Headlines

Kompromiss wirft Grundfragen auf

Kompromiss wirft Grundfragen auf
(Orestis Panagiotou)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Wäre ein begrenzte Ausscheiden aus der Eurozone möglicherweise besser gewesen als der am Montag gefundene Kompromiss? Diese Frage stellt der ehemalige belgische Notenbank-Gouverneur.

Luc Coene war bis zum 10. März 2015 fünf Jahre lang belgischer Notenbank-Gouverneur. Seit dem 11. März ist er Mitglied des Aufsichtsrates bei der Europäischen Zentralbank, der zur Kontrolle systemischer Banken eingesetzt worden ist. Der „Single Supervisory Mechanism“ (SSM) der Europäischen Zentralbank hatte im November letzten Jahres die Arbeit aufgenommen. In seiner neuen Funktion wird Coene sich sehr schnell mit der Situation der griechischen Banken auseinandersetzen und prüfen müssen, welche Bank insolvent ist und welche Bank in welcher Höhe rekapitalisiert werden muss.

„Ich habe die starke Befürchtung, dass eine Partei sich in dem Kompromiss nicht wiederfindet“, sagt Coene im Interview mit der Wirtschaftszeitung „L´Echo“. Im Grundsatz stehen wir in der Eurozone vor der Frage: Was ist wichtiger? Die Solidarität oder die Verantwortung? Die Länder des Südens stellen die Solidarität in den Vordergrund. Die Länder des Nordens stellen die Eigenverantwortung für die Währung in den Vordergrund. Wir sind hier an der Wesensfrage der Europäischen Währungsunion angelangt.“ Eines dieser beiden Lager fände sich in dem Kompromiss nicht wieder. Das wäre Griechenland.

Ausscheiden aus der Eurozone

Er stelle sich die Frage, sagt Coene, ob ein Ausscheiden aus der Eurozone für Griechenland nicht besser gewesen wäre. Die Tatsache, dass man etwas in ein Gesetz gieße, garantiere noch nicht, dass man es auch ausführe. „In Wirklichkeit“, sagt Coene, „ist dieser Kompromiss zustande gekommen, weil man beweisen wollte, dass die Zugehörigkeit zur Euro-Währung unumkehrbar ist. Aber in Wirklichkeit glaubt niemand mehr an diese Unumkehrbarkeit.“

Es gäbe Länder, sagt Coene, denen es außerhalb der Eurozone gut ginge. „Wenn das Land außerhalb der Eurozone gewesen wäre, wäre es von alleine überzeugt gewesen, dass es Reformen vornehmen muss. Ich fürchte, dass die gefundene Lösung in Griechenland negative Gefühle hervorrufen wird.“

Griechische Wirtschaft abschwächen

Coene gibt zu, dass ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone in einer ersten Phase zu Schwierigkeiten geführt hätte. Die notwenige Abwertung der griechischen Währung hätte aber schnell dazu geführt, dass das Land sich wirtschaftlich erholt. Mit dem gefundenen Kompromiss würde sich die griechische Wirtschaft abschwächen. Von 2016 an könnte sie sich mit Investitionen aus dem privaten Sektor erholen.

Eine Restrukturierung der Schulden käme nicht in Frage, betonte Coene. Das sei in den europäischen Verträgen nicht vorgesehen. Es sei aber möglich, die griechischen Schulden zu strecken. Man habe auch schon viel getan, hebt der Bankenaufseher hervor und spricht dabei den Schuldenschnitt von 2012 an, der vor allem die private Finanzwirtschaft betroffen hat. Seitdem liegen die Schulden Griechenlands bei der öffentlichen Hand. Die Verschuldung Griechenlands, so Coene, liege bei 170 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes.

Auf seriösen Plan bestehen

Wenn man das Griechenland geliehene Geld zurück erhalten wolle, müsse man nun darauf bestehen, dass die Regierung mit einem seriösen Plan komme. Die Geldgeber-Länder müssten darauf achten, dass das Geld gut verwendet würde, damit Griechenland eines Tages auch zurückzahlen könne.

Coene stellt sich in dem Interview auf die Seite des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble, der in einem Papier für die Runde der Euro-Finanzminister in der vergangenen Woche einen zeitlich begrenzten Austritt Griechenlands aus der Euro-Währung vorgeschlagen hatte. Schäuble wird für diesen Vorschlag und seine unnachgiebige Verhandlungsführung derzeit europaweit scharf kritisiert.

Lesen Sie auch:

Dossier: Griechenland in Not