Seit ihrer Gründung 1976 hat «El País» stets schwarze Zahlen geschrieben. Dennoch steht Spaniens meistgelesene politische Tageszeitung vor den härtesten Einschnitten ihrer Geschichte: Die Geschäftsführung will fast ein Drittel der Stellen streichen. «Die Einnahmen sind stark gefallen», heißt es zur Begründung.
Das Anzeigengeschäft sei geschrumpft, die verkaufte Auflage ebenfalls. Für 2012 ist nach Angaben des Managements demnach erstmals mit einem Verlust zu rechnen. Der Kahlschlag sieht vor, dass 128 Mitarbeiter entlassen und 21 weitere Redakteure über 59 Jahren in den Vorruhestand geschickt werden. Allen anderen soll das Gehalt um 15 Prozent gekürzt werden.
Streit im Management
Die geplanten Streichungen haben zu einem heftigen Streit mit dem Management geführt. Die Redaktion des linksliberalen Blattes hält die Entlassungen nämlich für unbegründet und macht dafür die finanziellen Schwierigkeiten des hoch verschuldeten Mutterkonzerns Prisa, Spaniens größter Mediengruppe, verantwortlich.
Unter Beschuss ist vor allem Juan Luis Cebrián. Er ist Präsident von «El País» und zugleich Prisa-Geschäftsführer. Der erfahrene Blattmacher stieß die Mitarbeiter etwa vor den Kopf, als er meinte, die über 50-Jährigen seien für das Blatt nicht mehr zu gebrauchen: «Sie haben nicht das professionelle Profil, das wir für die von uns gewollte Zeitung benötigen.» Schließlich werde es im Internet-Zeitalter gedruckte Zeitungen in zwei oder höchstens drei Jahren nicht mehr geben. Cebrián selbst ist 68.
Auflage von 425 000 Exemplaren
«So gut wie bisher können wir nicht weiterleben», sagte Cebrián, der nach Schätzungen des Betriebsrates beim Prisa-Konzern im vergangenen Jahr etwa 13 Millionen Euro verdient hat. Er gehört mit dem inzwischen gestorbenen Prisa-Patriarchen Jesús del Polanco zu den Mitbegründern von «El País» (Das Land). Die Zeitung, deren Auflage heute bei 425 000 Exemplaren liegt, erschien erstmals am 4. Mai 1976, knapp ein halbes Jahr nach dem Tod des Diktators Francisco Franco und entwickelte sich zum publizistischen Symbol des Übergangs zur Demokratie. Kritiker werfen der Zeitung allerdings stets eine zu große Nähe zu den lange Zeit regierenden Sozialisten (PSOE) vor.
Bis 1988 stand Cebrián dem Blatt als Chefredakteur vor, dann wechselte er ins Prisa-Management. Die auch in Lateinamerika stark präsente Mediengruppe hat große Schulden angehäuft, unter anderem wegen ihrer milliardenschweren Investitionen ins Kabelfernsehen und in Fußballübertragungsrechte. 2010 öffnete Prisa dem US-Investmentfonds Liberty die Tür. Dieser stieg mit einer Kapitalspritze von 650 Millionen Euro zum Prisa-Hauptaktionär auf.
«Alles gelogen»
«Cebrián behauptete, den Journalismus zu retten und sprach von einem Paradigmenwandel. Alles gelogen. Er hat Kasino-Kapitalismus gespielt und beim Kauf von wertlosen Radiosendern in Miami und Fernsehsendern in Lateinamerika fünf Milliarden Euro verzockt», empörte sich die bekannte «El País»-Kolumnistin Maruja Torres. «Er wollte ein Wall-Street-Hai sein, in Wirklichkeit war er aber nur eine kleine Sardine, die uns allen geschadet hat.»
Israel-Korrespondent Enric González hat wegen Cebriáns Plänen gekündigt. «Es ist schlimm, dass eine Zeitung, die ihre Manager in Gold baden lässt, Dutzende Journalisten entlässt», beklagte er. Andere fürchten um die Qualität des Blattes: «Es herrscht große Anspannung, es wird ohne Motivation gearbeitet», sagte ein Redakteur.
Arbeitsniederlegungen
Vereinzelte Arbeitsniederlegungen hat es bei «El País» nach der Ankündigung der Entlassungen bereits gegeben. Der Betriebsrat droht nun mit Streik und fordert zudem den Rücktritt von Chefredakteur Javier Moreno. Der frühere Deutschland-Korrespondent soll Redakteure unter Druck gesetzt haben, die aus Protest ihre Artikel nicht signieren wollten.
Im Krisenland Spanien steckt die Zeitungsbranche insgesamt in Schwierigkeiten. Im ersten Halbjahr 2012 sind die Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft nach Angaben des Zeitungsverlegerverbandes im Vergleich zu 2011 um 18,5 Prozent gefallen. Die Auflagen sanken um elf Prozent.
Für die Mitarbeiter von «El País» ist das kein Trost. «Ich bin traurig, und es tut weh», sagte einer der Redakteure der ersten Stunde: «Der bisherige Stil, die Zeitung zu machen, ist vorbei.»
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