Barhocker kann man verlagern, von einem Museum in ein anderes. Sie sind eh überall gleich unbequem. Zwei Jahre lang hatten zwei Männer auf realen Barhockern an einer virtuellen Bar in der Tate-Modern-Galerie in London über 100 Menschen angezogen. Sie hatten diesen leicht gelangweilten Ton drauf, in dem man spricht, wenn man nur keine Lust hat, mehr oder wenig trübsinnig in sein Glas zu schauen.
Diese Barhocker sind fürchterlich unbequem. Aber: Man stelle sich vor, dass zwei Menschen, die sich von ihrer persönlichen Situation her bequeme Sessel erlauben könnten, diese Barhocker so anziehend gemacht haben, dass 150 Menschen sie sehen wollen, bevor es zum Abendessen geht.
Sie sitzen zum Beginn eines Abendessens, zu dem sie in diesem Jahr gut 150 Personen aus ganz Europa eingeladen hatten, auf einer kleinen Bühne und philosophieren vor sich hin.
Über Stetigkeit etwa oder Herausforderungen, die zu bestehen sind. Und über den Willen, Herausforderungen zu bestehen.
Ein Ritual
Nun handelt es sich nicht um irgendwen. Hier sitzen der Stahl-Tycoon Lakshmi Mittal, Hauptaktionär des weltgrößten Stahlerzeugers ArcelorMittal und Lionel Barber, Herausgeber der wichtigsten Wirtschafts-Tageszeitung zumindest in Europa. Beide vollziehen mit diesem Barhockergespräch ein Ritual. Nach ihm beginnt das Abendessen und danach die Verleihung der Preise von Financial Times/ArcelorMittal.
Lionel Barber hatte bei der dritten Edition des „Boldness in Business Award“ aber nicht vor, ein tiefsinniges Gespräch zu führen. Er begann ein Interview mit Lakshmi Mittal und hatte wohl auch vor, ihn aufs Glatteis zu führen. Was er von den Regierungen erwarte, damit sie die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Und wie das eigentlich mit den Banken sei und mit den Boni, die wieder ausgeschüttet würden und mit dem Bonus von Lakshmi Mittal.
Nun kann man so etwas mit Lakshmi Mittal machen. Man muss aber wissen, dass dies ein gefährlicher Versuch auch auf einem Barhocker ist.
Das Gelächter
Lakshmi Mittal pflegt sich auf so etwas einzulassen und es dann urplötzlich umzudrehen. Auf die Frage, wie das mit seinen Boni sei, erkundigte er sich scheinbar harmlos und in einem fast komplizenhaften Ton nach der Situation bei der Financial Times und fragte aus heiterem Himmel, ob Lionel Barber eigentlich einen Bonus bekäme. Das Barhockergespräch war damit unter dem Gelächter des Saales beendet.
Die Financial Times und ArcelorMittal vergeben seit drei Jahren in sieben Kategorien Preise an Unternehmen und Personen, die durch Hartnäckigkeit zum Erfolg gekommen sind. In diesem Jahr war es nach Tate Modern die Saatchi-Galerie, die aus dem ehemaligen Sitz des Grafen von York an der Kings Road 2008 in eine Galerie für moderne Kunst verwandelt wurde. Sie stellt nun ein weiteres Schmuckstück im Londoner „upper class“ Stadtteil Chelsea dar.
Gezielt beworben
Kerzen weisen den Weg zum Eingang unter einem Säulenvorbau. Das Personal steht davor und begrüßt jeden Gast persönlich ganz so, als ob der Graf von York hier immer noch residiere.
In London gibt es andere Vorstellungen von der Verwendung von Museen. Saatchi bietet die Räume im Internet ganz gezielt zu gesellschaftlichen Veranstaltungen an. Und so kann man sich mit Getränken in der Hand umschauen, wo man sich denn befindet.
Der Empfang findet in einem Raum statt, in dem der Realismus zu Hause ist: Abgestürzte Flugzeuge oder auch demontierte Turbinen bestimmen ihn.
Die Galerie selbst, für die man bei einem Aufenthalt in London unbedingt Zeit haben sollte, ist umgebaut und erweitert worden. Der ehemalige Backsteinbau ist beibehalten aber auch dezent mit Stahlträgern und verstecktem Beton erweitert worden.
Wenig Platz
Der Saal, in dem die Zeitung und der Stahlmagnat feiern, gehört japanischer Kunst. Kirschblüten und Flächenspielereien lassen den Frühling in das Museum einziehen. Aber für 150 Personen gibt es nur knapp Platz. Die junge Valeria hat als Wächterin der Kunst alle Mühe, den Gästen und der Tischbedienung immer wieder den Weg zu versperren, weil sie zu nahe an die Gemälde geraten.
Was aber wird da eigentlich als Anerkennung verteilt? Es sind Preise für Unternehmen und Unternehmer, die sich durch Kühnheit, durch Beständigkeit, durch Ideenreichtum, durch Beherztheit und durch Mut ausgezeichnet haben.
Was das bedeutet, darf der scheidende Puma-Chef Jochen Zeitz – der Mann, der mit 29 schon Chef war, der nie Krawatte trägt und Suaheli spricht – erklären. Er erzählt von zwei Verkäufern, die aus Afrika zurückkommen. Der eine sieht keinen Markt, weil die Leute keine Schuhe tragen. Der andere sieht ein Riesen-Potenzial, weil die Leute keine Schuhe tragen.
Die Gewinner
Welcher Kategorie sind wohl die Leute zuzurechnen, die 2011 den Preis erhalten haben? Es sind Marks&Spencer für gute Unternehmensführung; Mediatek für Erfolg in Schwellenländern; Jain Irrigation Systems für den Umweltpreis; Apple als „drivers of Change“; „Free“ als das Unternehmen, das in Frankreich den Telefonmarkt revolutioniert hat und Groupon als Powerhouse, das vom Start-Up-Unternehmen in Rekordzeit 250 Märkte mit 50 Millionen Nutzern gefunden hat.
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