Wenn Etienne Schneider Wirtschaftspolitik macht, dann macht er diese nicht akademisch in seinem Ministerium am Boulevard Royal. Der Wirtschaftsminister setzt sich mit den Akteuren der Wirtschaft an einen Tisch und plant eine neue Strategie.
Was dabei herausgekommen ist, ist keine brutale Wende, keine komplett neue Idee im Kern. Allerdings ist die neue Strategie, die der Minister und die Wirtschaftsakteure (Fedil, Handwerkskammer, Handelskammer, Luxinnovation, UEL) gestern Morgen präsentierten, in Details anders, neu und schlägt hier und da einen neuen Ton an.
Etwa dann, wenn es um neue Betriebe geht, die sich in Luxemburg niederlassen wollen. Man unterstütze in Zukunft nur noch nachhaltige Unternehmen, die nach Luxemburg kommen wollen, so der Minister. Nachhaltig, das sei eben nicht nur ein Schlagwort gewesen, das vor ein paar Jahren aufkam und jetzt wieder vergessen ist.
Vor allem sei man heute an Unternehmen interessiert, die Arbeitsplätze für Einwohner des Großherzogtums schaffen – weniger an solchen, die so spezifische Stellen ausschreiben, dass sie nur durch Grenzgänger besetzt werden können, was dann wiederum das Verkehrsaufkommen erhöht und die Umwelt belastet. Der Minister gibt sogar ein konkretes Beispiel: Erst kürzlich habe ein Unternehmen ihn besucht. Das Unternehmen wollte 100 Arbeitsplätze schaffen, die allerdings aus dem Ausland besetzt werden müssten. Das Unternehmen wollte außerdem seine Anlagen nicht mit der neuesten Filtertechnik ausstatten. „Früher hätte ich Druck auf das Umweltamt gemacht“, so der Minister. Heute würde er das nicht tun. Wenn das Unternehmen sich entscheide, die modernen Filter zu benutzen, dürfe es gerne kommen.
Konkret aber sieht die neue Strategie der Luxemburger Wirtschaft – Schneider legt Wert darauf, dass es sich nicht bloß um eine Strategie des Wirtschaftsministeriums handelt – fünf Punkte vor.
Grenzgänger und Verkehrsaufkommen
Erstens soll Luxemburger Unternehmen geholfen werden, „auch über die Landesgrenzen hinaus aktiv zu werden“. Wer dabei in erster Linie an China denkt, hat nur teilweise recht. Der Minister nennt die Benelux-Staaten. Hier habe es zuletzt Bemühungen gegeben „Prozedurales zu streamlinen“. Ferner will der Minister es in Zukunft besser fertigbringen, „unsere Betriebe in der Supply Chain von anderen zu positionieren“.
Was er damit meint, erklärt er wiederum anhand eines konkreten Beispiels: Luxemburg ist ein Kunde der Firma Airbus. Nicht nur hat das Land einen Airbus-A400M-Militärtransporter bei dem Unternehmen bestellt. Auch der sogenannte „Militärsatellit“ der Firma LuxGovSat wird von Airbus gebaut. Dies könne auch für die Luxemburger Wirtschaft Früchte tragen, meint Schneider. Er werde mit Airbus erörtern, ob sich keine Chancen ergeben für Unternehmen wie Gradel, Euro-Composites, Hitec oder SES.
Zweitens sollen in Zukunft Unternehmen aus dem Ausland gezielter angeworben werden. Das Schlagwort hier heißt „Market Intelligence“. Wenn man zu Unternehmen im Ausland gehe, dann müsse man zeigen, dass man „seine Hausaufgaben gemacht hat“, sagt Raymond Schadeck von Luxinnovation.
Man dürfe nicht dort ankommen und die Unternehmen fragen, was Luxemburg für sie tun könne. Man müsse zuerst den Sektor kennen und dann mit Lösungen auf spezifische Probleme zu den Unternehmen gehen. In diesem Sinne sei erwähnt, dass die Promotionsagentur Luxembourg for Business (früher im Wirtschaftsministerium beheimatet) und Luxinnovation fusioniert haben, was der Minister ausdrücklich begrüßt und Geld spart.
Drittens gelte es, das internationale Promotionsnetzwerk für die Luxemburger Wirtschaft zu stärken. Zu diesem Netzwerk gehören bereits die LTIO (Luxembourg Trade and Investment Offices), die es verstreut über die Welt bereits gibt, aber auch bei Ehrenkonsuln soll in Zukunft verstärkt auf wirtschaftliche Aspekte geschaut werden. Die Konsulate sollen in Zukunft verstärkt eingebunden und gebrieft werden.
Viertens soll „ein starkes Image für Luxemburg als kluger Standort für Hochleistungsunternehmen und Industrie“ (sic! Pressemappe) geschaffen werden. Dieser Punkt überschneidet sich also sehr stark mit den Bemühungen der Staatssekretärin Francine Closener um das Nation Branding. Schneider spricht etwa von einer verstärkten Präsenz in der Auslandspresse. Am Ende sei aber niemand ein besserer Botschafter als die Akteure, die bereits in Luxemburg seien, so Schadeck.
„Kohärenz und Relevanz“
Fünftens soll in Zukunft sichergestellt sein, dass die Wirtschaftspromotion „kohärent und relevant“ ist. Hierfür sollen das „Trade and Investment Board“ und das „Trade and Investment Steering Committee“ unter der Schirmherrschaft des Wirtschaftsministers sorgen. „Es ist nicht nur wichtig, dass wir am gleichen Strang ziehen“, so Schneider, „sondern auch, dass wir in die gleiche Richtung ziehen.“
Ein zentrales Thema der neuen Strategie lautet „Investore Care“. Unternehmen, die in Luxemburg investieren, dürfen nicht, wenn sie an Tag eins in Luxemburg aus dem Flieger steigen, alleine gelassen werden. Vielmehr gelte es, sie zu unterstützen, bis sie angekommen sind.
Vor einigen Jahren bereits hatte die damalige Regierung einige Wirtschaftssektoren ausgemacht, denen eine besondere Aufmerksamkeit zukommen solle. Darunter ICT, Biotech, Logistik und Ökotech. Daran habe sich im Grunde nicht viel geändert, so Schneider. Natürlich sei „Space Mining“ hinzugekommen, auch wenn der Sektor „Weltall“ davor ja schon bestanden habe. Schneider verwies auch auf die Zeit, die die Entwicklung in Anspruch nehme.
So habe es natürlich seine Zeit gedauert, um Infrastrukturen für den Logistiksektor zu schaffen (z.B. Lagerhallen). Auch der Sektor des Konferenz-Tourismus habe erst so richtig abgehoben, nachdem das Konferenzzentrum auf dem Kirchberg fertiggestellt war. Heute fehle es wiederum an Hotel-Kapazitäten.
Lobend erwähnte Schneider auch die Arbeit der ADEM. Minister Nicolas Schmit hatte das Arbeitsamt reformiert. Seit gut zwei Jahren nun arbeite die ADEM anders. Schneider erklärt anhand eines Beispiels: Wenn heute ein Arbeitssuchender sagt, er möchte eine Arbeit als Lkw-Fahrer annehmen, er aber kein Geld habe, um den Führerschein zu machen, dann übernehme das Arbeitsamt die Kosten. Das sei klug, so Schneider, denn die Person komme in Lohn und Brot und könne ihre Familie ernähren und das Arbeitsamt müsse nicht weiter das Arbeitslosengeld bezahlen. Eine Win-win-Situation also.
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