An dieser Stelle wird es schwierig: Wir wissen zwar, dass es in unserer „unmittelbaren“ Nähe die Superhaufen Shapley, Herkules, Coma und Perseus-Pisces gibt. Wie groß diese sind, ist allerdings noch nicht bekannt. Und dann sind da noch die „Voids“, die riesigen Hohlräume, die es überall im Universum gibt. Die Materie im Universum verteilt sich Beobachtungen und Simulationen zufolge nach einer Wabenstruktur. Sie wird gebildet durch die Filamente, die sich um die dazwischenliegenden riesigen Voids schlängeln. Douglas Adams hatte also recht. Das Universum ist „verdammt groß“.
Und wir? Die Atmosphäre zu verlassen und im Sonnensystem aktiv zu werden, Space Mining zu betreiben, mag gewagt oder utopisch klingen. Kosmologisch betrachtet … Die Menschheit erreicht nach heutiger Definition nicht einmal die erste Stufe der Kardaschow-Skala. Bei der Kardaschow-Skala handelt es sich um eine von dem russischen Astronomen Nikolai Kardaschow 1964 vorgeschlagene Kategorisierung der Entwicklungsstufe extraterrestrischer Zivilisationen nach ihrem Energiegebrauch.
Genug Energie
Eine Zivilisation vom Typ 1 ist in der Lage, die gesamte Energie, die auf einem Planeten zur Verfügung steht, zu nutzen. Eine Zivilisation vom Typ 2 ist in der Lage, die gesamte Leistung des Zentralsterns zu nutzen. Eine Zivilisation vom Typ 3 ist in der Lage, die gesamte Leistung ihrer Galaxie zu nutzen.
Eine der bekanntesten Ideen, wie sich die gesamte Energie eines Sterns nutzen lassen kann, ist eine Dyson-Sphäre. Eine riesige kugelförmige Hülle um einen Stern, die die komplette Energie auffängt und der Zivilisation zur Verfügung stellt.
Freeman Dyson beschrieb diese Struktur im Rahmen der Suche nach außerirdischem Leben. Dass er selbst die Theorie später als „Joke“ bezeichnete, tut heute kaum noch was zur Sache. Schon gar nicht für die unzähligen weltraumbegeisterten Menschen, die 2015 ins Träumen gerieten, als sie von einer Entdeckung im Sternensystem KIC 8462852 – auch Tabbys Stern genannt – lasen. The Atlantic nannte Trabby auch „The most mysterious star in our galaxy“. Der Grund: Forscher glauben, dass um diesen Stern ein „seltsames Gewirr von Objekten herumschwirrt“, wie es eloquent The Atlantic ausdrückte.
Besiedlung des Weltraums in einem Halbsatz
Es dauerte nicht lange, bis die Theorie aufkam, dabei handele es sich um künstliche Artefakte. Jason Wright, ein Astronom der Penn State University, stellte die Theorie in den Raum, dabei könne es sich um einen Hinweis auf außerirdisches Leben handeln. Die Rede ging von einem „Schwarm von Mega-Strukturen“ – vielleicht eine riesige Flotte von fliegenden Sonnenkollektoren, die wie eine Dyson-Sphäre funktionieren. Ein Hinweis auf Außerirdische? Ganz auszuschließen ist es natürlich nicht. Aber es gibt auch andere Erklärungsansätze.
Und unsere erste kosmische Megastruktur? Langsam! Space Mining ist ein erster Schritt dorthin. Wasser, das auf Asteroiden geschürft wird, kann etwa als Treibstoff eingesetzt werden.
Dass der Wirtschaftsminister bei einer Pressekonferenz in einem Halbsatz die Besiedlung des Weltraums erwähnt hat, lässt Raum für Träume dieser Art. Aber es wird dauern. Und die Voraussetzungen sind längst nicht alle gegeben. Der Mensch ist furchtbar schlecht an das Leben im Weltraum angepasst. Manche würden sagen, dass der Mensch sogar furchtbar schlecht an das Leben auf der Erde angepasst ist. An eine Besiedlung des Weltraums ist also ohne weiteren technologischen Fortschritt gar nicht zu denken.
Und dann gibt es da noch eine andere winzige Kleinigkeit. Durch Albert Einstein wissen wir, dass die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum eine unüberwindbare Geschwindigkeitsgrenze sowohl für Energie wie für Materie ist. Sogar mit Lichtgeschwindigkeit bräuchten wir jedoch mehr als vier Jahre, um Proxima Centauri – unseren Nachbarstern – zu erreichen. Zum Zentrum der Milchstraße bräuchten wir 26.000 Jahre.
Bislang halten wir also gerade einmal einen Zeh in das kosmische Schwimmbecken. Ganz ohne Wellen zu schlagen. Und dem Universum ist es egal.
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