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EU und niedriger Ölpreis beflügeln Luftverkehr

EU und niedriger Ölpreis beflügeln Luftverkehr
(AP/Elaine Thompson)

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Der günstige Sprit hilft der Luftverkehrsindustrie auf ihre Kosten zu kommen. Am Ende hat auch der Passagier etwas davon.

Dauerstreiks, Terror-Angst und das Germanwings-Unglück mit 150 Toten: Das Jahr 2015 war für die europäische Luftfahrtindustrie nicht einfach. Trotzdem strotzt die Branche vor Zuversicht wie schon seit Jahren nicht mehr.

Dauerhaft billiges Kerosin und die halbwegs stabile Konjunktur werden auch im kommenden Jahr in Europa für eine steigende Nachfrage sorgen, sind sich die Experten sicher. Die Ticketpreise gehen weiter zurück.

Wie sind die wirtschaftlichen Aussichten der Luftverkehrsbranche?

Nach etlichen mauen Jahren strotzt die Industrie aktuell vor Optimismus. Dank des billigen Kerosins können Fluggesellschaften in diesem und im nächsten Jahr mit so viel Gewinn rechnen wie noch nie, erwartet der Airlineverband IATA.

Die Europäer sollten von den weltweit erwarteten 36,3 Milliarden Dollar (33 Mrd Euro) Gewinn mit 8,6 Milliarden Dollar (7,8 Mrd Euro) ein knappes Viertel auf sich vereinen. Die Lufthansa steuert schon in diesem Jahr einen operativen Rekordgewinn von fast 2 Milliarden Euro an.

An den stabilen Prognosen haben auch die Terroranschläge von Paris nichts geändert. Air France registrierte zwar eine schwächere Nachfrage nach Flügen in die französische Hauptstadt, sieht aber ihre Jahresziele nicht gefährdet.

Was haben die Passagiere davon?

Der in Europa vom starken Dollar abgeschwächte Preisvorteil aus dem Kerosin wird offenbar nicht im vollen Umfang an die Fluggäste weitergegeben, aber dennoch sanken die Ticketpreise zuletzt kontinuierlich.

Die Durchschnittspreise sind laut IATA in diesem Jahr um fast 12 Prozent gefallen. 2016 sollte das weltweite Passagieraufkommen wie schon in diesem Jahr erneut um knapp 7 Prozent wachsen.

Einige Gesellschaften nutzen die günstige Kostensituation zum Ausbau ihrer Netze, so dass neue Verbindungen zu Kampfpreisen angeboten werden. Schwache Airlines können sich weiter am Markt halten und ihre eigentlich ineffizienten Flugzeuge mit hohem Spritverbrauch weiter betreiben.

Haben die Piloten- und Flugbegleiterstreiks der Lufthansa geschadet?

Ganz sicher, denn neben dem materiellen Schaden von noch einmal 270 Millionen Euro hat auch die bislang ikonische Kranich-Marke erhebliche Kratzer bekommen, wie Marketingchef Alexander Schlaubitz jüngst in einem Interview einräumte.

Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit sind Werte, die Kunden nach fast zwei Jahren immer wiederkehrender Streiks nicht mehr sofort mit Lufthansa verbinden. Unter dem Strich können aber sowohl die Kerngesellschaft als auch der Konzern als Ganzes für 2015 mit erneuten Passagierrekorden rechnen.

Welche Strategie verfolgen die Billigflug-Riesen Ryanair und Easyjet?

Sie setzen ihren Expansionskurs ungebremst vor. Allein Ryanair hat zu seinen bereits 316 Fliegern in den kommenden Jahren weitere 380 Maschinen geordert und will im Jahr 2024 rund 180 Millionen Fluggäste transportieren (aktuell 105 Mio).

Wichtigster Wachstumsmarkt ist Deutschland, wo die Iren aktuell noch die Nummer drei hinter Lufthansa und Air Berlin sind. Mit optimierten Kosten und schnellen Umläufen haben sie den Platzhirschen einiges voraus, wenngleich einige Experten das Geschäftsmodell für ausgereizt halten.

Tatsächlich nähern sich die Billigflieger mit zusätzlichem Service den traditionellen Netz-Carriern an und bringen sich zudem als Zulieferer zu den Drehkreuzen der Langstreckler ins Gespräch.

Welche Rolle kann die Lufthansa-Billigtochter Eurowings spielen?

Wie Air France mit der Transavia und die British-Airways-Mutter IAG mit der Vueling versucht auch Lufthansa ein eigenes, möglichst europaweites Billigangebot in die Luft zu bekommen.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr kann dabei auf die erfolgreich gestartete Germanwings zurückgreifen, die wie andere Fluggesellschaften auch ab 2016 unter der neuen Eurowings-Dachmarke fliegen wird. Zusätzliche Flieger siedelt die Lufthansa bei Gesellschaften außerhalb des deutschen Tarifrechts an und erreicht zumindest für sie ein konkurrenzfähiges Kostenniveau.

Unter Eurowings-Flagge könnten auch angeschlagene Airlines mit Lufthansa kooperieren, ohne dass sie gleich übernommen werden müssten. Zudem testet die Gesellschaft als eine der ersten das Billigkonzept auf der Langstrecke zu vorwiegend touristischen Zielen.

Was wird aus dem ewigen Sorgenkind Air Berlin?

Bei der deutschen Nummer 2 sind alle Augen auf den 15. Januar gerichtet. Ab diesem Zeitpunkt darf die Gesellschaft etliche Flüge nicht mehr zusätzlich als Codeshare für die arabische Etihad anbieten.

Das Bundesverkehrsministerium hält die Doppelvermarktung für nicht gedeckt durch das Luftverkehrsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und will sie daher nicht erneut genehmigen. Laut Air Berlin bringt das aber 140 Millionen Euro zusätzlichen Umsatz, ohne die die Existenz der deutschen Nummer 2 gefährdet sei. Finanzier Etihad könnte zudem das Interesse an Air Berlin verlieren.

Wie ändert sich die europäische Politik gegenüber den Golf-Airlines?

EU-Verkehrs-Kommissarin Violeta Bulc will die europäische Luftverkehrswirtschaft besser gegen unfaire Konkurrenz schützen. Von Wettbewerbern etwa vom arabischen Golf will sie künftig soziale Standards und den Verzicht auf staatliche Subventionen einfordern.

Druckmittel sind die Start- und Landerechte, die künftig nicht mehr von den Nationalstaaten, sondern von der EU zentral ausgehandelt werden sollten. Doch schon darüber sind sich die EU-Mitglieder nicht einig.