Steht Gibson vor dem Schlussakkord? Die Finanznöte des Kult-Gitarrenbauers aus den USA bewegen Musikfans in aller Welt. Auch wenn die Krise vor allem hausgemacht sein soll: Im Digitalzeitalter hat es handgemachte E-Gitarrenmusik nicht mehr so leicht.
Die Musikwelt zittert um den Pionier der elektrischen Gitarre: Seit Wochen ranken sich Pleitegerüchte um den Kult-Klampfenhersteller Gibson aus der Country-Hochburg Nashville in Tennessee. Die Firma, auf deren Gitarren schon Legenden wie Elvis, John Lennon oder Johnny Cash vertrauten, steckt in akuter Finanznot. Der langjährige Unternehmenschef Henry Juszkiewicz steht vor einem Schuldenberg und droht, das Vertrauen der Geldgeber zu verlieren.
Um Kredite bei Anleihegläubigern zurückzuzahlen, muss Gibson schon länger Mittel zusammenkratzen, wo es geht. «Wir haben Vermögen wie Aktienbeteiligungen, Immobilien und Geschäftsbereiche zu Geld gemacht, die nicht das Erfolgsniveau erreichen konnten, das wir erwartet hatten», räumt Juszkiewicz ein. «Es ist wichtig für unser Geschäft, wieder zu den finanziellen Erfolgen zurückzukehren, die wir einmal hatten.» Das Unternehmen arbeite hart dafür.
Doch die Lage ist kritisch. Gibson-Chef Juszkiewicz kämpft mit einer Gruppe von Investoren, die ihn aus dem Unternehmen drängen und die Kontrolle übernehmen will. Trotz eines Jahresumsatzes von rund 1,2 Milliarden Dollar hat Gibson mehr als 500 Millionen Miese. Im Juli und August müssen Bankkredite und Anleihen refinanziert werden, ob diese Herkulesaufgabe gelingt, scheint derzeit ungewiss. Juszkiewicz hat die Investmentbank Jefferies beauftragt, Auswege zu finden.
Analysten sind skeptisch. Kevin Cassidy von der Ratingagentur Moody’s warnte schon im August 2017 vor Zahlungsproblemen. Das Geschäft sei schwach, die Kapitalstruktur nicht aufrechtzuerhalten. Die hohen Schulden werfen die Frage auf, ob Gibson sich übernommen hat mit der 135 Millionen Dollar teuren Übernahme der Unterhaltungssparte des Philips-Konzerns im Jahr 2014. Dazu kamen andere Zukäufe, die Gibson nach eigener Aussage zum «weltweit führenden Anbieter im Bereich Musik und Sound» machen sollten.
Doch die Geschichte des 1902 gegründeten Unternehmens, das 1936 die weltweit erste E-Gitarre in die Serienfertigung schickte, handelt natürlich auch von eben diesem Instrument. Spätestens seit das US-Traditionsblatt Washington Post letzten Sommer in einer großen Story den «schleichenden Tod» der E-Gitarre ausrief, wird über ihren vermeintlichen Niedergang diskutiert. Könnte es ein größerer und grundlegender kultureller Wandel sein, der Branchen-Urgesteinen wie Gibson, aber auch dem Erzrivalen Fender das Leben schwer macht?
Gitarren-Helden machen sich rar
Fest steht: Die große Ära der Gitarren-Helden liegt schon eine Weile zurück, und die Idole machen sich allmählich rar. Ob Motörhead, Black Sabbath, Manowar oder Slayer – die Liste der Bühnenabschiede gitarrenlastiger Bands wird lang und länger. Umso begeisterter werden die Veteranen gefeiert, die im Rockzirkus noch mitmischen. So waren die zwei Deutschland-Auftritte der US-Band Guns N› Roses rund um Frontmann Axl Rose und Gitarren-Ikone Slash im vergangenen Sommer binnen kürzester Zeit ausverkauft. Nun legt die Band nach und schaut für weitere vier Gigs im Sommer in Deutschland vorbei – zur Freude ihrer Fans, zu denen allerdings auch viele ältere Semester gehören.
Genau das ist auch ein Teil des Problems der E-Gitarre: Beim jungen Publikum geben heute andere Musikstile und Stars den Ton an – Rap, Hip-Hop und elektronische Musik stehen hoch im Kurs und Teenie-Idole wie Ariana Grande, Justin Bieber oder Taylor Swift setzen in ihrer Musik eher auf Computer-Sounds statt auf den klassischen Dreiklang aus elektrischen Gitarren, Schlagzeug und Bass. Immerhin zeigt Megastar und Singer/Songwriter Ed Sheeran, dass man auch mit Klampfe erfolgreich die Charts stürmen kann – auch wenn es sich in seinem Fall um akustische Gitarren handelt.
Beim musikalischen Nachwuchs bleiben Gitarren – ob mit oder ohne Strom – derweil durchaus gefragt. Auf der Liste der zehn beliebtesten Instrumente bei Musikschülern steht die akustische Gitarre nach dem Klavier an zweiter Stelle, sagt eine Sprecherin des Verbandes deutscher Musikschulen. Für E-Gitarrenkurse waren dort laut neuester Statistik im Jahr 2016 immerhin 12.480 Musikschüler angemeldet, das waren zwar fast 3.000 weniger als 2011, aber deutlich mehr als im Jahr 2001 mit lediglich 7.825 angehenden E-Gitarristen. Für Auftrieb sorgt auch das Internet: Lektionen mit den passenden Gitarrengriffen gibt es dort für Ed-Sheeran-Songs ebenso wie für die Riffs großer Rocknummern wie «TNT» von AC/DC oder «Nothing Else Matters» von Metallica.
Auch beim Musikhaus Thomann, nach eigenen Angaben weltgrößter Onlinehändler für Musikinstrumente, sieht man noch keinen Anlass für einen Abgesang auf die E-Gitarre. Etwa 45 Millionen Euro trugen die elektrischen Saiteninstrumente zum Jahresumsatz von zuletzt rund 770 Millionen Euro bei, sagt Firmenchef Hans Thomann, das Geschäft entwickele sich stabil. Im gesamten Gitarren-Segment verzeichnete Thomann sogar drei Prozent Umsatzplus.
Für Gibson wird sich nach Einschätzung von Branchenkenner Thomann eine Lösung finden. Schließlich hätten vor allem kostspielige Zukäufe die Probleme ausgelöst, und nicht das traditionelle Geschäft mit Gitarren. Vorstellbar sei etwa, dass sich ein Investor findet oder die jetzigen Geldgeber ein neues Management einbringen. Die Marke Gibson werde jedenfalls nicht untergehen, ist Thomann überzeugt. «Das ist so ähnlich wie Harley Davidson – einfach Kult.»
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