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Alstom in der Falle

Alstom in der Falle
(AFP/Thomas Samson)

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Die Gespräche über eine mögliche Fusion der Eisenbahnbereiche von Bombardier und Siemens werfen in Frankreich die Frage nach der Zukunft des Restbestandes des früheren Alstom Konzerns auf. Der besteht nur noch aus der Eisenbahntechnik.

Was wird aus Alstom ? Das ist die Frage, die mitten im Wahlkampf um die Präsidentschaft, die französische Regierung bewegt. Alstom heutzutage ist der Rest eines ehemaligen Industriekonzerns, dessen Turbinen Standbein 2014 von der französischen Regierung an den US-Mischkonzern General Electric verkauft wurde. Ein Jahr später übernahm die verbliebene Eisenbahnsparte das Signalsystem-Geschäft von General Electric.

Die Eisenbahnsparte von Alstom ist ein gesunder Bereich mit weltweit 31.000 Mitarbeitern. Der Umsatz liegt bei 6,88 Milliarden Euro. Alstom holt sich seine Aufträge, Umsätze und Gewinne aus einem weltweiten Geschäft. Das bringt ein gewichtiges Problem mit sich. Wo immer im Ausland Züge und Lokomotiven bei Alstom bestellt werden, muss der französische Konzern auch im Ausland produzieren. Alstom profitiert finanziell von dem weltweiten Geschäft, schafft in Frankreich selbst dadurch aber keine Arbeitsplätze. Auf dem heimischen Markt ist das Unternehmen auf Staatsaufträge angewiesen. Aber selbst dann ist Alstom europäischer Konkurrenz ausgesetzt. So ging zuletzt ein Auftrag über 52 Diesel-Lokomotiven an den deutschen Hersteller Vossloh.

Staatsfinanzierung und Banken-Geldspritze

Das ehemalige Gesamt-Unternehmen Alstom wurde 2003 unter der Führung von Frankreichs damaligem Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy mit einer Staatsfinanzierung von 800 Millionen und einer Banken-Geldspritze von 2,4 Milliarden Euro gerettet. Drei Jahre später übernahm der Mischkonzern Bouygues den Staatsanteil von 21,35 Prozent, stockte ihn auf 25, 35 Prozent auf.

Als 2014 General Electric die Turbinensparte übernahm und aus Alstom einen reinen Eisenbahn-Hersteller machte, lieh sich die französische Regierung 20 Prozent des Aktienkapitals von Bouygues, um Einfluss zu bewahren. Frankreich vermied es in allen Sanierungsfällen, auf Angebote von Siemens einzugehen. Die Produktüberschneidungen sind groß, ein umfangreicher Abbau von Arbeitsplätzen wäre unvermeidbar.

Fusionsgespräche treffen Alstom auf falschen Fuß

Die Gespräche zwischen Siemens und Bombardier (Link) treffen Alstom auf dem falschen Fuß. Der TGV-Hersteller Alstom hatte immer wieder einmal von einer Kooperation mit Bombardier geredet, ohne dass es konkret wurde. Das Unternehmen weiß, dass nicht mehr der Bau von Zügen, Straßenbahnen, Metrozügen, Regionalbahnen das große Geschäft sein wird. Es ist die Signaltechnik mit langfristigen Verträgen, die das einträgliche und dauerhafte Geschäft darstellen. Alstom beschäftigt in diesem Bereich nach der Übernahme General Electric Signaltechnik 6.000 Menschen.

Ein staatlicher Einfluss von 20 Prozent am Kapital reicht aber nicht aus, um die Geschäftspolitik wirklich zu bestimmen. Bei dem Stromkonzern EDF haben nicht einmal 85 Prozent Kapitalanteil gereicht, um die beiden Fessenheim-Reaktoren ohne Wenn und Aber stilllegen zu lassen. Die französische Regierung hat ihren mangelnden Einfluss feststellen müssen, als sie wünschte, dass Alstom sich die Signaltechnik des Thales-Konzern einverleiben sollte. Mit beinahe 26 Prozent an dem Rüstungskonzern beteiligt, wies der Thales-Verwaltungsrat dennoch den Wunsch der Regierung zurück.

Furcht vor ausländischer Übernahme

In Frankreich herrscht die Furcht vor, dass das seit 1928 bestehende Unternehmen, dessen Aushängeschild der TGV ist, in ausländische Hände geraten könnte. Im Oktober nämlich muss Frankreich die geliehenen 20 Prozent Kapital an Bouyges zurückgeben oder sie kaufen. Die vermutlich zu zahlenden 1,5 Milliarden Euro hat die Regierung nicht. Der ehemalige Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, derzeit aussichtsreichster Präsdidentschaftskandidat, hat stets die Meinung vertreten, dass ein Anteil von 20 Prozent nichts nutzt, weil damit kein Einfluss auszuüben sei. Die sozialistische Regierung in Paris hingegen befürchtet, dass Bouygues seinen Anteil an Alstom am Ende doch an Siemens verkaufen würde.

Die Gespräche zwischen Siemens und Bombardier drohen, Alstom zu isolieren. Nicht ausgeschlossen, dass Frankreich versuchen wird, sich einzumischen. Das Handicap für Alstom dürfte dabei die Staatsbeteiligung mit ihren irrationalen, politischen Entscheidungen und nationalen Ansprüchen sein.