Headlines

Ein Energieriese geht zu Boden

Ein Energieriese geht zu Boden

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Einst der Platzhirsch jetzt ein Prügelknabe: Der japanische Energiekonzern Tepco ist am Boden. Ob er sich je wieder aufrappeln kann, ist fraglich.

Weltweit wachsen die Zweifel, ob es den Experten gelingt, die Atomkatastrophe unter Kontrolle zu bringen. Der Unmut richtet sich vor allem auch gegen den AKW-Betreiber Tepco. Dazu passte ein Bericht der Tageszeitung «Yomiuri» vom Dienstag, in dem es hiess, das japanische Kabinett erwäge eine – zumindest vorübergehende – Verstaatlichung des Energieriesen. Dies wurde aber später von Regierungssprecher Edano und Tepco-Vertretern dementiert.

Neue Hiobsbotschaften

Die Verstaatlichungs-Gerüchte schreckten die Anleger ab. Als wäre ein Eingriff der Regierung nicht genug, muss Tepco am Mittwoch weitere Hiobsbotschaften verkünden. Die mit japanischen Banken ausgehandelten Notkredite im Volumen von umgerechnet gut 22 Milliarden Franken reichten nicht aus, um den Firmenbetrieb und alle sonstigen Kosten finanzieren zu können, räumte Tepco ein. Auf welche Größe sich das Loch tatsächlich beläuft, ist derzeit völlig unklar.

Für zusätzliche Unruhe sorgte der krankheitsbedingte Ausfall von Tepco-Präsident Masataka Shimizu, der seit dem 13. März nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen wurde. Nun teilte Tepco mit, Shimizu habe sich wegen Bluthochdruck und Schwindel ins Krankenhaus begeben müssen. Verwaltungsratschef Tsunehisa Katsumata übernehme vorübergehend die Aufgaben des Präsidenten. Er stellte klar, er werde alles tun, um eine Verstaatlichung von Tepco zu verhindern.

Aktie auf Tauchkurs

Anleger reagierten angesichts des drohenden Führungsvakuums mitten in der offenbar nicht mehr zu kontrollierenden Atomkatastrophe deutlich: Die Tepco-Papiere büssten in Tokio erneut fast 18 Prozent ein. Bereits am Dienstag waren sie auf den tiefsten Stand seit fast fünfzig Jahren gesunken.

Mit dem neuerlichen Kursrutsch setzten die Aktien des Betreibers des Unglücks-AKW Fukushima ihre dramatische Talfahrt der letzten Wochen fort. War das Unternehmen vor der Katastrophe rund 42 Milliarden Dollar schwer, ist der Marktwert des AKW-Betreibers jetzt auf etwa 11 Milliarden Dollar geschrumpft. Seit Beginn der Katastrophe am 11. März hat die Firma damit rund 80 Prozent ihres Börsenwerts eingebüsst. Experten sehen kaum eine Chance, dass Tepco in seiner derzeitigen Form die Krise allein stemmen kann.

Staatliche Hilfe oder Verstaatlichung?

«Es wird viel über Verstaatlichung gesprochen, aber ich werde mein Bestes tun, um sicherzustellen, dass Tepco eine private Firma bleiben wird», sagte Verwaltungsratschef Katsumata. Man werde mit der Regierung darüber reden müssen, wie eine angemessene Finanzierung gesichert werden könne. Die zwei Billionen Yen Kredite von Gläubigern wie der Sumitomo Mitsui Financial Group reichten nicht aus, sagte er. Tepco selbst habe noch keine Zeit gehabt, sich mit den Schätzungen der Kosten zu befassen, sagte Katsumata. Sie würden auf jeden Fall sehr hoch sein.

Trotz des Dementis bei der Verstaatlichung: Dass Japan einspringen muss, ist sicher. Das Unternehmen muss für Verbindlichkeiten von mindestens 100 Milliarden Dollar geradestehen, inklusive dem Notkredit über 22 Milliarden Dollar. Allein die Arbeiten am Unglücksreaktor verschlingen Unsummen. Wie lange sie noch andauern müssen, weiß niemand. Obendrein muss das Unternehmen den fehlenden Strom aus Fukushima aus anderen Energiequellen kompensieren. Das kostet etwa eine Milliarde Dollar – pro Monat. Und die Schadenersatzforderungen schließlich werden wohl alles je dagewesene in den Schatten stellen.