Bei niedrigen Preisen, wie es im Moment für Erdöl der Fall ist, müsste die Nachfrage steigen und das Angebot zurückgehen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Das Nachfragewachstum ließ nach und das Angebot ist gewachsen. Im September 2016 erreichte die OPEC-Produktion fast einen neuen Höchststand, wie die neuesten Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) nahe legen. „Kuwait, der Irak und die Vereinigten Arabischen Emirate pumpten so viel Öl wie noch nie“, so die IEA. Der Iran sei dabei, das Produktionsniveau von vor den Sanktionen zu erreichen. Auch Saudi-Arabien produzierte nahe seines Allzeithochs und ist wieder der größte Ölproduzent der Welt.
Seit Mai sei die Produktion in Saudi-Arabien um 640.000 Barrel pro Tag gewachsen. Der Energie-Minister Khalid al-Falih sagte, laut IEA, dass diese Steigerung für die Deckung der Inlandsnachfrage geplant gewesen sei. In den Sommermonaten laufen in dem Wüstenstaat die Klimaanlagen auf Hochtouren. Doch im Juni 2016 wurden 200.000 Barrel pro Tag weniger verbrannt als im Juni 2015.
Die saudi-arabische Presseagentur zitierte daraufhin wieder den Minister, der erklärte, dass effizientere Geräte und höhere Energiepreise in Saudi-Arabien den Verbrauch gedrosselt hätten. Das Hochfahren des Wasit-Gaswerkes, das den Ölverbrauch um 100.000 Barrel pro Tag senkt, erwähnte der Minister nicht. Dieses kann in Zukunft 300.000 Barrel Öl pro Tag einsparen. Der Überschuss geht dann entweder in den Export oder wird eingelagert.
Die bedeutenden Ölexporteure Saudi-Arabien und Russland haben sich im Sommer darauf geeignet, die Ölpreise zu stabilisieren. Im September beschlossen die OPEC-Staaten, ihre Förderung von aktuell 33,64 Millionen Fass pro Tag (mb/d) auf 32,5 bis 33 mb/d zu drosseln. Die Aktienkurse der Ölfirmen waren nach dieser OPEC-Äußerung in die Höhe geschnellt, um kurze Zeit später wieder ein normales Niveau zu erreichen. Die geplante Drosselung reicht nicht aus, um den Markt wieder in ein Gleichgewicht zu bringen.
Die Drosslung entspricht, in etwa, der Hälfte des Rückganges der September-Produktion des OPEC-Staates Irak. Dieser Monat war immer noch gekennzeichnet von den Attacken, die Ende Juli das Bai-Hassan-Ölfeld nahe Kirkuk trafen. In der Folge sind die Öllieferungen aus dem Norden Iraks in Richtung Türkei von 490.000 Barrel pro Tag auf nur noch 20.000 Barrel gefallen. Einen Rückgang in der gleichen Größenordung (615.000 b/d alleine für den Monat Juni) hatte der bisher größte Produzent, die USA, im vergangenen Jahr erlebt. Aufgrund der Preise haben viele unabhängige amerikanische Ölproduzenten ihre Investitionen zurückgefahren und in der Folge weniger produziert. Insgesamt blieben so 1.400.000 Barrel pro Tag im Boden.
Saudi-Arabien wieder Nummer eins
Die Leidtragenden dieser Entwicklung sind aber nicht nur kleine Produzenten wie Murphy Oil oder Chesapeake Energy, auch die Großen aus der Branche können ihre Investitionen und Dividendenausschüttungen nicht mehr alleine mit den Einnahmen finanzieren, dies trotz massiver Sparmaßnahmen. In der Folge sind, seit dem Jahr 2014, die Schulden der größten privaten Ölunternehmen um 40 Prozent auf nun 350 Milliarden Dollar angestiegen. Glück im Unglück hatte die norwegische Statoil. Das Staatsunternehmen schaffte es, trotz Kostenreduzierungen von 20 Prozent die Produktion zu steigern. Der Grund hierfür liegt im Produktionsbeginn des Johan-Sverdrup-Feldes, der größten Neuentdeckung in der Nordsee seit 30 Jahren. Es hat sich zudem gezeigt, dass die Produktion höher ausgefallen ist als ursprünglich geplant. Laut IEA liegen die Förderungskosten hier bei 25-30 Dollar pro Barrel. 30 weitere Offshore-Projekte habe Statoil in der Planung.
Auf der anderen Seite – der Nachfrage – rechnet die IEA für das Jahr 2016 mit einer weltweiten Steigerung von nur 1,2 Millionen Fass pro Tag. Im dritten Quartal 2016 wäre das Wachstum so niedrig gewesen, wie seit vier Jahren nicht mehr. Nur ein kalter Winter auf der Nordhalbkugel könnte das Nachfragewachstum merklich anschieben.
Die IEA führt die weniger schnell wachsende Nachfrage auf den Rückgang des Verbrauches in drei wichtigen Regionen – China, Europa und Indien – zurück. Der größte Rückgang sei in China gemessen worden.
Im Reich der Mitte sei im dritten Quartal 2016 zum ersten Mal seit der Wirtschaftskrise kein Wachstum des Ölverbrauches zu verzeichnen gewesen. Der Grund, den die IEA anführt, ist eine politische Entscheidung der chinesischen Regierung. Durch das Programm „für blaue Himmel“ seien Fabriken dazu angehalten worden, ihre Produktion zu stoppen. Diese Werksschließungen und die allgemein weniger schnell drehende Wirtschaft hätten den Tagesverbrauch um 155.000 Barrel gesenkt. Auch in Europa wurde wegen der wirtschaftlichen Lage weniger Erdöl verbraucht. Besonders dramatisch war dies, aus der Sicht der IEA, in Italien und in Frankreich gewesen. Im Juni 2016 wurden zehn Prozent weniger Öl nach Frankreich verschifft als im Juni 2015. 3,5 Prozent weniger Benzin, 11,3 Prozent weniger Diesel und 9 Prozent weniger Kerosin wurden verkauft. Auch über das gesamte Jahr geht die IEA von einem Nachfragerückgang in Frankreich aus.
Produzenten wollen Ölpreise stabilisieren
Die IEA wagt auch einen Blick in die Kristallkugel. Die Analysten erwarten nicht, dass in naher Zukunft der Markt in ein Gleichgewicht kommt. Das Angebot werde auch in Zukunft die Nachfrage übersteigen, „wenigstens für die erste Hälfte des kommenden Jahres“. Zwischen Februar und Juni waren die Preise für ein Fass Rohöl von 30 auf 50 Dollar gestiegen. Das hatte dazu geführt, dass die prall gefüllten Lager erstmals seit zwei Jahren abgebaut wurden. Aktuell werden an der New Yorker Börse Terminkontrakte für die Lieferung im Jahr 2017 zwischen 50 und 54 Dollar gehandelt. Für Lieferungen im Jahr 2024 liegt der Preis bei 59 Dollar. Wenn der Winter mild wird, die Weltwirtschaft weiterhin langsam dreht und die OPEC keine weiteren Drosselungen beschließt, wird der Ölpreis wohl keine Ausreißer nach oben erleben.
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