Es muss den US-Physiker Jack Kilby vor über 50 Jahren fast in den Wahnsinn getrieben haben, dass sein damaliger Arbeitgeber Texas Instruments den Wert seiner bahnbrechenden Erfindung nicht richtig zur Kenntnis nahm. Im Sommer 1958, während seine Laborkollegen in den Sommerferien weilten, hatte er mit improvisierter Ausrüstung den integrierten Schaltkreis entwickelt, den ersten Mikrochip der Welt. Es sollte noch einmal fast zehn Jahre dauern, bis er mit dem Prototyp eines ersten Taschenrechners eine Perspektive für den Mikrochip aufgezeigen konnte.
Kilby kam auf die Idee, Transistoren, Widerstände und Kondensatoren in einer einzigen Schaltung auf Basis eines Halbleiters zu vereinen. Er montierte 1958 den ersten «Integrierten Schaltkreis» auf einem Glasplättchen mit einem Stück Germanium und mit Drähten dran. 1959 fertigte der Physiker Robert Noyce in der kalifornischen Firma Fairchild ebenfalls einen Mikrochip, er wählte eine Schaltung aus Silizium. Kilby ließ seinen Schaltkreis mit dem Patent 3.138.743 schützen, darum wurde dann vor Gericht gestritten. Erst nach zehn Jahren wurde ein Vergleich erzielt.
Für seine Erfindung des Integrierten Schaltkreises wurde Kilby 1982 in die Ruhmeshalle der amerikanischen Erfinder aufgenommen und fand seinen Platz neben Thomas Edison und den Brüdern Wright. Im Jahr 2000 erhielt er den Physik-Nobelpreis. Doch Ende der fünfziger Jahre taten sich nicht nur die TI-Bosse damit schwer, das Potenzial der Erfindung konkret zu erkennen. Die ICs seien auf Fachkongressen eher als Kuriosität gehandelt worden, erinnerte sich Kilby später.
Erster Taschenrechner war fast so dick wie ein Wörterbuch
Um ein konkretes Anwendungsbeispiel für den Mikrochip vorlegen zu können, machte sich Kilby 1966 mit seinen Kollegen Jerry Merryman und James Van Tessel daran, den ersten Taschenrechner der Welt zu konstruieren. Vor 50 Jahren, am 29. März 1967, stellte Kilby seinen «Cal Tech» dem Direktor von Texas Instruments vor. Der schwarze Aluminiumkasten war fast so dick wie ein Wörterbuch und wog zweieinhalb Pfund. Auch damals hätte er eigentlich in keine Hosentasche gepasst. Doch er konnte immerhin mit Batterien unabhängig vom Stromnetz betrieben werden.
Der «Cal Tech», der nichts mit der gleichnamigen Universität in Kalifornien zu tun hat, konnte sechsstellige Zahlen addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren. Komplexere Funktionen beherrschte der Kasten allerdings nicht. Und so zeigte sich die TI-Führungsriege zunächst nur mäßig beeindruckt. Kilby musste zum zweiten Mal hinnehmen, dass eine große Erfindung von ihm quasi ignoriert wurde.
Immerhin ermöglichte die TI-Führung, dass der japanische Konzern Canon den «Cal Tech» in eine Serienproduktion überführte. Canon brachte im April 1970 in Japan den «Pocketronic» heraus, bei dem die Zahlen ebenfalls nicht elektronisch angezeigt, sondern auf einem kleinen Streifen Thermopapier ausgedruckt wurden. Auf den US-Markt kam der Rechner Anfang 1971 und kostete knapp 400 Dollar.
Im «Handy-LE» des japanischen Herstellers Busicom leuchteten 1971 dann erstmals LED-Ziffern. In Japan kamen beinahe zeitgleich der Sanyo ICC-82D und der Sharp EL-8 auf den Markt. In Deutschland kosteten sie jeweils rund 2.000 DM (1.022 Euro) – so viel kostete damals ein Gebrauchtwagen.
Doch die hohen Preise verfielen schnell: «1974 gab es die ersten Geräte für unter 100 DM», sagt Andreas Stolte vom Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn. «Der HP 35 von Hewlett Packard ermöglichte bereits die Berechnung von Winkel- und Exponentialfunktionen. Dieser erste technisch-wissenschaftliche Rechner erschien 1972. Im selben Jahr setzte schließlich auch Texas Instruments die eigene Erfindung kommerziell um und bot den TI-2500 Datamath zum Kauf an.»
Nicht zu bremsen
Auch der Siegeszug der Personal Computer in den achtziger und neunziger Jahren konnte den Taschenrechner-Boom nicht bremsen: 1999 wurden nach Berechnungen der Marktforscher der GfK 4,4 Millionen Taschenrechner in Deutschland abgesetzt. Mit der Allgegenwart von Smartphones lassen aber immer mehr Anwender den Taschenrechner in der Schublade liegen, schließlich gibt es sowohl für das iPhone als auch für Android unzählige Taschenrechner-Apps.
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nach GfK-Berechnungen immerhin noch 2,6 Millionen Geräte verkauft. Auch in den Schulen in Deutschland hat der Taschenrechner nicht ausgedient. Da Smartphones und Tablet Computer in den meisten Klassen tabu sind, müssen die Eltern ihren Kindern aus einem Katalog von wenigen zugelassenen Modellen ein Gerät anschaffen. «Schultaschenrechner sind nicht auf dem Stand der Technik und vor allem überteuert», ärgerte sich unlängst Technik-Journalist Tim Gerber auf dem Portal «heise.de» und bekam dafür viel Zustimmung. Er musste seiner Tochter quasi einen Urenkel des «Cal Tech» anschaffen, den «TI-84 plus CE» von Texas Instruments für über 100 Euro.
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