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Ein teures Missverständnis

Ein teures Missverständnis

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Das Space Shuttle sollte die Raumfahrt revolutionieren: Billig, wieder verwendbar, wöchentliche Starts. Die Realität sah ganz anders aus, das Ende ist logisch.

Der Traum von einem Raumschiff, das wie ein Flugzeug starten und landen und beliebig oft eingesetzt werden kann, ist mindestens so alt wie die Raumfahrt selbst. Nachdem die USA 1969 den Wettlauf mit der Sowjetunion zum Mond gewonnen hatten, setzte die Raumfahrtbehörde NASA voll auf das Projekt Space Shuttle. Mit ihm sollten Flüge ins All deutlich billiger und dadurch kommerzialisierbar werden.

Präsident Richard Nixon zögerte anfangs, denn die USA waren mit dem Vietnamkrieg und innenpolitischen Problemen genug beschäftigt. Doch im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 1972 kam ihm die Schaffung von Arbeitsplätzen in den großen Bundesstaaten Kalifornien und Texas gelegen. Deshalb gab Nixon grünes Licht für das Programm – auch weil das Militär Interesse daran bekundete, mit dem Shuttle Spionagesatelliten in die Erdumlaufbahn zu transportieren.

Kosten laufen aus dem Ruder

Im September 1975 wurde die erste flugfähige Raumfähre fertig gestellt. Aus Anlass der 200-Jahrfeier der Vereinigten Staaten im folgenden Jahr sollte sie «Constitution» (Verfassung) heißen, doch nach einer Kampagne von Star-Trek-Fans wurde sie auf den Namen «Enterprise» getauft. Sie war ein reiner Gleiter ohne Triebwerke – diese erwiesen sich als großes Problem. Bei den Tests kam es immer wieder zu Rückschlägen.

Ohnehin liefen die viel zu knapp veranschlagten Kosten für das Shuttle-Programm bald aus dem Ruder. Die ursprünglich geplanten 10,5 Millionen Dollar pro Start erwiesen sich als unrealistisch. Damit wurde das Space Shuttle für kommerzielle Flüge immer unattraktiver. Also wurde gespart, und zwar auch bei der Sicherheit. Eine Crewkabine, die im Notfall abgetrennt werden kann, wurde aus Kostengründen ebenso verworfen wie Schleudersitze.

Militär steigt nach «Challenger» aus

Nach einer holprigen Entwicklungsphase kam es 1981 zum erfolgreichen Jungfernflug des Space Shuttles «Columbia». Doch da war der Traum von billigen Raumflügen bereits ebenso verflogen wie jener von wöchentlichen Shuttle-Starts. Im Rekordjahr 1985 gab es neun Missionen. Statt zehn dauerte es 67 Tage, bis die Raumfähre wieder flott gemacht werden konnte. Vor allem die Hitzeschutzkacheln waren ein beständiges Problem.

Die «Challenger»-Katastrophe vom 28. Januar 1986 zerstörte endgültig alle Illusionen. Das Militär stieg aus, obwohl es bereits eine eigene Startrampe auf der Luftwaffenbasis Vandenberg in Kalifornien gebaut hatte. Von nun an wurden Spionagesatelliten wieder mit Einwegraketen ins All spediert. Das Shuttle-Programm konnte danach durchaus Erfolge verzeichnen, etwa mit dem Weltraumteleskop Hubble und dem Bau der Raumstation ISS. Doch als 2003 mit der «Columbia» erneut eine Fähre explodierte, war sein Schicksal besiegelt.

Fünfmal teurer als Einwegrakete

Rückblickend kann das Space Shuttle als teures Missverständnis bezeichnet werden, eine faszinierende Idee, die an der Grenzen der Machbarkeit gescheitert ist. Eine Shuttle-Mission kostete am Ende rund 500 Millionen Dollar, fünfmal mehr als der Flug einer Einwegrakete mit gleicher Nutzlast. Für den Massentransport von Satelliten war die Fähre zu unzuverlässig, zu teuer und wohl auch zu gross. Denn die auf Drängen des Militärs beschlossene Nutzlast-Kapazität von 24,5 Tonnen wurde kaum ausgeschöpft.

Vielleicht aber ist das Space Shuttle einfach zu früh gekommen. Denn das Konzept bleibt zukunftsträchtig und dürfte künftige Generationen von Raumfahrzeugen beeinflussen. Der Italiener Roberto Vittori, der im Mai an Bord der «Endeavour» als letzter europäischer Astronaut einen Shuttle-Flug absolviert hat, sprach aus, was viele denken: «Das Shuttle ist nichts weniger als der Vater von allem, was in Zukunft fliegen wird.»