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Schatzsuche im Bankenviertel

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Sesam öffne Dich! Morgen machen private Sammler auf Kirchberg ihre Kunstwerke dem Publikum zugänglich. Die Aktion verspricht ein Wechselbad der Gefühle und Eindrücke zu werden, eine ebenso vielfältige wie abwechslungsreiche Begegnung mit der zeitgenössischen Kunst.

Claude Wolf (Text) 
  

Die meisten von uns kennen „La grande fleur qui marche“, die Giovanni Teconi nach einer Vorlage von Fernand Léger konzipierte und die seit 2003 vor dem Eingang des Clearstream-Gebäudes ihre bunten Blätter ausstreckt. Gleich daneben steht der surreale Lange Banker, das Wahrzeichen der DekaBank. Aufmerksame Beobachter des Kirchberger Umfeldes kennen wohl auch den Stuhl von Magdalena Jetelovà vor der Europäischen Investitionsbank und die „Elements d’architecture contortionniste“ von Jean Dubuffet im Garten der BGL BNP Paribas. Sie alle sind gewissermaßen Appetithappen. Sie stehen für die Schätze, die sich in den Glaspalästen der Finanz verstecken.
Das Engagement in private Kunstsammlungen ist in den letzten Jahren stark gestiegen und mit ihm der Wunsch der Unternehmen, die Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen. Die „private Kunst“ ist ein Thema im Kulturleben geworden. Sie steht aber auch für das Bekenntnis zum Standort und die Unternehmenskultur. Sie unterstützt die Künstler und bringt den Mitarbeitern die Kunst näher. Und sie ist eine Investition.
Insgesamt zwölf Banken und Unternehmen auf Kirchberg öffnen am morgigen Sonntag zwischen 13 und 19 Uhr ihre Türen. Zwischen den einzelnen Standorten verkehren den ganzen Nachmittag über Busse.

UnterschiedlicheGemeinsamkeiten

In ihrem Konzept, ihrer Ausrichtung und ihrer Darstellung sind die einzelnen Sammlungen sehr unterschiedlich, als gemeinsamen Nenner haben sie jedoch den Geist unserer Zeit. Sie wurden alle ab Mitte der NeunzigerJahre aufgebaut, etwa zeitgleich mit der schnellen Entwicklung des Stadtviertels. Einigen Künstlern wird der Besucher mehrfach begegnen. Imi Knoebel wird er in der Deutschen Bank und bei LBLux antreffen, Jan Voss in der BGL BNP Paribas und bei der Deutschen Bank. Dort hängt auch Fernand Roda, der ebenfalls bei LBLux zuhause ist. Auch Marilyn Monroe ist in mehreren Sammlungen in sehr unterschiedlichen Darstellungen anzutreffen.
Daraus entstehen jedoch keine Gemeinsamkeiten. Obwohl alle Unternehmen zeitgenössische Kunst zeigen und große Namen sich mehrfach wiederholen, sind die Sammlungen äußerst unterschiedlich. Genauso vielfältig ist auch die Darstellung, das Bild, das jeder Teilnehmer von sich und seinen Beweggründen vermitteln will.
Große Häuser wie die Deutsche Bank, DekaBank, die EIB und Clearstream haben systematische Kunstsammlungen aufgebaut, die nach ganz genauen Vorgaben von ausgebildeten Kunsthistorikern betreut und erweitert werden. Die Deutsche Bank wollte gleich nach ihrem Einzug in das neue Gebäude Kunst und Architektur verknüpfen. Sie lehnte sich beim Aufbau ihrer Sammlung zwar an das Konzept der Gruppe an, die vor allem zeitgenössische Kunst aus dem deutschsprachigen Raum sammelt, behielt jedoch ihre Handlungs- und Denkfreiheit. Sehr früh schon erwarb sie Werke aus den ehemaligen Ostblockstaaten und öffnete ihre Türen belgischen und luxemburgischen Künstlern. Fernand Roda hat gleich im Eingangsbereich einen Ehrenplatz, Marie-Jo Lafontaine stellte ihre Arbeiten im Jahr 2000 in der Bankhalle aus.
Die Belgierin ist mittlerweile eine feste Größe der modernen Fotografie und hat als solche auch bei den Rechtsanwälten von Arendt & Medernach einen Platz. Im Gegensatz zur Deutschen Bank, die ihre Sammlung mit Arbeiten auf Papier anfing und sie dann später auf Ölbilder, Skulpturen und Fotografien ausweitete, sammelt die Anwaltskanzlei, genau wie die Deutsche Börse, nur Fotografie. Die Sammlung der Gruppe Deutsche Börse ist mittlerweile auf rund 800 Fotografien von 80 verschiedenen Künstlern angestiegen, die am Hauptsitz in Frankfurt und in Luxemburg in Büros und Kundenräumen hängen. Sie baut nicht auf Einzelwerken auf, sondern will mit Serien einen Einblick in die Arbeit des Künstlers geben. Die Nationalität spielt keine Rolle, wichtig ist allein der Blick des Fotografen auf unsere Zeit, genau wie die Handhabung der Kamera.
Die Sammlung des Anwaltsbüros Arendt & Medernach, die mittlerweile rund 100 Werke umfasst, kam viel spontaner zustande. Am Anfang stand der Wunsch, die Wände des Firmensitzes in der rue Erasme zu beleben. Dazu kam die Freundschaft des Partners Philippe Dupont mit dem Kunstlehrer Paul di Félice. Sie haben nach Feierabend und am Wochenende aus der gestrengen Kanzlei eine Begegnungsstätte für Liebhaber moderner Fotografie gemacht. Der Tag der offenen Türen ist denn auch Anlass für ein richtiges Kunst-Event, bei dem große Fotografinnen wie Marie-Jo Lafontaine und Katharina Sieverding neben jungen Künstlern und den beiden Luxemburgern Roger Wagner und Christian Mosar gezeigt werden. Letzterer fungiert auch als Führer durch die Ausstellung.
Die Fotografie steht auch beim „Fonds du Kirchberg“ im Blickpunkt, der Artisten beauftragt hat, das Wachsen und Werden auf Kirchberg zu dokumentieren.
Kontakt mit dem Artisten gibt es bei Allan & Overy im K2-Komplex. Die luxemburgische Niederlassung der internationalen Anwaltskanzlei hat eine Partnerschaft mit dem in Paris lebenden Luxemburger Fernand Bertemes. Dieser hat zwei Riesenbilder für die Eingangshalle des Forte-Gebäudes verwirklicht und steht den Besuchern Rede und Antwort über sein Schaffen.

Auf Tuchfühlungmit den Künstlern

Künstlern über die Schulter schauen kann der Besucher auch bei UniCredit. Die Bank zeigt nicht nur ihre Schätze, allen voran eine Monumentalarbeit des 2002 verunglückten Luxemburgers Michel Majerus, sondern lässt auch Künstler ihre Techniken vorführen.
Artisten sind morgen auch bei Kneip anwesend. Der Kommunikations- und Dienstleistungsbetrieb zeigt zweifellos die schrillste Kunstsammlung. Bob Kneip sammelt seit 15 Jahren Pop-Art, eine Kunstrichtung, die ihre Motive der Alltagskultur entnimmt. Rund 150 Kunstwerke zeigen die unterschiedlichen Aspekte des Alltags und des Showbiz, dem Kneips ganz besonderes Augenmerk gilt.
Avantgardisten werden auch bei Smets bedient. Die erstmals bei der Aktion mitbeteiligte Carine Smets hat eine sehr eigenwillige Kollektion zusammengetragen.
Strukturiert und professionell ausgerichtet schließlich ist die Kunstsammlung der Europäischen Investitionsbank, die mit mehr als 500 Kunstwerken ebenfalls einen hervorragenden Überblick über das internationale künstlerische Schaffen unserer Zeit liefert.