Der Preisverfall am Ölmarkt hat der Förderindustrie in diesem Jahr einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Die Gewinne der Ölmultis wie Shell, BP und Exxon brachen ein, noch heftiger traf es die Fracking-Firmen und ihre Zulieferer in den USA.
Dennoch schlug sich die Branche besser als erwartet – die von Analysten prognostizierte Pleitewelle blieb bislang aus. Doch die Aussicht auf 2016 macht den Unternehmen wenig Mut. Experten gehen davon aus, dass die Leidenszeit andauern wird.
Pessimismus
«Die Stimmung am Markt hat erneut zum maximalen Pessimismus gedreht – die Rede ist wieder vom 20-Dollar-Ölpreis», heißt es im Ausblick des Analysehauses Energy Aspects. Zuletzt kostete das Barrel (159 Liter) Rohöl der US-Sorte WTI rund 40 Dollar – fast nur halb so viel wie vor einem Jahr.
Hauptgrund für den Preisverfall ist die massive Überversorgung der Weltwirtschaft. Das Opec-Ölkartell mit Saudi-Arabien an der Spitze und die US-Fracking-Industrie pumpen im Kampf um Marktanteile um die Wette. Die Opec wird – so machten ihre Ölminister in einer Sitzung am vergangenen Freitag klar – zunächst an der Förderpolitik festhalten.
Prognose
Nicht ganz so tief sieht die Weltbank den Ölpreis im kommenden Jahr. Sie prognostiziert für 2016 einen durchschnittlichen Preis von 51 Dollar pro Barrel. Damit würde er einen Dollar unter dem erwarteten Durchschnittspreis für 2015 liegen.
Für große Teile der Ölindustrie stellen solche im Vergleich zu den Vorjahren extrem niedrigen Niveaus allerdings schon große Probleme dar. Zudem gebe es Risiken bei der Prognose, warnt die Weltbank. So dürfte das Angebot hoch bleiben, denn mit dem Iran kommt ein wichtiger Förderer zurück auf den Markt.
Nachdem sich Teheran mit dem Westen auf einen Kompromiss zum Nuklearprogramm geeinigt hat, kann die Ölförderung wieder kräftig hochgefahren werden. «Nach dem Ende der Sanktionen ist es unser Recht, sofort wieder zum Produktionslevel zurückzukehren, das wir im historischen Durchschnitt hatten», hatte Irans Ölminister Bijan Namdar Zanganeh Anfang September gesagt.
Energiebedarf
Zudem könnten die Ölpreise im nächsten Jahr auch durch eine Abschwächung der Weltwirtschaft unter Druck geraten, die den Energiebedarf dämpft. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge stellen die drastisch gesunkenen Rohstoffpreise eines der größten Risiken für die Konjunktur dar. Zwar profitieren Länder wie Deutschland von dem Preisrutsch, doch global gibt es zahlreiche Verlierer.
Vor negativen Folgen anhaltend niedriger Ölpreise warnt auch die Internationale Energieagentur (IEA). «Niedrigere Preise sind nicht nur gute Nachrichten für Verbraucher», heißt es im Jahresbericht der Energieagentur. So bestehe das Risiko, dass notwendige Investitionen in die Ölförderung unterblieben. Darüber hinaus könne sich die Abhängigkeit von Ölproduzenten aus dem Nahen Osten erhöhen, deren Förderkosten besonders niedrig seien.
Ölriesen
Auf Länderebene leiden unter den niedrigen Ölpreisen vor allem Venezuela, der Irak oder Nigeria. Aber auch die Ölriesen im Westen sind unter Druck. Der Preisverfall verhagelt den Branchenriesen die Bilanzen. Im letzten Quartal stürzten die Gewinne bei Exxon, Chevron, Eni und BP weiter ab – bei Shell fiel sogar ein Milliardenverlust an. Die Konzerne reagieren mit heftigen Ausgabenkürzungen – Tausende Stellen, Investitionen und Förderprojekte werden gestrichen.
Während Schwergewichte wie Exxon noch Spielraum für Sparmaßnahmen haben und bisher trotz aller Probleme weiter Milliarden verdienen, stellt der Preisabsturz für kleine Fracking-Firmen ein existenzielles Risiko dar. Bislang hält sich die Branche zwar noch überraschend gut – der technische Fortschritt ermöglicht eine effizientere Förderung, mit der flexibler auf Preisschwankungen reagiert werden kann.
Doch viele Unternehmen sind hoch verschuldet und agieren am Limit. Anleihen werden fällig und neue Kredite teurer. «Diese Ölkrise wird die Energieindustrie für immer verändern», meint Christopher Helman, Chef der Investmentfirma Chrysalix Energy Venture Capital.
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