LockdownZwei Luxemburger Fitnesscoaches über Corona-Krise und Trainingsmöglichkeiten

Lockdown / Zwei Luxemburger Fitnesscoaches über Corona-Krise und Trainingsmöglichkeiten
Seit vergangenem Sonntag bleiben alle Fitnessstudios in Luxemburg auf unbestimmte Zeit geschlossen Foto: Facebook/Aform

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Home-Office für Personal Trainer: Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Lösungen. Die beiden Fitnessstudio-Besitzer und Unternehmer Pascal Zimmer (Personal Trainer Academy) und Jeff Paulus (Aform) berichten, wie schwer sie die Corona-Krise trifft und welche Tipps und Tricks sie ihren Kunden mit auf den Weg gegeben haben.

Junioren-Weltmeisterin (2017) Kimberly Nelting dürfte eines der prominentesten Gesichter sein, das zu den regelmäßigen Besuchern der Personal Training Academy (PTA) in Bettemburg gehört. Doch statt aus dem ehemaligen „Celula“-Gebäude postet sie seit dieser Woche Trainingsbilder aus dem heimischen Garten. Kurzfristiges Umdenken war angesagt, auch bei PTA-Inhaber Pascal Zimmer: „Wir haben beispielsweise den Mitgliedern des Karateteams individuelle Pläne mitgegeben.“ Doch nicht nur Spitzensportler gehen in der PTA ein und aus. „Klar sind die Leute alle von der Situation genervt, immerhin kommen sie gerne zum Training. Wer einen Plan zum Überbrücken will, bekommt ihn auch.“

Die Situation lässt sich so zwar noch halten, aber nicht ewig“

Pascal Zimmer, Personal Training Academy

Insgesamt zeigten vergangene Woche aber alle Kunden Verständnis für die Entscheidung, die Trainingsräume noch vor Bekanntgabe des nationalen Lockdowns zu schliessen. „Irgendwann werden die Menschen aber alle ungeduldig werden“, schaut Zimmer voraus, „und das könnte ungemütlich werden.“ Er selbst ist Mieter in Bettemburg, muss die Löhne für vier Teilzeit-Coaches aufbringen. „Dank des ‚chômage partiel’, immerhin 80 Prozent der Lohnkosten, wird der Großteil aufgefangen. Die Situation lässt sich so zwar noch halten, aber nicht ewig.“ Der Unternehmer muss finanzielle Einbüßen einkalkulieren. „Die Unruhe ist spürbar, auch bei den Trainern.“

Finanzielles Loch

Fitnesscoach Jeff Paulus hat am Sonntagmorgen entschieden, sämtliche Aktivitäten des „Aform“ in Sanem auf unbestimmte Zeit abzublasen. Doch die Kosten laufen weiter: Kredite bei der Bank, zwei Löhne, eine Reinigungsfirma (die mittlerweile  nicht mehr benötigt wird), Buchhaltungskosten oder TVA und Steuern, die noch zu zahlen sind. „Es sind bereits Dinge in dieser Hinsicht unternommen worden, doch auch einen Kredit muss man früher oder später zurückzahlen. Wir sind keine Kette mit einem Millionär als Investor im Rücken. Schlimmstenfalls werden nach dieser Krise ein paar Luxemburger Firmen ihre Türen schließen müssen.“

Denn auch nach dem offiziellen Ende der Corona-Pandemie sind die Probleme für kleine Unternehmen nicht gelöst: „Es wird Zeit brauchen, bis wir wieder an die 100 Prozent Auslastung kommen, die wir vorher hatten. Viele Menschen werden zweifeln, ob es sicher ist, wieder in ein Fitnesszentrum zu gehen. Das finanzielle Loch in genau dieser Periode zu stopfen, wird eine zusätzliche Hürde sein. Ich kann mich nicht verdoppeln und zweimal mehr Trainingseinheiten anbieten …“

Ich kann nur hoffen, dass unsere Kunden von unserer Qualität überzeugt waren und auch zurückkommen

Jeff Paulus, „Aform“

Seit 2011 ist Paulus selbstständig. Mit allen Konsequenzen, die es erforderte: „Ich habe alles in dieses Projekt reingesteckt, das ich habe und kann.“ Optimismus ist vorhanden: „Wir können es aus der Krise rausschaffen. Trotzdem fühle ich mich momentan wie am Anfang meiner Selbstständigkeit, außer dass ich damals noch zu Hause lebte und nichts zu verlieren hatte. Jetzt bin ich an dem Punkt angelangt an dem ich etwas aufgebaut habe. Das bedeutet auch, dass ich Verantwortung gegenüber meiner angestellten Trainerin habe, meinem Kind und meiner Familie. Trotz des stabilen Business, den wir bis vor wenigen Tagen hatten, kommen Zweifel auf.“

Erstes Onlinetraining

Anders als einige Fitnessstudios verlangt „Aform“ keine Jahresbeiträge, sondern nur die Bezahlung für eine spezifische Einheit, die man besucht hat. „Es ist niemand an mich gebunden. Das bedeutet auch, dass wir keine Sicherheiten haben.“ Dass Not erfinderisch macht, ist hinlänglich bekannt – weshalb Paulus noch am Sonntag einen Aufruf in den sozialen Medien startete. „So kam es, dass ich heute (am Donnerstag) mein erstes Onlinetraining gemacht habe.“

Das virtuelle Angebot läuft über eine Plattform namens „Coaching Club Lëtzebuerg“ die nicht mit seinem Fitnessstudio in Verbindung steht: „Aform“ basiert auf individueller Betreuung, die Internet-Einheiten sind dagegen für jedermann zugänglich. „Ich wollte alles durchtesten und eine qualititativ hochwertige Stunde anbieten, weswegen ich mir auch ein paar Tage Zeit gelassen habe.“ Videoeinstellungen, Ton und Zoom mussten passen. „Es waren 62 Menschen online, ein Drittel davon hat noch nie bei uns trainiert.“ 45 Minuten lang wurde vor dem Bildschirm geschwitzt. Mehr Platz als für einen Schritt nach links oder rechts braucht es im eigenen Wohnzimmer nicht. 

Bislang funktioniert die Bezahlung auf freiwilliger Basis – die Hälfte der Sportler hat per Digicash eine Entschädigung überwiesen, „im Durchschnitt 10 Euro“. Die Übergangslösung sieht keine spektakulären Bewegungen vor, „denn ich weiß nicht, wer mitmacht. Ich versuche deshalb, Lösungsvorschläge für leichtere oder schwerere Varianten einzubauen“. Ob und wie es mit den virtuellen Trainingseinheiten auf „Coaching Club Lëtzebuerg“ weitergeht, hängt auch mit dem Feedback nach dem zweiten Versuch von gestern Abend zusammen. „Ich will mich auch nicht allzusehr beschweren, sondern nach Lösungen suchen. Es hat keinen Zweck, rumzuheulen … Ich kann nur hoffen, dass unsere Kunden von unsere Qualität überzeugt waren und auch zurückkommen.“ 

Bildschrim vs. Individualität

Nicht nur bei der Rundumbetreuung gibt es Unterschiede zwischen einem Onlinetraining und dem Besuch einen Studios mit individuellen Konzepten. Während bei Einheiten mit ausgebildeten Trainern eine TVA-Zahlung in Höhe von 17 Prozent für das Studio anfällt, müssen Zentren, die rein über digitales Training funktionieren, lediglich drei Prozent zahlen. Auch wird bei der Eneps („Ecole nationale de l’éducation physique et des sports“) an einer standardisierten Formation für Fitnesscoaches gearbeitet: „Nicht jeder, der mal zehn Kilo abgenommen hat, sollte sein Hobby zum Beruf machen“, formuliert es der „Aform“-Trainer.

Solidaritätswelle

In diesen Momenten sei Solidarität besonders wichtig, meint Pascal Zimmer. Der Sportlehrer ist ebenfalls Chef einer Baufirma und Besitzer zweier Kleidungsboutiquen in der Hauptstadt. Alle drei Betriebe stehen mittlerweile still. „Ich bin derzeit im totalen Shutdown …“ Die E-Mail seines Vermieters in Luxemburg mitsamt großzügigem Angebot kam eher unerwartet: „Er hat mir angeboten, angesichts der komplizierten Lage für zwei Monate auf die Miete zu verzichten.“ Zimmers Baufirma selbst nutzte die letzten Tage, um abschließende Arbeiten am frisch renovierten Schloss in Küntzig durchzuführen: Die Räumlichkeiten werden medizinischem Personal zur Verfügung gestellt. Wie der Coach berichtet, habe er bereits erste Anfragen erhalten. 

So halten Sie sich fit

Wie wichtig regelmäßige Bewegegung ist, muss an dieser Stelle nicht erklärt werden. Stattdessen haben beide Trainer einige Tipps, wie Sie sich in Zeiten der häuslichen Quarantäne sportlich betätigen können. Dafür braucht es nicht einmal teure Geräte. Das Konzept basiert auf funktionalem Training. Also alles, was man zu Hause mit dem eigenen Körper machen kann, ohne Maschinen, die man aus Fitnesszentern kennt. Gemeint sind Liegestütze, Kniebeugen, gelenkaufwärmende Übungen oder etwa Seilspringen (wenn der Raum dies erlaubt). Um auf Nummer sicher zu gehen, können Sie sich im Internet zahlreiche Videos mit zusätzlichen Erklärungen auf Youtube anschauen. Zeit für Recherche sparen Sie auf der Facebookseite von „Coaching Club Lëtzebuerg“: Dort finden Sie ebenfalls viele Anleitungen.
Bitte seien Sie aufmerksam: Ohne Aufsicht von professionellen Trainern sollten keine neuen Bewegungen ausprobiert werden, da ansonsten das Verletzungsrisiko hoch ist.
Wer es nicht in der eigenen Wohnung aushält, darf weiterhin raus in die Natur, beispielsweise zum Spaziergang oder Joggen (bestenfalls alleine). Es sei darin erinnert, dass nur Personen, die unter dem gleichen Dach wohnen, aktuell gemeinsame Spaziergänge/Läufe unternehmen dürfen.

Es wird noch eine Weile dauern, bis Pascal Zimmer wieder lustige Fotos mit seinen Kunden machen kann
Es wird noch eine Weile dauern, bis Pascal Zimmer wieder lustige Fotos mit seinen Kunden machen kann Foto: Facebook/Pascal Zimmer