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«Goldene Zeiten» in China sind vorbei

«Goldene Zeiten» in China sind vorbei
(Reuters/Jianan yu)

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Langsames Wachstum, schwacher Reformwille und wachsende Risiken. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt steuert ungewissen Zeiten entgegen.

«Wir fragen uns: Sind wir weiter willkommen oder nicht?», sagt der Präsident der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, dem die Antwort «schwer fällt».

Mangelnder Marktzugang für ausländische Unternehmen und die anhaltende Diskriminierung gegenüber der heimischen Konkurrenz verschrecken zunehmend mehr Investoren aus Deutschland und Europa – und das ausgerechnet in einer Zeit, wo sich das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt verlangsamt und ausländisches Geld und Hightech dringend nötig wären.

Wenig Substanz

Groß angekündigte Reformen, die dem Markt eigentlich eine größere Rolle einräumen sollen, kommen nur langsam voran. «Wir sehen starke Symbolik, aber wenig Substanz», sagt Wuttke.

Wie in einer revolutionären Kampagne lautet das Schlagwort «Industrie 4.0»: Was eigentlich die globale Vernetzung der Produktion über das Internet beschreibt, missversteht mancher Funktionär in China einfach als Transfer fortschrittlicher Technologie zur Modernisierung veralteter Industrien – die Lösung aller Probleme.

Mangelnde Datensicherheit

«Die wissen gar nicht, worum es geht», stellt ein europäischer Botschafter kopfschüttelnd fest.
Angesichts mangelnder Datensicherheit in China zögern deutsche Unternehmen ohnehin, ihre Unternehmen mit den Produktionsprozessen in China digital zu verknüpfen.

«Zum einen können Daten geklaut werden, zum anderen ist hier das Risiko der Sabotage oder der Übertragung falscher Informationen enorm», sagt ein deutscher Firmenvertreter, der sich in China mit der Einführung von «Industrie 4.0» beschäftigt.

Wettbewerbsfähigkeit Chinas

Während auch die Wettbewerbsfähigkeit Chinas abnimmt, stellt sich die Frage, wie die zweitgrößte Volkswirtschaft jetzt «den großen Sprung nach vorn» auf der Wertschöpfungskette machen kann. Ein neuer Fünf-Jahres-Plan wird im März auf den Weg gebracht.

Aber die «goldenen Zeiten», wo es nur aufwärtsging und alle mitverdienten, sind vorbei. Das Wachstum verlangsamt sich in diesem Jahr auf knapp sieben Prozent – so wenig wie seit 25 Jahren nicht mehr.

Kreditwelle seit 2009

Auch steigen die Risiken. «Die Kreditwelle seit der Finanzkrise 2009 zeigt sich zunehmend in Schulden und möglichen faulen Krediten», warnt EU-Kammerpräsident Wuttke. «Die echte Herausforderung für uns ist die Schuldenlast der Unternehmen.»

Was macht eine europäische Firma, wenn der Kunde in China plötzlich nicht mehr zahlen kann?
Die «überfälligen Anpassungen» durch Schulden oder Überkapazitäten in der Schwerindustrie zählen auch für das Schweizer Bankhaus Credit Suisse zu den größten Herausforderungen in China 2016.

Mögliches Dilemma

Zu einem «Dilemma» könne sich auch die politische Vorgabe von Staats- und Parteichef Xi Jinping entwickeln, dass die Wirtschaft die nächsten fünf Jahre im Schnitt mindestens 6,5 Prozent wachsen muss und die Währung nicht wesentlich abgewertet werden soll.

Da werden wieder Konjunkturmaßnahmen nötig. Nur wie gut sie noch wirken, ist fraglich. Das Bankhaus UBS erwartet vermehrte Kredite für Infrastrukturprojekte, aber kein massives Konjunkturpaket.

Lockere Geldpolitik

Doch dürfte die Geldpolitik gelockert werden. «Die Regierung steht vor einem schwierigen Balanceakt zwischen aggressiver Umstrukturierung und mehr Stimulus, um die ehrgeizigen Wachstumsziele zu erreichen und schmerzhafte Auswirkungen schneller Umorganisationen zu vermeiden.»

Einige Regionen stecken schon tief in der Krise. Der Einbruch der Kohlepreise sorgte in der Provinz Shanxi in den ersten drei Quartalen preisbereinigt für einen Wachstumsrückgang um 1,1 Prozent. Regierung, Staatsbetriebe und Privatunternehmer finden keine Auswege aus dem Schlamassel, was symptomatisch für das ganze Land scheint.

Gerettete Staatsbanken

Die Staatsbetriebe setzen darauf, dass die Staatsbanken sie schon retten werden. Und die lokalen Regierungen wiederum suchen Zuflucht in traditionellen Sektoren, die längst von Überkapazitäten geplagt sind.

Aber auch private Unternehmer wie die reichen Kohlebarone zeigen wenig Interesse, in andere, vielversprechende Geschäftsbereiche zu investieren. An satte Gewinne gewöhnt, verleihen sie ihr Geld lieber an angeschlagene Unternehmen, die bis zu 25 Prozent Zinsen zahlen.

Alte Kredite

Diese lösen damit alte Kredite ab, um bei den Banken wieder neues Geld aufnehmen zu können – alles höchst ungesund.

So steuert China in ungewisse Zeiten: Vorhersagen für das Wachstum im nächsten Jahr reichen von offiziell 6,6 bis 6,8 Prozent – doch sind Zweifel angebracht. Die Commerzbank sieht heute schon nur 5,5 Prozent Wachstum.

Deutsche Maschinenbauer spüren längst den Rückgang. Ihre Lieferungen nach China nahmen von Januar bis September um 4,7 Prozent ab. Nach sechs Jahren ist China nicht mehr der wichtigste Abnehmer deutscher Maschinenbauer, sondern wurde von den USA abgelöst.