Einst ließen sich mächtige Spanier in dem Luxus-Waggon durchs Land fahren. Diktator Franco reiste im «SS 3» zum historischen Treffen mit Hitler. Nach Jahren auf dem Abstellgleis soll der Wagen nun fertig restauriert werden – aber noch fehlt Geld.
Am Rande eines Dorfes in der Abgeschiedenheit des ländlichen Spaniens rostet seit Jahren ein Zugwaggon vor sich hin, der Geschichte schrieb: Spaniens langjähriger Diktator Francisco Franco hatte sich 1940 in dem einst luxuriösen Waggon zu seinem einzigen Treffen mit Adolf Hitler fahren lassen. Dieses fand in Hendaye auf der französischen Seite der Grenze zu Spanien statt. Bei der Zusammenkunft in Hitlers Waggon «Erika» wurde über einen möglichen Eintritt Spaniens in den Zweiten Weltkrieg beraten.
Trotz seiner historischen Bedeutung ist von der einstigen Pracht des holzvertäfelten Waggons mit der Bezeichnung «SS 3» nicht viel geblieben. Überzogen von einer dicken Schicht Staub und Spinnweben steht er in einer Industriehalle im Ort Almazán in der Region Kastilien-León. Dort ist er zwar vor Wind und Wetter geschützt, doch Einrichtung und die grün-gelbe Außenhülle fehlen fast vollständig.
«Dieser Zugwagen war einmalig, der wichtigste, den es zu seiner Zeit gab», sagt Marisa Muñoz von der gemeinnützigen Organisation Adema, die sich um die Restaurierung kümmert. «Nicht nur, weil er Franco beförderte, sondern weil ihn in einer bestimmten Epoche der (spanischen) Geschichte führende Persönlichkeiten nutzten.» So hatte vor Franco gerne König Alfonso XIII. (1902-1931) darin Platz genommen. Aber für immer verbunden bleibt der Waggon mit dem Augenblick, als Franco an jenem 23. Oktober vor fast 80 Jahren in Hendaye ausstieg, während Hitler ihn am Bahnsteig erwartete.
Derzeit erlauben provisorische Treppen den Zugang ins Innere: zum Salon mit Holzboden und Schiebetüren, zur Küche sowie zum Gang, der zu drei Zimmern führt, eines von ihnen mit eigenem Bad. «Für das Interieur wurden alle edlen Holzarten verarbeitet sowie Intarsienarbeiten gemacht», sagt Muñoz. Eine Intarsie ist eine Dekorationstechnik, bei der auf einer ebenen Oberfläche verschiedene Hölzer ineinander gelegt werden – an einer Wand des Waggons ist so eine Arbeit mit Blumenmotiven heute noch zu erkennen.
Franco kam zu spät zum Treffen mit Hitler
1929 gebaut von der Spanischen Gesellschaft für Schiffsbau ging der Waggon zuerst an das Ministerium für öffentliche Bauten und war gedacht für die höchsten Würdenträger des Staates. Die Königsfamilie nutzte ihn für Privatreisen. Nach dem Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) stand er dann Franco zur Verfügung.
In den 1950er Jahren wurde der Waggon außer Dienst genommen, später versteigert und von einem Antiquitätenhändler erworben. 1984 nahm sich das Eisenbahnmuseum in Madrid des Waggons an und brachte ihn nach Soria, in eine der kältesten und bevölkerungsärmsten Gegenden Spaniens. Am stillgelegten Bahnhof von Almazán war Platz, doch dort stand der einst so luxuriöse Zugteil auf dem Abstellgleis. Er diente einem Obdachlosen als Unterschlupf – bis Adema auf den Plan trat. 1997 unterschrieb die Organisation einen Vertrag, mit dem sie die Restaurierung übernahm.
«Wir haben versucht, den Waggon zu restaurieren, in Zusammenarbeit mit einer Werkstatt für schwer vermittelbare Arbeitssuchende», erklärt Muñoz. Auf diese Weise gelang es, einen guten Teil des Innenraums wiederherzustellen, doch Geldmangel im Zuge der schweren Wirtschaftskrise in Spanien 2008 würgte die restlichen Arbeiten ab. Jetzt will die Stadtverwaltung 200.000 Euro auftreiben, die ihrer Einschätzung nach nötig sind, um die Restaurierung abschließen und ein kleines Eisenbahnmuseum bauen zu können.
«Das wäre eine Touristenattraktion ersten Grades», sagt José Antonio de Miguel, der Bürgermeister von Almazán. «Der Waggon war das Flaggschiff der Flotte von Luxuszügen in Spanien.» Deshalb verhandelt er nun mit der Bahngesellschaft Adif, um das Grundstück des alten Bahnhofs zu kaufen.
Zu dem berühmten Treffen mit Hitler kam Spaniens Diktator übrigens acht Minuten zu spät. Schon das ärgerte Hitler. Nichtsdestotrotz schüttelten sich die Machthaber auf dem Bahnsteig die Hände, Fotos zeigen einen strahlenden Hitler. Das Treffen hingegen kam eher einem Zerwürfnis gleich. Denn Hitler wollte die Gegenleistungen nicht erfüllen, die Franco für Spaniens Eintritt in den Zweiten Weltkrieg verlangte.
Während «El Caudillo» (der spanische Führer) sprach, «gähnte (Hitler) 15 bis 20 Mal am Stück mit einer erschreckend schlechten Erziehung», erzählte Ramón Serrano Suñer, der Franco als Minister nach Hendaye begleitet hatte, später in einem Fernsehinterview. Auch der Lokführer muss die schlechte Stimmung gespürt haben. «Da war keine Einigung drin», habe er ihr noch am selben Tag gesagt, berichtete seine Frau im Fernsehen. Spanien blieb offiziell «nicht-kriegsführend» und unterstützte das Deutsche Reich lediglich von 1941 bis 1943 mit der «División Azul» (Blauen Division) im Russlandfeldzug. Francos Herrschaft endete erst 30 Jahre nach Kriegsende mit seinem Tod 1975.
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