Die Auswirkungen spürt die französische Stahlindustrie, die in Europa ein Schwerpunkt der Branche ist. Zwischen Dünkirchen und Fos am Mittelmeer beschäftigt die Stahlindustrie 41.000 Mitarbeiter. Das weltgrößte Stahlunternehmen, ArcelorMittal, hat seinen europäischen Schwerpunkt in Frankreich und beschäftigt dort mit 20.000 Menschen fast jeden zweiten Stahlarbeiter. In Frankreich sind ob der schwierigen Situation Stahlwerke geschlossen worden. Manoir Custine wurde mit 46 von 185 Mitarbeitern übernommen, Sambre et Meuse wurde im September vergangenen Jahres mit 250 Mitarbeitern geschlossen. Akers France befindet sich mit 300 unter Zwangsverwaltung. Der russische Konzern NLMK schließt seine Fabrik in Frankreich mit 209 Beschäftigten im Laufe des Jahres 2016. In Hayange in Lothringen sucht der indische Stahlproduzent Tata einen Interessenten für seine Schienenfabrik, ein Produkt von dem auch ArcelorMittal – allerdings in den USA – sich zu trennen versucht.
Der RöhrenherstellerVallourec verzeichnet einen Verlust von 900 Millionen Euro für das abgelaufene Geschäftsjahr. Das Unternehmen hat eine drastische Restrukturierung mit Abbau von Arbeitsplätzen angekündigt. Zwei Walzstraßen sollen geschlossen werden. Das Projekt des gemeinsamen Betriebes eines Stahlwerks zusammen mit Ascometal leidet unter Schwierigkeiten. Vallourec hat innerhalb von zwei Jahren bereits 1.400 Arbeitsplätze abgebaut. Frankreich produziert im Jahr 15 Millionen Tonnen Stahl, schreibt die Wirtschaftszeitschrift Challenges. Das soll ungefähr ein Prozent der Weltstahlproduktion sein. Wirtschaftsminister Emmanuel Macron hatte Anfang des Jahres davon geredet, dass die Stahlindustrie in Frankreich 3.500 Arbeitsplätze abgebaut hat.
Brandbrief an die Europäische Kommission
Macron und weitere europäische Wirtschaftsminister hatten sich Mitte Febriuar in einem Brandbrief an die Europäische Kommission gewendet und um Maßnahmen gebeten, um die europäische Stahlindustrie zu schützen. Die Kommission hatte darauf hin für einzelne Produkte Sonderzölle für chinesische Produkte verhängt.
Der französische Wirtschaftsminister empfängt den Vorstandsvorsitzenden von ArcelorMittal, Lakshmi Mittal, am Freitag Abend zu einem Gespräch. Gespräche mit der französischen Regierung hatte der Konzern bisher stets europäischen Managern überlassen.
Mittal hatte bisher nur ein Gespräch während der Krise um die Schließung der Hochöfen von Florange mit dem französischen Staatspräsidenten geführt. Der Vorgänger von Macron, Arnaud Montebourg, hatte Lakshmi Mittal zur unerwünschten Person in Frankreich erklärt und versucht, eine europäische Union unter Einbeziehung Luxemburgs gegen ArcelorMittal zu gründen. Ein Vorhaben, das fehlschlug. Eine Tageblatt Anfrage nach Gesprächsinhalten beantwortete das Unternehmen negativ.
Keine Auskunft
Man gebe über solche Gespräche keine Auskunft, teilte eine Unternehmenssprecherin mit. Das Wirtschaftsministerium in Paris antwortete gar nicht. Die Haltung des Unternehmens wird aber in Äußerungen des Vorsitzenden des französischen Stahlverbandes, zugleich Vorstandsvorsitzender ArcelorMittal in Frankreich, Philippe Darmayan, deutlich. „Für die europäischen Stahlprodukte gibt es nur eine Lösung: Wir müssen uns auf die chinesischen Preise einlassen oder den Verkauf einstellen.“ Für den Standort Fos am Mittelmeer nannte Darmayan zwei Möglichkeiten: „Wir haben angesichts der chinesischen Konkurrenz entschieden, unsere Produktion in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. Sollte es aber nötig sein, werden wir auf Kurzarbeit umstellen.“ In Spanien hat der Konzern bereits ein Elektrostahlwerk stillgelegt.
Der Standort Fos war von der lothringischen „Stahlbaronie“ de Wendel aufgebaut worden. Die Stahlhersteller hatten früh erkannt, dass Hochöfen in Lothringen keinen Sinn mehr machten, weil sowohl Kohle als auch Eisenerz über Rhein und Mosel von den Nordseehäfen herangefahren werden mussten. Fos ist für ArcelorMittal heutzutage neben Dünkirchen einer der beiden Standorte mit Hochöfen in Frankreich, nachdem die Hochöfen in Florange (Lothringen) ausgeblasen worden waren.
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