Die Geschichte einer der reichsten und gleichzeitig verschwiegensten deutschen Familien beginnt 1851 mit einer Chemiefabrik: Ludwig Reimann und sein Kompagnon Johann Adam Benckiser stellen in Ludwigshafen Weinsteinsäure und andere Chemikalien her. Das Geschäft wächst beständig – und die Firma bringt später so erfolgreiche Produkte heraus wie den Wasserenthärter Calgon und das Geschirrspülmittel Calgonit.
«Avon Salutes Its Representatives» ist der Name dieses Titelbilds des Magazins Avon Outlook, einer Mitarbeiterzeitschrift für Vertreter aus dem Jahr 1943. Avon Vertreter verkauften im Zweiten Weltkrieg Kriegsanleihen. (dpa)
Der Grundstein für ein Firmenimperium ist gelegt. Das Imperium der Familie Reimann. Und eben diese Reimanns, die zurückgezogen im Rhein-Neckar-Raum leben, greifen heute nach dem bekannten amerikanischen Kosmetik-Direktvertrieb Avon. Rund zehn Milliarden Dollar (7,5 Mrd Euro) wollen sie sich den Coup kosten lassen. Avon sträubt sich zwar und sagt, der Preis sei zu niedrig. Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass die Reimanns nachlegen.
Steinreiche Erben
Die Erben der Gründer sind steinreich. In der Liste der 500 reichsten Deutschen des «Manager Magazins» stehen sie auf Platz sechs mit einem geschätzten Vermögen von acht Milliarden Euro. Mehr Besitz haben demnach nur noch die Aldi-Sippe Albrecht, Lidl-Gründer Dieter Schwarz, die Handelsdynastie Otto und BMW.
Doch wie viele Milliardäre scheuen die Reimanns das Licht der Öffentlichkeit. Es ist kaum etwas über sie bekannt. Vier Adoptivkinder erbten einst die Anteile. Heute hält die Familie etwas mehr als 15 Prozent an dem börsennotierten Konsumgütermulti Reckitt Benckiser, der unter anderem das Gesichtswasser Clerasil oder Kukident-Haftcreme für dritte Zähne herstellt. Der Clan steht auch hinter dem Luxusmarken-Sammelsurium Labelux und dem Parfümkonzern Coty, der Düfte wie Davidoff und Calvin Klein vertreibt.
Bericht in der «New York Times»
Coty ist jenes Unternehmen, über das die Reimanns nun Avon übernehmen wollen. Mit dem milliardenschweren Angebot hat sich die Familie diese Woche ins öffentliche Interesse gerückt. Selbst der «New York Times» waren die Reimanns und ihr Familienimperium einen Bericht wert.
Die Reimanns zählen zwar zu den reichsten Bürgern Deutschlands, doch führen sie ein eher zurückgezogenes Leben. In ihrer Heimat – der Region mit den Städten Ludwigshafen, Mannheim und Heidelberg – fallen sie nicht mit großen Empfängen oder pompösen Auftritten auf. Mehrere Angehörige des Clans engagieren sich allerdings sozial und sind als Stifter präsent.
Soziale Projekte
Zu den Projekten gehört etwa das Mentorenprogramm «Big Brothers Big Sisters» mit Sitz in Ludwigshafen, das sich um benachteiligte Kinder kümmert. Im Verwaltungsrat sitzen zwei Angehörige der Reimann-Familie – die sich im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern des Gremiums auf der Homepage aber nicht mit Bild vorstellen. «Sie möchten lieber im Hintergrund bleiben», erläuterte eine Sprecherin.
Diese Scheu vor der Öffentlichkeit gilt auch fürs Geschäft, das die Familie Reimann lieber außenstehenden Managern überlässt. Die Fäden laufen in der Holding Joh. A. Benckiser zusammen, die von Peter Harf geführt wird. Im Gegensatz zu den Familienmitgliedern gibt Harf ab und zu Interviews.
«Stabilität finden wir gut», sagte Harf vor eineinhalb Jahren der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Nicht viele verschiedene Objekte, sondern eine Investition alle paar Jahre sei die Linie, die die Reimanns verfolgen wollten. So sind schon einige Firmen unters Dach der Reimann-Holding gekommen, die sich neben den Reinigungsmitteln damit ein zweites Standbein mit Luxusartikeln, Parfüms und Kosmetika aufgebaut hat. Ein Erfolg bei Avon wäre die Krönung aller Mühen.
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