Wir gehen auf einen neues, voraussichtlich volatiles (Anleger-)Jahr zu. Die Geldpolitiken auf beiden Seiten des Atlantiks werden divergieren, wenn auch insgesamt weiter expansiv bleiben, der Wachstumspfad zeichnet sich als positiv wenn auch blutleer ab, und für „Schwarze Schwäne“ dürfte gesorgt sein, man denke nur an die Geopolitik.
Während unser QE-Monitor 40 Prozent der Anleihen im Euroraum und 60 Prozent der deutschen Staatsanleihen mit negativer nominaler (!) Rendite ausweist, heißt das Mantra für die Kapitalanlage unverändert: Das größte Risiko ist, kein Risiko einzugehen. Eine „sichere“ Anlagegattung gibt es im Zeitalter des billigen Zentralbankgeldes schlichtweg nicht mehr.
Hier sind meine fünf guten Anlegervorsätze für das Jahr 2016 und darüber hinaus:
1. „Kaufkrafterhalt“ muss die Minimalanforderung der Anlage lauten
Auch wenn die Inflation in diesem und wohl auch im kommenden Jahr kein Thema ist, sie bleibt einer der größten Feinde der Kapitalanlage. Wie schnell sie Kaufkraft vernichtet, zeigt folgende Berechnung: Angenommen Sie legen heute 100 Euro unter das Kopfkissen. Bei einer unterstellten jährlichen Inflation in Nähe der Zielmarke der Europäischen Zentralbank von knapp unter zwei Prozent bekommen Sie in zehn Jahren nur noch Waren im Gegenwert von etwas mehr als 80 Euro. Nach 20 Jahren sind es weniger als 70 Euro. Nach weitern 20 Jahren beträgt der Gegenwert sogar nicht einmal mehr 50 Euro.
2. Investieren, nicht Spekulieren heißt die Devise
Das Geheimnis des Wohlstandes liegt in einer einfachen Erkenntnis: ohne Risiko keine Risikoprämie. Die Theorie wird dabei von der Historie bestätigt, wie Daten für die am längsten verfügbaren Zeitreihen ausweisen.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts brachten US-amerikanische Aktien im Durchschnitt der Jahre 2,3 Prozent mehr als US-Staatsanleihen. Da kommt so einiges an Rendite zusammen. Beispiel: Hätte Ihre Ur-Ur-Großmutter 1871 zehn US-Dollar in amerikanische Aktien angelegt, würden Sie heute über 1,5 Millionen US-Dollar verfügen. Natürlich gab es in der Zwischenzeit reichlich Anlässe zum Zittern für diese „Zitterprämie“, aber die längere Frist (5, 10, 15 Jahre …) wirkt glättend. Dass sich dabei eine „Rein-Raus-Strategie“ nicht lohnt, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Hätte ein Anleger bei europäischen Aktien die besten 20 Tage der letzten 25 Jahre verpasst, hätte er im Durchschnitt knapp zwei Prozent p.a. Rendite erzielt. Wäre er einfach 25 Jahre lang investiert geblieben, hätte er über acht Prozent p.a. erzielt. Es geht um Investieren, nicht um Spekulieren. Es geht um die Kapitalanlage, nicht um das „Trading“, das schnelle Handeln.
3. Nutzen Sie die Odysseus-Strategie
Deshalb ist es auch so wichtig, sich eine Strategie zurecht zu legen: „Wie lange ist mein Anlagehorizont, welche Schwankungen kann ich verschmerzen?“ Hier lässt sich von Odysseus, dem Held aus der antiken Sagenwelt, lernen. Er war der Einzige, der auf seiner Schiffsreise die Sirenen, Fabelwesen, die mit ihrem wunderschönen Gesang die Seefahrer in den Tod lockten, hörte und nicht dafür mit dem Tod durch Schiffbruch bezahlte: Er ließ sich an einen Mast binden und verstopfte seinen Kameraden mit Wachs die Ohren. Diese hörten nichts und steuerten ihn an den Sirenen vorbei. Für Anleger heißt das sich an eine Strategie binden, gelegentlich überprüfen, aber nicht bei jedem Kursverlust in Panik ausbrechen.
4. Sparen Sie beim Sparen!
Der Durchschnittskosteneffekt hilft, beim Sparen zu sparen: Anleger kaufen bei tiefen Kursen mehr Anteile z.B. an einem Aktienfonds und bei hohen Kursen weniger. Ein altbekannter Effekt mit einer verblüffenden Erfolgsgeschichte.
Beispiel: Wer von Anfang 1992 bis Ende 2015 50 Euro monatlich in einen Korb europäischer Aktien eingezahlt hätte, hätte insgesamt knapp 15.000 Euro angelegt und einen Ertrag von knapp 29.000 Euro erzielt. Hätten das alle Erwerbstätigen aus Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich und dem Vereinigten Königreich getan, würden sie heute im Vergleich knapp die Hälfte des MSCI-Europa besitzen. Sie wären ein Volk von Aktionären. Was hält Sie davon ab, einen Sparplan abzuschließen? Ein tolles Weihnachtsgeschenk, auch wenn es möglicherweise kurz nach Weihnachten passiert.
5. Steigen Sie von toten Pferden ab
Immer wieder treffe ich Anleger, die mir von ihren Investmentleichen im Keller erzählen. Aktien, von denen sie sich nicht trennen wollen, da sie darauf warten, bis diese wieder ihren Einstiegskurs erreichen. Dann, so die Logik, können sie ohne Verluste aussteigen.
Menschen sind, verhaltensökonomisch betrachtet, verlust-avers. Sie orientieren sich an Vergangenheitswerten (sogenannten „Ankerwerten“), statt an der Zukunft. „Es sind ja nur Buchverluste“ – aber auch die können am Ende wehtun. Wer sagt denn, dass diese oder jene Aktie jemals wieder die alten Einstandskurse erreicht? Und: Was könnte aus Ihrem Geld werden, wenn Sie den Notschalter betätigen, verkaufen und das Geld in einer Aktie (besser: in einen Korb aus Aktien) mit besseren Aussichten wieder anlegen?
„Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!“ – ist eine Weisheit, die den Dakota-Indianern zugeschrieben wird. Richtig oder falsch? Richtig. Nutzen Sie doch die Tage um Neujahr dafür,
* Hans-Jörg Naumer ist Global Head of Capital Markets & Thematic Research von Allianz GI
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