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Weißrussland vor dem Ruin

Weißrussland vor dem Ruin
(dpa)

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Die Ex-Sowjetrepublik Weißrussland, Nachbar von EU-Mitglied Polen, steht am Abgrund. Die autoritäre Kommandowirtschaft braucht Milliarden, um einen Staatsbankrott abzuwenden.

Die Krise in Weißrussland – «Europas letzter Diktatur» – spitzt sich immer weiter zu. Seit Wochen schon gibt es in den Wechselstuben der Hauptstadt Minsk keine Euro oder Dollar oder anderen konvertierbaren Währungen mehr zu kaufen. Nach der jüngsten Abwertung des Weißrussischen Rubels haben die Einkommen über Nacht fast die Hälfte an Kaufkraft verloren. Gab es für ein Durchschnittseinkommen Mitte Mai theoretisch 500 Dollar (341 Euro), so waren dies am Montag umgerechnet keine 300 Dollar mehr.

Schwedens Außenminister Carl Bildt spricht von einem «Kollaps» der wie zu kommunistischen Zeiten geführten Kommandowirtschaft unter Staatschef Alexander Lukaschenko . Hilfe gebe es allerdings nur bei politischen Reformen, sagt er.

Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft hilft zunächst

Nun springt zwar zunächst die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft – ein Bündnis aus Ex-Sowjetrepubliken – unter Führung Russlands mit Hilfe bei. Der Kredit von drei Milliarden US-Dollar soll in drei Etappen bis 2013 ausgezahlt werden. Eine Rettung ist dies aber nicht, wie Analysten in Minsk sagen.

Zur Rettung vor dem Staatsbankrott hat die weißrussische Führung deshalb nun noch den Internationalen Währungsfonds (IWF) angerufen. Der IWF solle 3,5 bis 8 Milliarden Dollar als Kredit locker machen. Doch haben die EU und die USA das von Lukaschenko seit mehr als 16 Jahren mit harter Hand geführte Land mit Sanktionen belegt.

«Es gleicht einem totalen Ruin»

Nach seiner gefälschten Wiederwahl hatte der Staatschef eine Demonstration seiner Gegner gewaltsam auflösen und Dutzende seiner Kontrahenten in Straflager sperren lassen. Seither reißen die Probleme für Lukaschenko, der als Letzter in Europa die Todesstrafe vollstrecken lässt – durch Genickschuss -, nicht ab.

«Es gleicht einem totalen Ruin», sagt der Chef des Minsker Klubs für die Finanzchefs von Unternehmen, Andrej Karpunin. Lukaschenko hat den streng gesteuerten Medien verboten, Krisenstimmung zu verbreiten. Tatsächlich ist die Krise auf der Straße bisher kaum sichtbar. Doch selbst die angesichts von Zensur und staatlicher Bevormundung verunsicherten Menschen zeigen offen ihre Ängste.

Massenentlassungen

Moskauer Medien berichteten, dass immer mehr Weißrussen nach Massenentlassungen aus den Staatsbetrieben in Russland nach Arbeit suchen. Täglich kämen auf dem Belorussischen Bahnhof in Moskau mehr als 6000 Weißrussen an, heißt es. In Belarus selbst kam es zu Hamsterkäufen etwa in Elektronikläden und sogar von Salz.

Zwar konnten sich die Weißrussen vor der Präsidentenwahl über eine 50-prozentige Erhöhung der Staatslöhne freuen. Dazu musste aber Batka, wie Lukaschenko genannt wird, mehr Geld drucken, wie die Zeitung «Komsomolskaja Prawda» erinnert. Die logische Folge sei der Verfall der Währung.

Inflation bei über 40 Prozent

«Ich bin mit den Nerven am Ende. Die Preise für Lebensmittel steigen täglich. Ich weiß nicht, ob mein Geld morgen noch Wert hat. Keiner sagt uns hier etwas», klagt die Angestellte eines Literaturmuseums in der Minsker Altstadt. Wie sie sprechen viele von der schwersten Krise seit dem Zerfall der Sowjetunion vor 20 Jahren. Die Inflation sei auf 40 Prozent gestiegen, heißt es.

Lukaschenko schlägt im Staatsfernsehen mit der Faust auf den Tisch und verspricht, dass alles gut werde. Er werde keinen «räuberischen Ausverkauf des Landes» zulassen, donnert er sichtlich erregt. Doch er steht längst mit dem Rücken zur Wand. Nicht nur Russland und die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft fordern dringend die Privatisierung der Staatsbetriebe. Moskau will sich vor allem den Zugriff auf das weißrussische Gasleitungsnetz und auf Teile der Telekommunikationsbranche sichern.

Auch der IWF hat Hilfen stets von Reformen abhängig gemacht. Über 70 bis 80 Prozent der Betriebe sind nach unterschiedlichen Angaben in Staatshand. Auch Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände in den Regionen rufen immer lauter nach einem Anti-Krisen-Plan für das Land mit seinen 9,4 Millionen Einwohnern. Sie sehen Belarus angesichts seiner Auslandsschulden von schon jetzt 28,5 Milliarden US-Dollar und einer dünnen Reserve von 3,8 Milliarden Dollar vor dem Abgrund.