Samstag20. Dezember 2025

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Hängepartie für eine Werft

Hängepartie für eine Werft
(AFP/Marcel Mochet)

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Mythische Schiffe wie die „France“, die „Queen Mary II“ oder die „Harmony of the Seas“ liefen in Saint-Nazaire vom Stapel.

Jetzt ist die Werft in die Ungewissheit geraten. Der Grund: Die südkoreanische Muttergesellschaft steht wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten unter der Verwaltung eines Sequesters. Wie geht es weiter an der Mündung der Loire?
Am Freitag hätte das Schicksal der Werft STX in Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, entschieden werden sollen. Ein Richter sollte in einem Urteil festlegen, ob die südkoreanische Gruppe „STX Offshore & Building“ in ihrer Gesamtheit oder in Teilen verkauft werden sollte.

Der Grund: Die Schiffbaugruppe steckt in derart großen finanziellen Schwierigkeiten, dass nur noch die Realisierung ihrer Besitztümer die Gläubiger einigermaßen befriedigen kann. Zu den Besitztümern gehört auch die Werft STX in Saint-Nazaire. Die am vergangenen Freitag erwartete Entscheidung wurde vertagt. Die Zukunft des wichtigsten Schiffbauers Frankreichs wird zu einer Hängepartie. Frankreichs Regierung befindet sich erneut in industriepolitischen Schwierigkeiten. Sie hatte gerade in einer 1,2 Milliarden Euro teuren Lösung 400 Arbeiter der Firma Alstom davor bewahrt, für die Dauer von zwei Jahren ihren Arbeitsplatz von Belfort in das 200 Kilometer entfernte Reichshoffen im Elsass zu verlegen.

Nun muss sich der Staatssekretär für Wirtschaftsfragen mit einem viel größeren Brocken beschäftigen. An der Mündung der Loire, in Saint-Nazaire, steht eine Werft zur Disposition, die Frankreich als strategisch für seine Wirtschaft betrachtet. Sie hat früher unter der Bezeichnung „Chantier de l’Atlantique“ dem Alstom-Konzern gehört.
Der Konzern aber zerlegt sich durch Verkäufe seiner Bereiche seit 2006 in seine Einzelteile und besteht nur noch aus seiner Eisenbahnsparte, die in Frankreich notleidend ist.

Die Werft in Saint-Nazaire war 2006 an eine norwegische Werftengruppe gegangen, die dann in mehreren Schritten von der südkoreanischen Gruppe STX übernommen wurde. Als Frankreich sah, dass südkoreanisches Kapital die Werft in Saint-Nazaire beherrschen sollte, sicherte sich die Regierung einen Anteil von 33,33 Prozent am Kapital und ein Vetorecht. Bis Anfang Oktober 2016 schien klar zu sein, dass STX Frankreich aus dem Reich der Koreaner herausgebrochen werden und eine europäische Lösung erhalten würde.

Europäische Lösung in Sicht

Das niederländische Unternehmen Damen zeigte Interesse und auch die italienische Gruppe Fincantieri war nicht abgeneigt, bei der Werft in Saint-Nazaire einzusteigen. Doch die Situation wurde komplizierter. Eine chinesische Gruppe machte in Seoul ein Angebot für den Gesamtkonzern. In Saint-Nazaire sind die Auftragsbücher übervoll.
Für den letzten großen Auftrag im Wert von vier Milliarden Euro reiste Staatspräsident Francois Hollande zur Unterschrift nach Saint-Nazaire. Die vier Schiffe, die die Genfer Kreuzfahrt-Reederei MSC bestellte, sichern 37 Millionen Arbeitsstunden.

Die Werft verzeichnet ein Auftragsbuch von 14 zu liefernden Schiffen bis zum Jahr 2026. Der Wert der Bestellungen liegt bei 12 Milliarden Euro. Insgesamt arbeiten in Saint-Nazaire 6.000 Menschen, davon 3.540 Entsendearbeiter aus 623 verschiedenen Unternehmen. Ein großer Teil kommt aus Polen. Den wirtschaftlichen Aufstieg verdankt die Atlantikwerft im Wesentlichen zwei Kunden: der US-Gruppe Royal Caribbean und der Genfer Reederei MSC. Sie brachten mit ihren Aufträgen und den daraus resultierenden technischen Entwicklungen das notwendige Wissen ein, was große Kreuzfahrtschiffe betrifft. Sie können kein Interesse daran haben, dass dieses Wissen in chinesische Hände gerät.

Auch die Regierung in Paris wünscht keinen Know-how- Transfer nach China. Das Land der Mitte aber hat größtes Interesse daran, eine Kreuzfahrt-Werft mit entsprechendem technischen Wissen zu besitzen. Die Kaufkraft der Chinesen wächst. Sie sind begeisterte Touristen. China gilt als der vielversprechendste Kreuzfahrt-Markt der Welt.

Die Werft gilt als strategisch wichtig

Das wirtschaftliche Prinzip Chinas aber ist, die Kaufkraft der Chinesen in eigene Unternehmen weltweit zu lenken. Eine Werft zum Bau der Schiffe mit anschließender Nutzung würde die gesamte Wertschöpfungskette in chinesische Hand geben. Frankreich wiederum hat die Werft als strategisch eingestuft und bereits angekündigt, dass es sein Vetorecht gegen jede Lösung einlegen werde, die französischen Interessen widerstrebt. Das erklärt sich wiederum aus der militärischen Aktivität der Atlantikwerft. Sie ist die einzige in Frankreich, die in der Lage ist, große Schiffskörper zu bauen.

Dazu gehörten jüngst zwei Hubschrauber-Träger im Wert von je einer Milliarde Euro, die von Russland bestellt, wegen des europäischen Embargos aber dann nach Ägypten verkauft wurden. Der militärische Schiffbau der Franzosen ist in der DCNS-Gruppe konzentriert, die gerade einen Auftrag aus Australien über 12 U-Boote errungen hat. DNCS baut Militär-Überwasserschiffe und U-Boote und nutzt die Atlantikwerft als Zulieferer.

Das Unternehmen mit 12.000 Beschäftigten und einem Umsatz von drei Milliarden Euro hat erkennen lassen, dass man sich am Schiffbau in Saint-Nazaire kapitalmäßig beteiligen, die Werft aber nicht übernehmen könne. In Frankreich kursieren unbestätigte Gerüchte, wonach sich auch die MSC am Kapital beteiligen könnte. Möglicherweise gibt es einen Pool europäischer Interessenten, die das Kapital unter sich aufteilen. Die Entscheidung über STX ist allerdings zunächst vertagt. Die Werft gerät in eine Hängepartie.