Der lachende Kothaufen ist schon lange auf den Handytastaturen der Welt zu Hause. Aber warum gibt es kein trauriges Gegenstück zu ihm? Auch der Brotlaib und das Croissant gehören zu den Standards, der Bagel fehlt dagegen bisher. Und wie kann das emotionale Vokabular der Nutzer komplett sein ohne einen Teddybären, einen Hummer, eine Petrischale oder einen Zahn?
Solche Fragen lösen hitzige Debatten aus unter den Mitgliedern des gemeinnützigen Unicode-Konsortiums, das jedes Jahr über die Aufnahme neuer Emojis entscheidet. Bis es ein neues Bildchen auf die Tastaturen schafft, können Jahre vergehen. Denn vorher müssen die Experten klären, ob ein Icon eine größere Bandbreite von Gefühlen ausdrücken kann und wie es genau aussehen soll. Auf den Schultern des Konsortiums lastet hohe Verantwortung: Denn der globale Unicode-Standard prägt die moderne Kommunikation von Milliarden Menschen.
Immer wieder neu
Seit der Erfindung des Buchdrucks habe nichts die Schriftsprache so sehr verändert wie Emojis, sagt die Kommunikationsexpertin Lauren Collister von der Universität in Pittsburgh. «Emojis sind eine Art, wie Sprache wächst», erklärt sie. «Wenn eine Sprache aufhört zu wachsen und sich anzupassen, dann stirbt sie.»
Wachstum und Anpassung scheinen bei Emojis kein Problem zu sein. Unter den Neuzugängen für 2017 waren unter anderem geschlechtsneutrale Charaktere, eine stillende Frau und eine Frau im Hidschab. Das wachsende Vokabular hat der Welt einen Emoji-Kinofilm beschert, Wettbewerbe um die besten Emoji-Kurzgeschichten und ausschließlich mit Emojis verfasste Bücher. Ein Autor übersetzte den Klassiker «Moby-Dick» in «Emoji-Dick». Das Oxford-Wörterbuch erklärte das «Gesicht mit Freudentränen» zum Wort des Jahres 2015.
Das Museum of Modern Art in New York nahm den Original-Emoji-Satz in seine Dauerausstellung auf. Besitzer des iPhone X können sogenannte Animojis verschicken, animierte Emojis, die den eigenen Gesichtsausdruck imitieren und mit der Stimme des Nutzers sprechen. Der Ursprung der kleinen Zeichen geht auf die Zeit der ersten Mobiltelefone zurück. Schon damals prägten die Piktogramme rasch die neue Onlinesprache. Sie entstanden 1999 in Japan, ihr Name Emoji setzt sich zusammen aus den japanischen Wörtern für «Bild», «e», und «Buchstaben», «moji».
Mehr als 1000
Am Anfang gab es lediglich 176 einfache, grobpixelige Symbole wie ein Herz, einen Fußball und ein Schaukelpferd. Heute sind es mehr als 1000. Entfernt werden keine Emojis, es kommen nur weitere hinzu. Vorschläge für neue Icons kann jeder Mensch bei Unicode einreichen.
Damit diese aber auf Handys und Computer auftauchen können, müssen sie von dem Konsortium genehmigt werden. Die überwiegend aus Mitarbeitern großer Tech-Firmen wie Apple, Google und Facebook bestehende Gruppe übersetzt Emojis in einen einheitlichen Standard. So ist beim weltweiten Versenden eines Piktogramms gewährleistet, dass es beim Empfänger unabhängig von Handymarke und Betriebssystem korrekt ankommt.
Für eine mögliche Ablehnung eines Emoji-Vorschlags gibt es viele Gründe. So sollten die Bilder etwa nicht zu spezifisch sein. Auch Logos, konkrete Personen oder Gottheiten kommen nicht in Frage. Auch das Hakenkreuz ist ausgeschlossen. Jedes Jahr wird eine neue Version des Unicode-Standards veröffentlicht. In diesem Jahr war dies Unicode 10.0 mit 8518 neuen Zeichen, darunter dem Bitcoin-Symbol und einem Knödel. Insgesamt waren es damit 136 690 Zeichen.
Vorschläge einschicken
Über Neuaufnahmen wird im Emoji-Unterausschuss von Unicode alle drei Monate ausgiebig und kontrovers diskutiert, wie Mitglied Jennifer 8. Lee berichtet, Journalistin und Autorin aus den USA. Es seien Fragen zu klären wie: Soll «Milch» in einem Glas, einem Tetrapack oder einer Flasche dargestellt werden? Soll das Icon für «Pfannkuchen» aus einem oder mehreren Teigfladen bestehen?
Als Lee und eine Kollegin als neues Icon einen stirnrunzelnden Kothaufen vorschlugen, stießen sie auf Widerstand. «Werden wir als nächstes einen weinenden Kackehaufen haben?», schrieb Konsortiumsmitglied Michael Everson, Sprachwissenschaftler und Typograf, in einem Memo. «Einen Kackehaufen mit herausgestreckter Zunge? Einen Kackehaufen mit Fragezeichen als Ohren? Einen Kackehaufen mit einem Karaoke-Mikrofon? Werden wir einen neutralen gesichtslosen Kackehaufen codieren müssen? Als normaler Nutzer will ich solchen Mist nicht auf meinem Telefon haben.»
Wer ebenfalls eine Idee für ein neues Emoji hat, kann für das Jahr 2019 noch schriftlich begründete Vorschläge abgeben. Die Neuheiten für 2018 werden in wenigen Monaten bekanntgegeben. Neben dem Spaß spielt dabei auch das Thema Vielfalt eine große Rolle, wie die Englisch-Professorin Amy Butcher von Ohio Wesleyan University betont. Auf ein Essay von ihr aus dem Jahr 2015 hin hatte Google Emojis vorgeschlagen, die Frauen im Beruf zeigen und nicht nur als Bräute.
Nach Ansicht Butchers ist es damit aber noch lange nicht getan. Sie wünscht sich unter anderen Emojis mit Paaren unterschiedlicher Hautfarben und mit einem behinderten Menschen im Rollstuhl statt dem bisherigen Symbol eines leeren Rollstuhls, wie es etwa an Toilettentüren hängt. «Diese kleinen, unscheinbaren Bilder fangen an, eine tägliche Geschichte zu erzählen», sagt die Forscherin. «Und es ist höchst problematisch, wenn manche Menschen ihre Identität oder ihr demografisches Profil dort dauerhaft nicht wiederfinden.»
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