Die Automobilfabrik Smart im lothringischen Hambach, nicht weit von der saarländischen Grenze, ist auch heute noch einzigartig in der Welt. Hier arbeiten seit Ende der 90er Jahre der Automobilbauer Daimler und die Zulieferer unter einem Dach und bauen einen Winzling namens Smart. Jetzt aber hängt der Haussegen schief.
11. September 2015: Im lothringischen Hambach beteiligen sich 744 Automobilwerker von 800 an einer Abstimmung. Das betriebliche Referendum ist ein Novum in Lothringen. Es geht um Arbeitszeiten, um Rentabilität des Unternehmens und auch darum, ob der Straßenfloh Smart zukünftig noch in Hambach gebaut wird.
Missverständnis
Als Ende der 90er Jahre die Autoburg in Hambach gebaut wird, war sie bereits ein Missverständnis und wurde von den falschen gebaut. Der Schweizer Erfinder und Retter der Schweizer Uhrenindustrie war damals der Meinung, dass man durchaus ein kleines, umweltfreundliches Auto bauen können müsse, das ein Massenauto werden könne. In Deutschland fand er niemanden, der wollte. Im heutigen Daimler-Konzern aber war man auf der Suche nach einem kleinen Benz unterhalb des „Baby Benz Mercedes 190“, der eine Art Einstiegsmodell in die Marke mit dem Stern sein sollte.
Daimler und Hayek taten sich zusammen. Gebaut werden sollte das Auto in Frankreich, ein Markt, auf dem Daimler mit einer eigenen Produktion tätig werden wollte. Der damalige Innen- und Planungsminister Carles Pasqua wollte die Deutschen an der Atlantik-Küste in der Nähe von La Rochelle ansiedeln. Daimler wollte in die Nähe der deutschen Grenze. Es war die Zeit, wo Frankreich von Streiks heimgesucht wurde und die Fabrik bei Streiks von Eisenbahnern per Lastwagen versorgt werden konnte. Hambach in der Nähe von Saargemünd war ideal, war doch die Arbeitslosigkeit groß in einem Bereich, in dem die Zechen gerade geschlossen wurden.
Keine philosophische Übereinstimmung
Hayek verabschiedete sich nach und nach aus dem Projekt, weil seine Philosophie eines Einfach-Autos mit der Daimler-Philosophie nicht übereinstimmte. Die weiße Autoburg, die von Weitem über der Ortschaft thront, war groß geplant. Alle Zulieferer des Daimler-Konzerns hatten sich zu einem Konzept vereinigt, das einmalig bleiben sollte. Im Rahmen einer „Just in time“-Zulieferung produzieren sie innerhalb der Autoburg und lassen ihren Produktionsrhythmus von der Nachfrage nach dem Auto bestimmen. Die Euphorie war riesig und die Kapazität war entsprechend groß – zu groß – geplant. 200.000 Smart sollten jährlich vom Band laufen. Über 100.000 ist die Produktion im Wesentlichen nie hinausgekommen.
Die französische Automobilindustrie hat das Projekt nie gemocht und hat es bekämpft. Das Auto in Frankreich zu produzieren, stellte sich als Fehler heraus. Das Land verfügt nicht in genügender Anzahl über die großen Zentren, für die das Auto gedacht ist.
Die selbe Plattform
Daimler hielt an dem Auto fest, brachte eine viersitzige Version auf den Markt … und kooperiert heutzutage mit Renault. Twingo und Smart werden auf derselben Plattform gebaut. Allerdings hat die viersitzige Version den Weg nach Osten genommen. Der Smart „Forfour“ wird in Slowenien gebaut, wesentlich kostengünstiger als der Smart „Fortwo“ in Hambach. Die Autoburg an der lothringisch-deutschen Grenze steht unter Druck. Will sie die Fertigung eines zukünftigen Smart-Nachfolgers behalten, dann muss sie produktiver werden.
Im Juli legte die Werksleitung der Belegschaft und den Gewerkschaften einen Plan vor. Von Oktober an sollte die Arbeitszeit pro Woche von 35 auf 37 Stunden erhöht werden. Daimler bietet den Mitarbeitern dafür eine Lohnerhöhung von 120 Euro pro Monat an. Das sind sechs Prozent auf dem Basislohn. Außerdem will Smart seinen Mitarbeitern eine Prämie von 1.000 Euro zahlen. Im kommenden Jahr sollte sie noch einmal von 37 auf 39 Stunden erhöht werden, allerdings ohne weitere Lohnerhöhung. Bei Annahme des Planes gibt Smart eine fünfjährige Arbeitsplatzgarantie ab. Im Jahr 2020 würde man dann wieder zur 35-Stunden-Woche zurückkehren.
Attacke auf eine heilige Kuh
Smart attackierte damit eine heilige Kuh des französischen Arbeitsrechtes: die 35-Stunden-Woche. Die Argumentation der Gewerkschaften CGT und CFDT war von vornherein, dass man die 35-Stunden-Woche nicht diskutieren werde und dass man dann eben die zusätzlich zu leistenden Stunden per Überstundenzuschlag bezahlt haben möchte. Vergessen war bei dieser Argumentation, dass vor 15 Jahren die Einführung der 35-Stunden-Woche mit einer zwölfprozentigen Lohnerhöhung verbunden worden war. Und: Die Bezahlung als Überstunden hätte den gegenteiligen Effekt: Die Fabrik in Hambach würde gegenüber Slowenien noch schlechter dastehen.
Da die Verhandlungen ohne Erfolg blieben, einigten sich Gewerkschaften und Unternehmensleitung auf ein konsultatives Referendum, an dem sich 744 der 800 Mitarbeiter beteiligten. Eine Mehrheit von 56 Prozent stimmte für die Annahme des Planes. Allerdings: weit über 70 Prozent der Automobilwerker aus der Produktion stimmten dagegen. CGT und CFDT sahen sich mit dem Abstimmungsergebnis aus der Produktion bestätigt. Das Ergebnis zeige, dass man sich noch mehr um die Angestellten bemühen müsse, sagte ein CGT-Sprecher. Genau die aber hatten die Arbeiter gewarnt: Die Arbeitsplätze in Hambach stünden zur Disposition.
Am Mittwoch hat die Unternehmensleitung in Lothringen den Gewerkschaften den Plan „Smart 2020“ zur Unterzeichnung vorgelegt. Die beiden Gewerkschaften der Angestellten unterzeichneten ihn. CFDT und CGT verweigerten ihre Unterschrift. Am Donnerstag informierte die Unternehmensleitung die CGT und CFDT offiziell in einem Schreiben, dass die Gewerkschaften der Angestellten dem Plan zugestimmt hätten. CFDT und CGT, die mit 53 Prozent der Mitarbeiter die Mehrheit der Smart-Werker vertreten, haben nun zwei Wochen Zeit, gegen den Plan ihr Veto einzulegen. Tun sie es, ist er tot. Tun sie es nicht, tritt er in Kraft. Bis zu ihrer Entscheidung hängt der Straßenfloh in der Luft.
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