Forscher haben einige grundlegende Erkenntnisse zur Alzheimer-Erkrankung gewonnen. Leipziger Mediziner beobachteten exakt, wie schädliche Eiweiße über Nervenfasern in den Hippocampus gelangen. Diese Region spielt im Hirn eine zentrale Rolle für die Gedächtnis-Bildung. Mediziner in Rostock machen dagegen eher einen fehlenden Abtransport der Alzheimer-Eiweiße für die Erkrankung verantwortlich. Eine Studie mit genmanipulierten Mäusen zeige, dass ein Defekt beim sogenannten Transporter ABCC1 einen zwölffachen Anstieg der schädlichen Alzheimer-Peptide (Amyloide) im Gehirn zur Folge habe, berichten sie im US-Fachblatt «The Journal of Clinical Investigation» vom Donnerstag.
Nach Angaben des Rostocker Forschungsleiters Jens Pahnke ließ sich zudem mit dem bereits seit Jahrzehnten bekannten Arzneistoff Thiethylperazin die Menge der Alzheimer-Eiweiße innerhalb von 25 Tagen um rund 70 Prozent senken. Es sei somit das erste Mal gelungen, die Funktion des ABCC1-Transporters für die Alzheimer-Demenz aufzudecken und auch medikamentös zu beeinflussen. Es gelte nun, dieses Medikament weiterzuentwickeln. Pahnke ging davon aus, dass bis zum Einsatz noch weitere fünf Jahre vergehen könnten.
Bislang keine Behandlungsmöglichkeit
«Bei jedem Menschen bilden sich im Gehirn als normaler Vorgang des Alterns die giftigen Stoffe, aus denen die Alzheimer-Plaques bestehen», sagte Pahnke. Bei gesunden Menschen klappt jedoch der Abtransport aus dem Gehirn. Das Resultat der Ablagerungen sei das Absterben der Nervenzellen und somit die Entwicklung einer Demenz. «Wie diese Kaskade bei 99 Prozent der Alzheimer-Patienten funktioniert, ist völlig unbekannt. Nur bei den wenigen familiären Alzheimer-Fällen kennen wir die Ursachen», sagte Pahnke. Bislang seien keine Behandlungsmöglichkeiten bekanntgewesen, die das Erkrankungsalter oder den Verlauf signifikant beeinflussen können.
Derzeit suche das 20-köpfige Forscherteam deutschlandweit Patienten, um die Funktion des neuen Transporters besser bestimmen zu können. Es sei bekannt, dass dessen Funktion durch Lebensmittel, Medikamente oder andere Umwelteinflüsse zu beeinflussen sei. Dafür suchen die Rostocker insbesondere ältere Ehepaare, bei denen ein Partner unter Alzheimer leidet.
Wichtiger Schritt für Alzheimer-Therapie
Nach Worten von Wolfgang Härtig, Alzheimer-Experte von der Universitätsklinik Leipzig, ist die Arbeit Pahnkes ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Alzheimer-Therapie. Zwar seien in den vergangenen Jahren die Möglichkeiten der Diagnose enorm fortgeschritten, bei der Behandlung gebe es aber Stagnation. Die bisherigen Arzneimittel wirkten nicht bei allen Patienten und dann auch nicht länger als ein Jahr. «Jede neue Idee wie die von Pahnke ist da extrem willkommen», sagte Härtig.
Das Team um Prof. Steffen Roßner von der Universität Leipzig stellte am Donnerstag einen Weg vor, wie die bösartigen Proteine über Nervenfasern in den Hippocampus gelangen können. «Wir haben die Transportprozesse in Echtzeit beobachtet», erklärte Roßner nach einer Pressemitteilung der Universität Leipzig. Zudem spiele das Enzym Glutaminyl-Zyklase eine Rolle bei der Krankheitsentstehung. «Es ist das erste Mal, dass im Gehirn von Alzheimer-Patienten der Zusammenhang zwischen diesem Enzym und dem bösartigen Amyloid nachgewiesen wurde», sagte der Hirnforscher. Nun teste sein Team in Zusammenarbeit mit der Hallenser Firma Probiodrug Wirkstoffe, die das Enzym einmal hemmen sollen. Sie haben ihre Arbeit im Fachjournal «Acta Neuropathologica» veröffentlicht.
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