Schon vor dem Rassismus-Eklat um Kevin-Prince Boateng war die Serie A auf dem absteigenden Ast.
Einst war Italien das Paradies für Fußball-Weltstars, doch die früher so glanzvolle Serie A ist zum Problemfall verkommen. Rassismus-Skandale wie der Fall Kevin-Prince Boateng sind bei Weitem nicht das einzige Übel: Spielmanipulationen, Gewalt und marode Stadien führen dazu, dass Zuschauer und Superstars sich abwenden.
„Pizzeria“
„Wir waren ein Luxus-Restaurant, jetzt sind wir eine Pizzeria“, sagte Präsident Adriano Galliani vom AC Mailand zuletzt anschaulich: „Wir sind zu Außenseitern geworden.“ Auch ein ehemaliger Nationaltrainer malt ein düsteres Bild. „Der italienische Fußball ist lahm und dazu verurteilt, es zu bleiben“, sagt Arrigo Sacchi. Und das, obwohl Sacchi als technischer Verantwortlicher des italienischen Fußballverbandes (FIGC) Optimismus zumindest zur Schau stellen müsste.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Sacchi die goldenen Zeiten des italienischen Fußballs kennt. Und nicht nur das, er hat sie maßgeblich mitgeprägt: Ende der 80er-Jahre gewann er mit dem AC Mailand zweimal den Europapokal der Landesmeister. Was waren das für Namen. Van Basten und Gullit bei Milan, Matthäus und Klinsmann beim Lokalrivalen Inter, Maradona beim SSC Neapel – der WM-Gastgeber von 1990 war der Nabel der Fußball-Welt. Von 1986 bis 1999 führte Italien mit einem Jahr Unterbrechung die europäische Fünfjahreswertung an.
Unattraktativ
Doch das ist längst vorbei, den Anschluss an Spanien, England und Deutschland hat der viermalige Weltmeister verloren. Das gilt auch für die Gunst der Stadionbesucher. Sorge wegen Krawallen, eine veraltete Infrastruktur und die starke Konkurrenz durch das Fernsehen führten zu einem Zuschauerschwund, der seit Jahren anhält. In der Serie A liegt der Durchschnitt momentan bei knapp 23.000 Besuchern, noch einmal weniger als in der vergangenen Saison (23.200/ 51,5 Prozent Auslastung). Die Fans, die noch ins Stadion gehen, schreiben immer wieder Negativschlagzeilen.
So auch am vergangenen Wochenende: Nur zwei Tage, nachdem Boateng wegen rassistischer Beleidigungen während eines Milan-Testspiels das Feld verlassen hatte, beschimpften Anhänger von Lazio Rom erneut einen dunkelhäutigen Spieler. Als Wurzel allen Übels sehen viele Experten die maroden Stadien an. Teilweise sind die Arenen mehr als 70 Jahre alt. Sie wurden hier und da notdürftig modernisiert, doch auch das ist meist Jahre her. „In Italien sind die Arenen wie in Deutschland in den 70er-Jahren. Die Italiener beneiden uns darum. Für sie ist die Bundesliga ein Vorbild“, sagte der ehemalige Italien-Legionär Rudi Völler zuletzt im Express.
Die Verschuldung der 20 Erstligaklubs beträgt schon jetzt insgesamt mehr als 2,7 Milliarden Euro. Auch deshalb musste beispielsweise der AC Mailand vor der Saison im halben Dutzend Leistungsträger ziehen lassen – darunter Zlatan Ibrahimovic. Es war der größte Name, den der italienische Fußball noch hatte. Die Zukunft sieht alles andere als rosig aus.
Chance für die Jugend
Juventus Turin hat zwar ein neues Stadion und eine Fußballschule für Talente, doch selbst die Schweiz und Österreich, sagt Arrigo Sacchi, seien in diesem Bereich mittlerweile an Italien vorbeigezogen. Immerhin haben die Nachwuchsspieler, die es in den Profifußball geschafft haben, nun bessere Chancen. „Wegen der finanziellen Engpässe müssen die Klubs verstärkt auf junge Spieler setzen. Das führt dazu, dass italienische Talente besser verwertet werden“, sagte Nationaltrainer Cesare Prandelli: „Die Krise kann eine Herausforderung und eine Chance für den italienischen Fußball sein.“ Wenigstens der Optimismus bleibt.
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