Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Für Banken ist das ein guter Moment, Bilanz zu ziehen und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Damit schlägt die Stunde der Analysten, die den Kunden erklären sollen, was die Zukunft bringt und wo sie ihr Geld anlegen müssen, wenn sie es erfolgreich vermehren wollen. Die Schweizer Privatbank Pictet in Luxemburg (übrigens in diesem Monat 25 Jahre lang im Großherzogtum) nimmt sich sogar zweimal im Jahr Zeit für ein solches Innehalten. Am Mittwoch war es wieder so weit. Im gut besuchten Auditorium des «Cercle Cité» erklärte der Chefstratege von Pictet Wealth Management, Christophe Donay, den Kunden seine Sicht.
Wie geht so ein Stratege vor? Nun, er wird sich überlegen, welche Faktoren die Märkte beeinflussen und wie sich diese Faktoren – z.B. das Wirtschaftswachstum – im nächsten Jahr entwickeln werden. Dazu wird er eine Unmenge an historischen Datensätzen, Graphen und Formeln zu Rate ziehen. Er wird versuchen, das Verhalten von Zentralbankchefs und Regierungen vorherzusagen. Eine gehörige Portion Bauchgefühl gehört wohl auch mit dazu.
Bei Pictet ist das nicht anders. Donay hat Faktoren ausgemacht, die seiner Meinung nach die Anleger beschäftigen sollten. Und analysiert sie anhand seiner Zahlen. Als erstes blickt er in die USA. Alle Indikatoren, so sagt er, deuteten auf ein anständiges Wachstum von rund drei Prozent hin – die Arbeitslosenzahlen etwa oder die Kreditvergabe an Haushalte und Unternehmen. Dazu seien die USA resistenter gegen negative Entwicklungen im Ausland als andere Volkswirtschaften.
Dann schweift sein Blick über den Atlantik. Mit der Wirtschaftslage der Eurozone kann er sich nicht anfreunden – anders als in anderen europäischen Ländern. Er mochte die Aktien hier nicht mehr haben und hat sie aus seinen Portfolios verbannt. Aktien aus den USA und aus Japan bevorzugt er nun. Das Problem in der Eurozone: Seit 1980 gebe es in vielen Ländern eine immer größer werdende Divergenz zwischen Staatsverschuldung und Wirtschaftswachstum, erklärt er. Den meisten Ländern der Eurozone spricht er hier eine schlechte Note aus – Luxemburg bilde eine Ausnahme. Deutschland befinde sich wie Großbritannien, Japan und die USA im Fegefeuer, wie Donay es ausdrückt – an der Grenze zu einem ungesunden Verhältnis zwischen Verschuldung und Wachstum. Ein Auseinanderklaffen beider Zahlen sei schlecht, weil sich durch geringes Wachstum die Schulden der Staaten potenziell noch erhöhten.
Zwickmühle für die Staaten
Austerität, um die Staaten zu entschulden, sei aber nicht die Lösung, sagt er, das habe sich gezeigt. Nein, man müsse wohl die Steuerlast der Unternehmen senken, um das Wirtschaftswachstum zu steigern. In den ersten zwei Jahren würden die Staaten dadurch zwar weniger einnehmen, aber danach stelle sich ein Erfolg ein. Der Haken sei, dass diese Maßnahme politisch nicht durchsetzbar sei, da sich hier beide Seiten des politischen Spektrums einig seien, dass eine Entlastung der Unternehmen bei den Wählern nicht durchsetzbar sei.
Ebenfalls im Blick hat Donay die Zentralbanken. Die EZB wird 2015 – das gilt als ausgemacht – ein «Quantitative Easing»-Programm fahren, d.h. den Markt mit Geld fluten. Die EZB werde dann zusammen mit der japanischen Zentralbank den ausbleibenden Stimulus der amerikanischen Zentralbank wettmachen. Doch zufrieden ist Donay damit nicht vollends. «Die Geldpolitik kann nur das Schlimmste verhindern. Sie kann die Lage nicht verbessern», sagt er. Dafür benötige es Impulse der Fiskalpolitik, also der Regierungen. Diese blieben aber in der Eurozone aus, anders als in Japan.
Fehlt noch ein Blick auf die Schwellenländer. Hier sieht Donay wenig Hoffnung auf ein wirklich hohes Wachstum. Vielmehr verweilten China und Co. auf dem gleichen Niveau. (Was im Falle Chinas immer noch ein Gehöriges bedeuten würde.) Der Stratege vergleicht das Reich der Mitte mit einem Flugzeug. Dieses habe als kleiner Flieger mit nur einem Motor (Exportwirtschaft) abgehoben und wachse stetig zu einem größeren Flugzeug heran. Nun reiche aber ein Triebwerk nicht mehr und es gelte, neue zu installieren (z.B. Binnenkonsum), damit das Flugzeug nicht abstürze. Damit sei China im Moment – eigentlich schon seit 2006 – beschäftigt.
Zum Schluss geht Donay noch auf die Bewertung des europäischen Aktienmarktes ein. Aktienhändler lieben es, zu rätseln, ob Aktien nun über oder unterbewertet sind, oder ob der Preis an den Börsen ihrem «wahren» Wert entspricht. Er wisse, das sei kein Konsens, sagt Donay, aber seiner Meinung nach seien die europäischen Aktien nicht unterbewertet. Er macht das anhand der Differenz des Kurs-Gewinnverhältnisses amerikanischer und europäischer Aktien aus. Diese liege auf ihrem langfristigen Durchschnittswert, erklärt der Stratege – wie auch sonst – anhand eines Graphen.
Zu Demaart
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